Neuseeland: Das Tor zu den asiatischen Boomstaaten
Neuseeland ist hierzulande hauptsächlich als Traumziel für Urlaubsreisen, Wolllieferant und Kulisse für Filme wie „Der Herr der Ringe” bekannt. Aber der Pazifikstaat hat deutlich mehr zu bieten: Das Land hat sich für deutsche Unternehmen zu einem Sprungbrett in die asiatischen Wachstumsmärkte entwickelt und lockt mit investorenfreundlichen steuerlichen und behördlichen Rahmenbedingungen verstärkt deutsche Kapitalgeber. Die Nachfrage nach Kooperations- und Investitionsmöglichkeiten ist so groß, dass die neuseeländische Außenhandelsagentur New Zealand Trade and Enterprise (NZTE) in diesem Monat erstmalig eine Roadshow für deutsche Investoren veranstaltet.
4investors hat den neuseeländischen Generalkonsul für Deutschland und 19 weitere Staaten, Marcus Scoliège, und Dr. Armin Tietjen, Leiter des Unternehmensbereichs Milking + Cooling bei GEA Farm Technologies, nach dem Investmentklima und den Chancen, die Neuseeland bietet, gefragt.
www.4investors.de: Neuseeland steht auf der Forbes-Liste auf Platz 1 für das unternehmer- und geschäftsfreundlichste Land der Welt. Wie kommt das?
Scoliège: Von Deutschland aus betrachtet liegen wir geographisch gesehen zwar sehr weit weg, sind uns im Hinblick auf die kulturellen Gemeinsamkeiten aber auch wieder sehr nah, was Geschäftsbeziehungen sehr vereinfacht. Neuseeland hat es dank eines transparenten und stabilen Geschäftsklimas, das Unternehmertum fördert, in der Gesamtwertung auf den ersten Platz geschafft. Wir führen in vier von elf Kategorien das Ranking an. Dazu zählen Anlegerschutz, persönliche Freiheit, geringer bürokratischer Aufwand und fehlende Korruption. Grund für unsere gute Platzierung sind die konsequente Deregulierung und Ausrichtung auf den weltweiten Handel, durch die sich Neuseeland zu einer sehr belastbaren und flexiblen Volkswirtschaft entwickelt hat. Darüber hinaus engagiert sich die Regierung stark, um optimale Bedingungen für internationale Investoren zu schaffen. Wir freuen uns über diese internationale Anerkennung.
www.4investors.de: Deutsche Direktinvestitionen in Neuseeland sind von 2010 bis 2012 um 18 Prozent auf 662 Millionen Euro gesunken. Was sind die Gründe dafür, wie kann man dem entgegenwirken?
Scoliège: Die Jahre 2010 bis 2011 waren weltwirtschaftlich insgesamt schwierige Jahre. Die Krise im Euroraum hat die Zurückhaltung noch verstärkt. Das hat sich in den Direktinvestitionen niedergeschlagen, die aus neuseeländischer Perspektive in diesem Zeitraum insgesamt dennoch gestiegen sind. Den sinkenden Zahlen aus Deutschland standen steigende Zahlen aus China und den USA gegenüber. Da Deutschland einer unserer wichtigsten Handelspartner ist, gehen wir nur von einem vorübergehenden Absinken aus. Nach Angaben unserer Außenhandelsagentur New Zealand Trade and Enterprise steigt die Nachfrage deutscher Unternehmen nach Kooperations- und Investitionsmöglichkeiten bereits wieder deutlich, was wir durch transparente und individuell zugeschnittene Informationen über Neuseeland und seine Perspektiven für deutsche Unternehmen und Investoren fördern.
www.4investors.de: Welche Investoren wollen sie mit ihrer aktuellen Initiative für das Land gewinnen?
Scoliège: Durch die langjährige wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Neuseeland gibt es bereits eine Vielzahl von Beziehungen zu mittelständischen Unternehmen, die Niederlassungen in Neuseeland haben und von dort den Sprung in die asiatischen Wachstumsmärkte wagen. Mit unserer aktuellen Roadshow für Investoren sprechen wir neben Unternehmen aus den Bereichen hochwertige Fertigung, Medizintechnik, Konstruktion und Agrarwirtschaft auch gezielt Privatanleger und Kapitalgesellschaften an. Allein die geplanten Infrastrukturprogramme der neuseeländischen Regierung sehen Investitionen von rund 23 Milliarden Euro vor und bieten viele Möglichkeiten, von niedrigen Inflationsraten, einem anhaltenden Wirtschaftswachstum und einer attraktiven Steuerlage zu profitieren.
www.4investors.de: Gibt es steuerliche Anreize oder Subventionen für ausländische Investoren in Neuseeland?
Scoliège: Neuseeland bietet viele steuerliche Vorteile, die für Investoren interessant sind, und hat ein extrem einfaches Steuersystem. Es gibt keine Einschränkungen beim Zu- und Abfluss von Kapital, keine Kapitalertragsteuer und umfassende staatliche und halbstaatliche Förderprogramme für F+E-Investitionen. Die Körperschaftssteuer in Neuseeland liegt bei 28 Prozent. Rohstoffe können zollfrei importiert werden und niedrige Lohnnebenkosten schaffen internationale Wettbewerbsvorteile bei qualifizierten Arbeitskräften. Ein weiterer Vorteil ist, dass aufgrund der niedrigen bürokratischen Hürden eine Unternehmensgründung in Neuseeland in nur einem Tag erfolgen kann.
www.4investors.de: Herr Dr. Tietjen, die GEA Group hat zuletzt zwei Akquisitionen in Neuseeland getätigt. Was hat sie bewogen, sich dort zu engagieren?
Tietjen: Im Vergleich zu europäischen Ländern, die eher stall-orientierte Milchwirtschaft betreiben, ist die Tendenz in Neuseeland eher weide-orientiert, was zur Folge hat, dass die Milchwirtschaft ein geringeres Kostenniveau aufweist. Die Akquisition von Milfos ermöglicht GEA Farm Technologies den Zugang zu der entsprechenden Technik und darüber hinaus zu weiteren Märkten, die vorwiegend weide-orientiert sind, zum Beispiel Südamerika, Südafrika und Teile Osteuropas. Die Akquisition der neuseeländischen Unternehmen hat für GEA deshalb nicht nur den Vorteil, in einem an sich schon attraktiven Markt vertreten zu sein, sondern bietet zudem die Möglichkeit, das Produktportfolio sinnhaft zu erweitern.
www.4investors.de: Welche Tipps geben Sie Interessierten, die ein Investment in Neuseeland ins Auge nehmen?
Tietjen: Die regulativen Rahmenbedingen sind optimal. Die politische Lage ist eine äußerst stabile. Korruption ist quasi nicht vorhanden. Das Wirtschaftswachstum ist dauerhaft positiv und garantiert somit ein geringes Investitionsrisiko. In Verhandlungen mit neuseeländischen Geschäftspartnern empfiehlt es sich, eine offene und direkte Kommunikation zu wagen. Hierin unterscheiden sie sich maßgeblich von asiatischen Volkswirtschaften. Man merkt allerdings auch die britische Herkunft, bei der Konfliktvermeidung eine hohe Priorität einnimmt. Aus deutscher Sicht sind Neuseeländer sehr beweglich und entscheidungsfreudig. Die nachhaltige Darstellung einer Win-Win-Situation stellt den Schlüssel zum Erfolg einer Verhandlung sicher.
www.4investors.de: Sind die Distanz zu Deutschland, man fliegt immerhin rund 30 Stunden, und die Zeitunterschiede ein Problem für Ihre Arbeit?
Tietjen: Sowohl die zeitliche als auch räumliche Distanz wird von uns durch eine optimale Vernetzung unseres internen Kommunikationssystems und Netzwerkes überbrückt, sodass Zeitunterschiede mit etwas Flexibilität in online-Konferenzen gut nivelliert werden können. Auslandsreisen werden langfristig geplant, um die Belastung der Beteiligten auf ein Minimum zu begrenzen, jedoch die Anwesenheit im Land selbst optimal und effektiv zu nutzen.
www.4investors.de: In Deutschland stöhnen viele Unternehmen unter Gewerbesteuern. Wie sieht das in ihrem Land aus?
Scoliège: Eine klassische Gewerbesteuer mit kommunalen Unterschieden gibt es in Neuseeland nicht, aber dem am nächsten kommt die sogenannte Company Tax Rate, die auf den Ertrag erhoben wird und in Neuseeland einheitlich bei 28 Prozent liegt. Auch im sonstigen Vergleich liegen die Steuersätze in der Regel unter den in Deutschland gültigen Werten. Der maximale Lohnsteuersatz für Privatpersonen beträgt 33 Prozent und der Mehrwertsteuersatz einheitlich 15 Prozent (Goods and Services Tax). Kapitalertragssteuern werden in Neuseeland gar nicht erhoben.
www.4investors.de: Ein Standortvorteil von Neuseeland sind niedrige Lohnnebenkosten. Können Sie einen Vergleich zu Deutschland machen?
Scoliège: In Deutschland lagen die Lohnnebenkosten laut statistischem Bundesamt 2012 bei etwa 27 Prozent des Bruttolohns. Die Lohnnebenkosten in Neuseeland bestehen aus dem Regelbeitrag für die Arbeitslosen- und Unfallversicherung (ACC), der sich je nach Risikofaktor einer Branche zwischen einem und 1,5 Prozent des Gehalts bewegt. Hinzu kommt der Pflichtbeitrag des Arbeitgebers für die Altersvorsorge, der bei 3 Prozent des Gehalts liegt. Privatwirtschaftliche Unternehmen kommen bei der reinen Pflichtbetrachtung also kaum auf mehr als fünf Prozent Lohnnebenkosten. Auch wenn sich viele Unternehmen auf freiwilliger Basis dazu entscheiden, einen höheren Beitrag zur Altersvorsorge ihrer Mitarbeiter zu leisten, bleiben die Lohnnebenkosten deutlich unter den in Europa üblichen Sätzen.
www.4investors.de: Und was ist mit den Energiekosten?
Scoliège: Neuseeland deckt schon heute rund 75 Prozent seines Strombedarfs aus erneuerbaren Energien. Wasserkraft, Geothermie und zunehmend die Windkraft garantieren eine sichere Versorgungslage auch bei steigendem Bedarf. Neuseeland liegt im weltweiten Vergleich hinsichtlich Stromgewinnung und –verbrauch aus erneuerbaren Quellen unter den fünf führenden Nationen.
www.4investors.de: Bisher gibt es zwischen Neuseeland und der EU kein Freihandelsabkommen. Wie ist die Verhandlungssituation? Welche Vorteile hätte ein solches Abkommen?
Scoliège: Neuseeland und die EU-Länder verbinden gemeinsame Werte, die uns zu langjährigen und selbstverständlichen Handelspartnern machen. Trotzdem gibt es bisher keinen formalen Vertrag, der die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen regelt. Um diesen Zustand zu ändern, finden derzeit Verhandlungen über ein Partnerschaftsabkommen statt, das die nicht wirtschaftlichen Aspekte unserer Beziehung betrifft. Dies ist zwar ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, dennoch wäre es wünschenswert, zukünftig auch ein Freihandelsabkommen zu vereinbaren, um das wirtschaftliche Potenzial der Handelsbeziehungen zwischen Neuseeland und der EU vollständig ausschöpfen zu können.
www.4investors.de: Sie haben ein Residenz-Programm für Investoren. Welche Bedingungen müssen dafür erfüllt werden?
Scoliège: Neuseeland bietet vielfältige Visa-Möglichkeiten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, darunter auch eine spezielle Kategorie für Investoren. Diese soll ihnen Anreize bieten, am wirtschaftlichen Wachstum Neuseelands teilzunehmen. Der Auswahl liegt ein Punktesystem zugrunde, das zum einen jüngere Bewerber, die eine aktive Rolle im Wirtschaftsleben übernehmen wollen, und zum anderen Bewerber mit Geschäftserfahrung und Kapital fördert. Je nach Höhe der Investition werden die Investoren in die Investor Category oder die Investor Plus Category eingeordnet. Letztere setzt eine Investition von mindestens zehn Millionen Neuseeländischen Dollar – das entspricht rund 6 Millionen Euro – voraus, verlangt dafür aber keine weiteren Qualifikationen außer der Einhaltung gesundheitlicher und charakterlicher Voraussetzungen.