Alfmeier Präzision: „Potenzial für SMA-Technologie ist überaus groß”
Heute startet die Zeichnungsfrist für eine Anleihe von Alfmeier Präzision. Die Gesellschaft will damit 30 Millionen Euro ins Unternehmen holen. Die Verzinsung liegt bei jährlich 7,5 Prozent, die Anleihe hat eine Laufzeit von fünf Jahren. Vor dem Zeichnungsstart erklärt Vorstandschef Markus Gebhardt im Gespräch mit der Redaktion von www.4investors.de, was er mit dem frischen Geld anfangen will. Er redet über Wachstumsmöglichkeiten und Margenziele. Auch sein vielleicht überraschendes Verhältnis zu Apple und Samsung ist Thema des Interviews.
www.4investors.de: Alfmeier wird nicht jedem Investor etwas sagen. Können Sie ihr Unternehmen in drei Sätzen vorstellen?
Gebhardt: Die Alfmeier Präzision AG ist ein Mechatronik-Technologieunternehmen und Hersteller von Ventilen, Aktuatoren und Steuergeräten. Sie finden uns ganz sicher in Ihrem Auto, zum Beispiel in Ihrem Sitz, wenn es um die Einstellmöglichkeiten beim Sitzkomfort geht oder wenn Sie vielleicht einen Massagesitz haben. Wir sind mit unserer Steuerungstechnik auch in der Bremskraftverstärkung und Kraftstoffversorgung zu finden. Damit haben wir uns in über 50 Jahren eine sehr solide Marktstellung als Partner nahezu aller wichtigen Autokonzerne aufgebaut.
www.4investors.de: Die SMA-Technologie soll Ihnen neue Branchen erschließen. Selbst im Bereich Smartphones kann sie eingesetzt werden. Welches Potenzial sehen Sie dank der Technologie?
Gebhardt: SMA steht für Shape Memory Alloy oder zu Deutsch Formgedächtnislegierungen. Das sind Metalle, die bei Erwärmung in ihre zuvor gelernte Form zurückkehren. Auf der Basis dieser schon lange bekannten Eigenschaft von bestimmten Metalllegierungen konnten wir völlig neuartige Aktuatoren entwickeln. Uns ist es als weltweit erstem Unternehmen gelungen, eine industrielle Anwendung dafür zu entwickeln und die Ventile auf Basis der SMA-Technologie im industriellen Maßstab zu produzieren und im Automobilbau zu etablieren. Diese wurden zuerst im Premiumsegment, zum Beispiel durch Mercedes, verbaut. Jetzt rücken wir auch in das Volumensegment vor. Diese Technologie bietet uns zusätzliche, neue Wachstumsperspektiven – sowohl in der Automobilindustrie als auch in neuen Märkten, wie der Medizintechnik oder der Telekommunikation.
Nur ein einziges Beispiel für das Potenzial: Unsere Aktuatoren können in den Kameras von Handys und Tablets zur Steuerung des Autofokus und zur Bildstabilisierung eingesetzt werden. Jedes Smartphone und jeder Tablet-Computer hat heute mindestens eine Kamera. Aktuell werden weltweit jährlich rund 700 Millionen Tablets und Smartphones auf den Markt gebracht. 2017 sollen es laut Markforschern 1,4 Milliarden Stück jährlich sein. Wenn in jedem Gerät mindestens ein Aktuator ist, seien es die bislang verwendeten traditionellen und deutlich größeren Elektromagnet-Motoren oder unsere neuartigen SMA-Aktuatoren, dann ist das ein Gesamtmarkt für Aktuatoren von 2,8 Milliarden US-Dollar.
www.4investors.de: Mit ihrer SMA-Technologie zielen Sie auch auf neuartige Mikrokameras für Smartphones ab. Haben sich Apple und Co. schon bei Ihnen gemeldet?
Gebhardt: So sehr wir davon überzeugt sind, dass unsere Technologie ein wichtiger Schlüssel für die Umsetzung der nächsten Generationen von Mikrokameras ist, so wissen wir doch auch, dass dieses Geschäft für uns beherrschbar bleiben muss. Deshalb arbeiten wir derzeit darauf hin, mit Produzenten von Handy-Plattformen zu kooperieren, die jährlich rund 10 bis 20 Millionen Stück auf den Markt bringen. Das wären immer noch zehnmal höhere Stückzahlen als üblicherweise über eine PKW-Plattform – aber doch durchaus sehr gut beherrschbar. Die Marktführer, wie Apple oder Samsung, liegen nochmals deutlich darüber und deshalb derzeit außerhalb unserer realisierbaren Volumina.
www.4investors.de: Bisher sind Sie sehr stark auf den Autobereich fokussiert. Wie viel Prozent des Umsatzes generieren Sie dort? Wie verringern Sie die Gefahr der Abhängigkeit von dem zyklischen Bereich?
Gebhardt: Wir erzielen mehr als 80 Prozent unseres 200-Millionen-Euro-Umsatzes in der Automobilindustrie. Natürlich ist diese Industrie etwas zyklisch, wie man aktuell in Europa sieht. Wir sind aber weltweit aufgestellt und haben eigene Produktionen in den Triade-Märkten, also in Nordamerika, Europa und Asien. Weltweit wächst der Automobilmarkt stabil und davon profitieren wir dank unserer internationalen Aufstellung. Dass wir sogar überproportional wachsen können, hat mit unserer SMA-Technologie zu tun, die gerade im Sitzkomfort bislang verwendete Techniken substituiert. Wir fühlen uns sehr wohl im Automobilmarkt. Auch haben wir in unserer langen Historie gelernt, mit diesen Schwankungen zu leben. Und zusätzlich erschließen wir uns jetzt immer stärker die neuen Märkte, wie Medizintechnik und Telekommunikation.
www.4investors.de: Wie soll die Umsatzverteilung in drei Jahren zwischen den unterschiedlichen Branchen aussehen?
Gebhardt: Das Potenzial für die SMA-Technologie ist überaus groß. Wir gehen da aber vorsichtig heran und erschließen die Märkte Schritt für Schritt. Gleichzeitig wollen wir auch in der Automobilindustrie weiter wachsen, das darf man nicht vergessen. Deshalb wird der Anteil der Automobilindustrie nach meiner Einschätzung dann immer noch bei über zwei Drittel unserer Umsätze liegen.
www.4investors.de: Sie führen derzeit ein Kostenoptimierungsprogramm durch. Welche Erwartungen haben Sie dabei?
Gebhardt: Wenn man wie wir in der Automobilindustrie zu Hause ist, ist das ein ständig gelebter Zustand. Wir sind immer gefordert, extrem effizient und zugleich innovativ zu arbeiten. Dem Umstand, dass wir unsere Wurzeln in dieser Industrie haben, verdanken wir unsere internationale Aufstellung und beispielsweise EDV-Strukturen, wie sie sonst nur von deutlich größeren Konzernen gelebt werden. Darauf dann nochmal aufsetzend fahren wir aktuell ein Kostenoptimierungsprogramm, das uns nachhaltig jährliche Kosteneinsparungen von 4 Millionen Euro bringen soll.
www.4investors.de: Im ersten Halbjahr kommen Sie auf eine EBIT-Marge von knapp über 4 Prozent. In den kommenden fünf Jahren soll diese auf mehr als 5 Prozent steigen. Das ist nicht sehr ambitioniert, oder?
Gebhardt: Das ist ein sehr realistisches Ziel und ein Wert, mit dem wir sehr gut aufgestellt sind. Man muss in diesem Zusammenhang auch sehen, dass wir stark wachsen wollen und eine jährliche Investitionsquote von 6 Prozent bis 8 Prozent gemessen am Umsatz haben.
www.4investors.de: Ihr Unternehmen ist in Europa, Amerika und Asien präsent. Die regionale Expansion soll weitergehen. Welche Länder stehen auf der Tagesordnung? Wie sieht Ihre Strategie aus?
Gebhardt: Wichtig ist, dass wir unsere internationale Struktur bereits nachhaltig etabliert haben. Ich spreche hier nicht von Vertriebs- oder Service-Niederlassungen. Denn wir sind in den Triade-Märkten mit 9 eigenen Produktionsstandorten vertreten. Wir wollen nah bei unseren Kunden sein. Das ist der einzige Maßstab.
www.4investors.de: Mit dem frischen Geld aus der Anleihe wollen sie wachsen. Welches sind die ersten Schritte?
Gebhardt: Rund 40 Prozent der Mittel gehen in die Wachstumsfinanzierung, speziell in das Ausrollen der SMA-Technologie in den verschiedenen Märkten. 20 Prozent verwenden wir für allgemeine Investitionen im Unternehmen zum Beispiel in die Infrastruktur, EDV oder Optimierungsmaßnahmen. Mit den verbleibenden 40 Prozent werden wir kurzfristige Bankverbindlichkeiten ablösen.
www.4investors.de: Sie wollen also bestehende Kontokorrentlinien zurückführen. Welche Einsparungen ergeben sich dadurch?
Gebhardt: Wir sprechen hier über ein Kreditvolumen von rund 12 Millionen Euro, dessen Zinslast – über 4 Prozent – wir dann einsparen bzw. mit den Zinskosten der Anleihe gegenrechnen könnten.
www.4investors.de: Akquisitionen standen 2013 nicht auf der Tagesordnung. Ist das ein Thema für 2014? Wo wollen Sie sich verstärken?
Gebhardt: Nein, Akquisitionen stehen nicht im Vordergrund. Wir haben in der Vergangenheit kleinere Technologie-Unternehmen erworben, wenn wir die besondere Kompetenz zur vollständigen Abdeckung der Wertschöpfung benötigt haben. Ein Beispiel ist unsere Tochter für den Mikro-Kunststoffspritzguss. Das findet man sonst auf der Welt ganz selten und wir wollen diese Kernkompetenz unter unserem Dach haben. Für die nächsten Jahre liegt unser Fokus aber auf internem Wachstum auf Basis des Roll-out unserer Technologie in neue Märkte.
www.4investors.de: Sie holen sich einen Finanzvorstand, der diese Position bei Kuka und Süss Microtec ausgeübt hat, Sie machen einen Umsatz von mehr als 200 Millionen Euro. Warum gehen Sie nicht an die Börse?
Gebhardt: Wir haben unser Eigenkapital deutlich gestärkt, als AFINUM als Finanzinvestor eingestiegen ist. Jetzt ziehen wir mit der Anleihe neben dem Eigenkapital und klassischen Bank-Krediten eine dritte Säule in unserer langfristigen Finanzierungsstrategie ein. Damit sind wir für die nächsten Jahre in der Finanzstruktur sehr gut aufgestellt. Zugleich ist dadurch der erste Schritt an den Kapitalmarkt bereits getan. Ich will nicht ausschließen, dass irgendwann ein zweiter Schritt folgt.