Regierungsbildung in Italien: Auf dem Weg ins finanzpolitische Chaos - Nord LB Kolumne
In Italien bahnt sich nach der Parlamentswahl am 4. März nun die Bildung einer Regierung der beiden starken populistischen Kräfte an. Wer im Vorfeld nach halbwegs ähnlichen Positionen der beteiligten Protagonisten suchte, der konnte kaum mehr als das Streben nach politischer Macht sowie die kritische, wenn nicht gar feindselige Haltung gegenüber Europa und dem gemeinsamen Währungsraum finden.
Diese sehr schmale Übereinstimmung hat offenbar ausgereicht, um zwischen der zuvor fundamentaloppositionellen Movimento 5 Stelle (M5S) und der rechtsextremen und fremdenfeindlichen Lega ein knapp 60 Seiten starkes Regierungsprogramm entstehen zu lassen. Dessen wesentliche Elemente sind u. a. eine Pauschalsteuer für Unternehmen und Bürger in Höhe von 15 bzw. 20%, ein bedingungsloses Grundeinkommen, die Wiedereinführung der Frühverrentung sowie eine Infragestellung der europäischen Verschuldungs- und Stabilitätsregeln.
Die mit fast EUR 2.300 Mrd. oder mehr als 130% des Bruttoinlandsprodukts bereits drückend hohe Staatsverschuldung könnte durch das Maßnahmenpaket um weitere EUR 100 Mrd. ansteigen. Obwohl die in einem vorläufigen Programm enthaltene ganz und gar abstruse Forderung, die EZB möge dem italienischen Staat von ihr angekaufte Anleihen im Umfang von EUR 250 Mrd. stunden, recht schnell wieder fallen gelassen worden war, bleibt zu befürchten, dass die unbedarfte Umsetzung unzähliger Wahlversprechen ins finanzpolitische Chaos münden wird.
Da keiner der beiden Populistenführer Luigi Di Maio (M5S) und Matteo Salvini (Lega) dem anderen den Vortritt lassen wollte, soll nun der politisch völlig unerfahrene Juraprofessor Giuseppe Conte zum Regierungschef gewählt werden. Staatspräsident Sergio Mattarella hat ihm am gestrigen Abend die Regierungsbildung angetragen. Conte hat keinerlei Einfluss auf das Regierungsprogramm genommen und wird sich auch bei der Auswahl der Kabinettsmitglieder den Wünschen von Di Maio und Salvini fügen müssen.
Die Aussichten auf eine europafeindliche und chaotische Verschuldungspolitik haben die Spreads 10jähriger italienischer Staatsanleihen zu Bunds mit gleicher Laufzeit bis auf 190 Basispunkte katapultiert. Deutlicher kann das berechtigte Misstrauen der Finanzmärkte kaum zum Ausdruck kommen. Ob dies eine disziplinierende Wirkung haben wird, bleibt abzuwarten. Spannend wird auch sein, ob und wie sich die EZB zu dem Kurs der absehbaren italienischen Regierung positioniert. Vertreter der EU-Kommission haben immerhin schon deutliche mahnende Worte gefunden.
Fazit: Die bevorstehende Regierungsbildung in Italien kann den Weg ins finanzpolitische Chaos in der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone bahnen. Das Zusammenwürfeln abstruser populistischer Phantasien in dem ausgehandelten Regierungsprogramm und ein unerfahrenen und absehbar am Gängelband der beiden eigentlichen Protagonisten agierender Ministerpräsident lassen nichts Gutes ahnen. Ob das berechtigte Misstrauen der Finanzmärkte und die damit prekärer werdende Refinanzierungsposition für die drückend hohe Staatsverschuldung eine disziplinierende Wirkung haben wird, bleibt abzuwarten.