EZB agiert mit ruhiger Hand: Mario Draghi spielt Wachstumssorgen herunter - Nord LB Kolumne
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat auf ihrer heutigen Ratssitzung wie erwartet keine neuen Beschlüsse gefasst und auch keine weitere Adjustierung an der Wortwahl vorgenommen. Somit bleiben die Leitzinsen auf ihrem Rekordtief und auch das Volumen der Nettoanleihekäufe im Rahmen des Expanded Asset Purchase Programme (EAPP) von monatlich EUR 30 Mrd. wird bis September im bisherigen Tempo fortgeführt.
Zudem wurde heute bekräftigt, dass die Dauer der Nettoankäufe ggf. über September 2018 hinaus ausgeweitet werden könne. Ein abruptes Ende des EAPP im Herbst halten wir nicht für sehr wahrscheinlich, entsprechend eindeutige Signale kamen zuletzt wiederholt aus dem EZB-Tower. Allerdings sollte diese offensichtlich geplante Fading-Out-Phase keine signifikante Volumenerhöhung des EAPP mehr ergeben und zudem möglichst kurz ausfallen. Eine Verlängerung der Nettoankäufe in das Jahr 2019 hinein würde als taktisches Manöver, die erste Zinserhöhung künstlich weiter in die Zukunft zu schieben, verstanden werden. Unnötige Verzögerungen könnten nicht nur die Glaubwürdigkeit der EZB beschädigen. Es besteht auch die Gefahr, dass bei einem plötzlich stärker ausfallenden Inflationsdruck die EZB hektisch und stärker als gewünscht ihre Geldpolitik straffen müsste. Dies würde einen unnötigen Anstieg der Marktvolatilität verursachen. Zur Frage, wann das EAPP beendet wird, rechnen wir erst ab Juli mit mehr Klarheit. Dies bietet der EZB die Möglichkeit, weitere Konjunkturdaten abzuwarten.
Mario Draghi gab auf der anschließenden Pressekonferenz keine weiteren Hinweise auf eventuell bereits für eine der nächsten Sitzungen konkret geplante Schritte auf dem Weg hin zu einer neutraleren Ausrichtung der Geldpolitik. Hierüber sei heute auch nicht diskutiert worden. Eindeutig widersprach er der Spekulation, die EZB habe bereits ein heimliches Tapering bei Corporates begonnen.
Mit besonderer Spannung hatten Marktteilnehmer Mario Draghis Einschätzung zur aktuellen gesamtwirtschaftlichen Lage erwartet. Trotz gestiegener Abwärtsrisiken – vor allem infolge des aktuellen Handelskonflikts – und einer absehbar nur mäßigen Konjunkturdynamik im I. Quartal hat sich am grundsätzlichen Ausblick bislang nur wenig geändert. Solange die Verspannungen infolge des neuen US-Protektionismus nicht eskalieren und bilateral die Konflikte entschärft werden, kann die Notenbank durch die begrenzten Effekte hieraus hindurchsehen. Draghi deutete heute zwar auf eine Moderation der konjunkturellen Dynamik hin. Das Wachstum bleibe aber solide und ausreichend, um an der Einschätzung einer allmählichen Annäherung der Inflation an das EZB-Ziel festzuhalten.
Auf Nachfrage bestätigte Mario Draghi zwar einen negativen Effekt des US-Protektionismus auf die Stimmung und deutete auch globale Abwärtsrisiken an, das Ausmaß der Handelsbeschränkungen und Vergeltungsmaßnahmen sei bislang aber nicht bekannt. Insgesamt bemühte sich der EZB-Präsident auffällig, die zuletzt auch öffentlich stärker diskutierten Wachstumssorgen herunterzuspielen. In der Summe bekam sein heutiges Statement damit sogar eine leicht hawkishe Note. Insgesamt hielten sich die ersten Marktreaktionen angesichts der Abwesenheit von Überraschungen aber sehr in Grenzen. Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass die EZB prinzipiell an ihrem langfristig ausgelegten Normalisierungskurs festhalten und sich nicht durch jedes Störfeuer aus dem Konzept bringen lassen will.
Fazit: Die EZB hat wie erwartet auf der heutigen Ratssitzung keine Änderungen an ihrer Geldpolitik beschlossen. Zudem blieben die Grundzüge ihres Wordings unverändert. Die zuletzt aufgekommenen Wachstumssorgen spielte Mario Draghi auffallend gelassen herunter. Das Wachstum erwarte die EZB etwas weniger dynamisch, aber noch immer ausreichend solide, um sich weiter dem Inflationsziel anzunähern. Damit hält die EZB an ihrem langfristig angelegten Ausstiegspfad fest, dürfte aber nicht vor der Julisitzung konkrete Maßnahmen verkünden. Das Ende des QE-Programms – vermutlich zum Jahresende 2018 – rückt damit näher. Wir halten daher weiter eine erste Zinsanhebung des negativen Einlagesatzes ab Mitte 2019 für realistisch.