EZB spielt auf Zeit - Commerzbank-Kolumne
Die EZB hat bei ihrer gestrigen Ratssitzung keine neuen Entscheidungen getroffen. Selbst der weithin erwartete Trippelschritt Richtung Ausstieg aus der quantitativen Lockerung blieb aus, denn sie behielt den „zukunftsgerichteten Hinweis“ bei, dass die Anleihekäufe auch im Bedarfsfall nochmals vom Volumen her aufgestockt werden könnten. Mit der Konjunkturentwicklung zeigte sich Mario Draghi zufrieden, nicht aber mit der noch immer für den Geschmack der EZB viel zu verhaltenen Preisentwicklung. Für dies gebe es zwar plausible Gründe (Entschuldung nach der Krise, Orientierung der Lohnabschlüsse an den vergangenen, niedrigen Inflationsraten), doch sei man zuversichtlich, dass sich hier mit der Zeit wieder mehr Dynamik einstelle und der Zusammenhang zwischen Konjunktur, Lohnentwicklung und Inflation wieder enger werde. Doch bis es dafür mehr Belege gebe, müsse die EZB mit ihrer Politik geduldig fortfahren.
Nach dem Rendite- und Währungsschub nach seiner Sintra-Rede Ende Juni war Draghi sichtlich bemüht, dem Markt zu signalisieren, dass es die EZB mit einem Ausstieg aus QE nicht eilig hat und sie die Erfolge nicht durch einen zu frühen Exit gefährden will. Um dies zu unterstreichen, betonte er auch, über Ausstiegsszenarien sei nicht gesprochen worden. Der Markt war indes davon ausgegangen, dass darüber schon recht detailliert bei der nächsten Ratssitzung am 7. September befunden werde. Mario Draghi wollte sich indes lediglich auf Herbst „festlegen“. Klar ist freilich: Auch wenn die EZB das Avis hinausschiebt, wird sie schon aus Gründen des schwindenden kaufbaren Materials ihre Anleihekäufe ab 2018 reduzieren. Die Kernbotschaft ist für uns: Die EZB will sich möglichst viel Zeit mit dem Exit lassen; an eine Leitzinsanhebung ist erst in 2019 zu denken.
Zinsen und Anleihen
Japan: Kaufhausumsätze (Juni), 7:30 Uhr
EZB: Survey of Professional Forecasters, 10:00 Uhr
Großbritannien: Staatsausgaben (Juni), 10:30 Uhr
Als Reaktion auf die geldpolitische Entscheidung der Europäischen Zentralbank legte der Kurs des Euro zum US-Dollar deutlich zu und kletterte über die Marke von 1,165 US-Dollar je Euro. Inhaltlich gab es jedoch seitens der EZB nichts Neues. Allenfalls die Aussage vom EZB-Präsidenten Mario Draghi, dass sich der geldpolitische Rat nicht an der Aufwertung des Euro störe, könnten die Märkte als „grünes Licht“ für weitere Kurssteigerungen interpretiert haben. Die Rentenmärkte zeigten sich dagegen ungerührt. Die EZB sendete keine Ausstiegssignale – wie manche Analysten erwartet hatten. Über Ausstiegsszenarien sei nicht gesprochen worden, sagte Draghi und vertröstete die Markteilnehmer auf den Herbst – man wird sich also im September beraten und vielleicht zum selben Sitzungstermin, vielleicht aber auch erst im Oktober, einen Ausstiegsfahrplan verkünden. Zum Handelsschluss waren die Renditen von Bundesanleihen sogar leicht zurückgegangen – was für sich genommen sogar für eine leichte Abwertung des Euro gesprochen hätte. Aus den USA wurde für Juli ein unerwartet deutlicher Rückgang der Verbraucherstimmung – gemessen am Index der Philadelphia Fed gemeldet. Allerdings befindet sich der Index mit 19,50 Punkten weiterhin klar über dem langjährigen Durchschnitt von 9,1 Punkten. Kein Wunder: denn die Arbeitsmarktlage ist weiterhin hervorragend. Das unterstrichen gestern auch die Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung, die mit 233.000 erneut rekordverdächtig niedrig waren. Jedoch ist in den USA – ähnlich wie in Deutschland – trotz der guten Arbeitsmarktlage der Lohndruck unverändert niedrig. Draghi hatte dafür gestern eine Erklärung: Die Lohnabschlüsse würden sich an den sehr niedrigen Inflationsraten der letzten Jahre orientieren.
Aktien
Vodafone Group, Umsatz Q2
General Electric, Ergebnis Q2
Colgate-Palmilive, Schlumberger, Ergebnis Q2
An den europäischen Aktienmärkten sorgte gestern einmal mehr EZB-Chef Mario Draghi für Bewegung. Nach einem ohnehin positiven Start in den Tag konnten die Indizes nach der Entscheidung der EZB und insbesondere nach dem begleitenden Kommuniqué noch weiter zulegen, da dieses noch „taubenhafter“ ausfiel, als ohnehin erwartet. Dass die Gewinne nicht gehalten werden konnten und die Marktbarometer letztendlich nur wenig verändert aus dem Handel gingen, lag allerdings ebenfalls an Mario Draghi. Seine Aussagen in der Pressekonferenz führten am Devisenmarkt zu einem klaren Anstieg des Euro, was letztlich die Aktienmärkte unter Druck brachte. Auf Branchenebene führten IT (+0,3%) und Medien (+0,1%) die Gewinnerliste an, während Grundstoffe und Reise&Freizeit (-1,9%, bzw. -1,5%) am deutlichsten nachgaben. Während die großen Titel stark von der EZB-Kommunikation und dem Euro bewegt wurden, sorgte die anlaufende Berichtssaison bei einigen Titeln aus der zweiten Reihe für größere Kursveränderungen. So sorgten schwache Zahlen von Easyjet (-5,6%) auch bei anderen Airlines (u.a. Lufthansa -7,3%) für Gewinnmitnahmen. Aber auch beim IT-Titel Adva Optical (-17,4%) und beim Onlinehändler für Tierbedarf Zooplus (-8,3%) ging es nach enttäuschenden Quartalsausweisen deutlich abwärts. An den US-Märkten konnten sich die Indizes von ihren Tagestiefs erholen und schlossen wenig verändert. Die insgesamt gemischt ausgefallenen Makrodaten hatten keinen größeren Einfluss. Eher sorgte die Berichtssaison für Bewegung. Insbesondere Telekomwerte (+1,4%) waren gefragt. Die guten Zahlen von T-Mobile (USA) und M&A-Fantasie sorgten für Käufe. Zyklische Sektoren gaben nach. In Asien notieren die Indizes heute Morgen uneinheitlich, aber insgesamt wenig verändert.