Nord LB – Economic Sentiment: Stimmung gut – Industrie mit erstem Trump-Kratzer?
Heute hat die Europäische Kommission aktuelle Daten zu ihrer monatlichen Verbraucher- und Unternehmensumfrage in der Eurozone und der gesamten EU veröffentlicht. Der Economic-Sentiment-Indikator (ESI) legte im Berichtsmonat November auf 106,4 Punkte zu und notiert damit nur noch knapp unterhalb des Fünfjahreshochs. Im November kam der starke Zuwachs der beiden Vormonate nahezu zum Stillstand. Dennoch prognostizieren wir für das laufende Quartal einen BIP-Zuwachs in Höhe von 0,4 bis 0,5% gegenüber dem Vorquartal. Allerdings dürfte dieses Tempo im neuen Jahr nicht ganz zu halten sein.
Nach den soliden Zahlen von den nationalen Stimmungsindikatoren und der deutlichen Verbesserung beim Verbrauchervertrauen war von Analysten und Volkswirten jedoch ein etwas stärkerer Anstieg erwartet worden. Unter den großen Volkswirtschaften ergibt sich ein uneinheitliches Bild. Während sich der ESI in Frankreich deutlich verbesserte (+1,5 Punkte), wird aktuell die Stimmung in Italien (-0,8 Punkte) vor allem von der Ungewissheit über den Ausgang des Verfassungsreferendums und die politische Zukunft des italienischen Ministerpräsidenten Renzi belastet. Auch die neuerlichen Negativmeldungen italienischer Banken dürften ihren Teil beigetragen haben.
Das Verbrauchervertrauen legte am deutlichsten zu (+1,9 auf nun -6,1 Saldenpunkte). Unter den Konsumenten hellte sich vor allem der Ausblick auf die zukünftige Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung auf. Das Bild einer stabilen Konsumnachfrage zeichnen auch die Einzelhändler. Bei den Dienstleistern blieb die Stimmung auf dem hohen Vormonatsniveau und das Vertrauen in der Bauwirtschaft verbesserte sich sogar auf den besten Stand seit Mitte 2008!
Im November fiel das Industrievertrauen mit -1,1 Punkten schwächer als im Vormonat aus, was vor allem auf eine vorsichtigere Beurteilung der Lager- und Auftragsbestände zurückzuführen ist. Auch die Exporterwartungen erfuhren einen leichten Dämpfer, was mit viel Interpretationswillen als erster Kratzer am Konjunkturausblick infolge der Wahl Donald Trumps zum neuen US-Präsidenten gewertet werden könnte. Hier mahnen wir aber noch zur Vorsicht, auch wegen der Ungewissheit über die Politik eines Präsidenten Trump. Eine mögliche Wende in der amerikanischen Handelspolitik würde aber auch europäische Industrieunternehmen bedrohen. Unter dem Eindruck von Brexit und Trump, im Vorfeld des italienischen Referendums am Sonntag und den europäischen Wahlen im kommenden Jahr ist es wenig verwunderlich, dass die Unternehmen ihre Investitionspläne deutlich zusammengestrichen haben. In den Jahren 2016 (+1%) und 2017 (+2%) erwarten die Industrieunternehmen nur noch jeweils ein leichtes reales Investitionsplus.
Damit ergibt sich für die EZB ein zweigeteiltes Bild: Zum einen dürfte sich die konjunkturelle Erholung fortsetzen, vorübergehend sogar mit etwas höherer Dynamik. Zum anderen verläuft der konjunkturelle Trend aber insgesamt recht flach, weshalb sich die Outputlücke nur langsam schließt. Zudem gibt es erste Belege für ein Ausstrahlen der Risikofaktoren auf die Investitionsbereitschaft.
Fazit: Die starke Stimmungsverbesserung der beiden Vormonate hat sich im November nicht fortgesetzt. Der Economic Sentiment Indikator kletterte marginal auf 106,4 Punkte, signalisiert aber immerhin ein BIP-Plus von 0,4 bis 0,5% im laufenden Quartal. Dieses Tempo dürfte aber nicht gehalten werden. Brexit, Trump, Italien – erste Kratzer am Konjunkturausblick sind da fast zwangsläufig, vor allem bei der Investitionsbereitschaft und den Exporterwartungen. Und mit Blick auf die Wahlen 2017 ist die Messe noch nicht gelesen. Die EZB bleibt daher im Krisenmodus und wird ihre expansive Geldpolitik verlängern!