Nord LB – EZB senkt Zinsen und flutet Märkte mit Liquidität – Corporates auf Einkaufzettel
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat heute auf ihrer mit Spannung erwarteten Sitzung in Frankfurt wie erwartet eine weitere geldpolitische Lockerung beschlossen. Als Teil eines ganzen Maßnahmenbündels wurden die Leitzinsen gesenkt. So reduzierte der EZB-Rat den Satz für die Einlagefazilität erneut um 10 Basispunkte auf nun -0,40%. Einem zuvor diskutierten gesplitteten Einlagesatz erteilten die Ratsmitglieder heute aber eine Absage. Überraschenderweise senkten die Notenbanker um jeweils fünf Basispunkte auch die Zinssätze für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte (0,00%) sowie für die Spitzenrefinanzierungsfazilität (0,25%).
Zusätzlich wurde das erweiterte Ankaufprogramm (EAPP) ausgeweitet und beschleunigt. Die monatliche Ankaufsumme wird wie von uns erwartet um EUR 20 Mrd. auf EUR 80 Mrd. ab April angehoben. Zudem werden Corporates (Unternehmensanleihen von Nichtbanken aus der Eurozone im investment grade, in Euro denominiert) in die Liste der ankaufbaren Assets aufgenommen und bilden das neue Teilprogramm CSPP im Rahmen des EAPP.
Außerdem wird von der EZB eine neue Serie von gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäften (TLTRO II) aufgelegt. Ab Juni 2016 können sich dann Banken im Rahmen von vier Operationen mit jeweils vier Jahren Laufzeit langfristig Liquidität sichern. Der Zinssatz hierfür liegt für die gesamte Laufzeit grundsätzlich beim Satz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte zum Emissionszeitpunkt (aktuell: 0,00%). Für Banken mit einer Kreditvergabe über einem Schwellenwert können die Konditionen sogar bis auf den Satz für die Einlagefazilität (aktuell: -0,40%) sinken. Wir teilen die Einschätzung der EZB, dass die Nachfrage nach diesen Geschäften hoch ausfallen dürfte.
Auf der anschließenden Pressekonferenz stellte Mario Draghi die neuen Projektionen der Experten des Eurosystems vor. Für das BIP-Wachstum werden von der EZB nunmehr 1,4% (2016), 1,7% (2017) und 1,8% (2018) prognostiziert. Regelrecht eingedampft wurde die Inflationsprognose für 2016: Statt 1,0% wie im Dezember wird nun nur noch 0,1% im Jahresmittel erwartet, für die beiden Folgejahre ein Anstieg der Inflationsrate auf 1,3% (2017) und 1,6% (2018). Mario Draghi betonte, die EZB werde genau beobachten, ob sich die längere Phase geringer Inflation auf die Lohnentwicklung auswirkt und warnte vor Zweitrundeneffekten.
Die Märkte wurden von den Beschlüssen nur kurzzeitig positiv überrascht. Der Dax kletterte in einer ersten Reaktion fast auf 10.000 Punkte, musste dann aber wieder Federn lassen. Hochvolatil zeigte sich auch der Euro. So sackte er zunächst bis unter 1,0850 USD, sprang aber später sogar kurz über 1,11 USD je EUR. Ursache für die Gegenbewegung dürfte Draghis Dämpfung weiterer Zinssenkungserwartungen gewesen sein. Es mag hierin aber auch eine grundlegende Skepsis zum Ausdruck kommen, ob eine immer höhere Dosis geldpolitischer Maßnahmen den gewünschten und vor allem einen positiven Nettoeffekt haben wird. Die Geldpolitik scheint in der Tat mit den ökonomischen Problemen allein gelassen und zunehmend überfrachtet. Dies kann aber nicht der EZB angelastet werden: Den Schlüssel für eine wirksamere Bekämpfung des schwachen Wachstums- und Inflationsausblicks hält die Fiskal- und Wirtschaftspolitik in der Hand!
Fazit: Der EZB-Rat hat bei seiner mit Spannung erwarteten Sitzung ein ganzes Bündel von Maßnahmen zur geldpolitischen Lockerung auf den Weg gebracht. Neben einer Senkung der Leitzinsen wurden neue langlaufende Liquiditätsspritzen (TLTRO II) sowie eine Ausweitung und Beschleunigung des Ankaufprogramms beschlossen. Die EZB hat zwar geliefert, die Märkte bleiben aber skeptisch. Die EZB scheint mit den Problemen zunehmend überfrachtet und allein gelassen. Die Wachstums- und Inflationsschwäche sollte daher zukünftig stärker von der Fiskal- und Wirtschaftspolitik angegangen werden!