Wirecard Aktie vor Aufholjagd? Braun: „Es wurden die richtigen Entscheidungen getroffen”
Wirecard hat am Freitag die Anleger an der Frankfurter Börse mit einem Vorstandsumbau überrascht. Auf den ersten Blick gibt Konzernchef Markus Braun Macht ab. Ob das tatsächlich so sein wird, wird sich noch zeigen. Erst einmal dürfte Braun, der zugleich mit 7,05 Prozent die größte einzelne Aktienposition an Wirecard hält, seine Position gefestigt haben - daran ändert nichts, dass die Aktionärsschützer der DWS oder auch Fondsgesellschaft DEKA weiter an ihrer Kritik festhält - nennenswerte Anteile an dem DAX-notierten Fintech-Konzern hält diese in ihren Fonds übrigens wohl nicht, wie die Aktionärsstruktur von Wirecard.
„Um die Forderung nach einem Rücktritt von Braun zurückzunehmen, ist es zu früh. Dafür ist nichts aufgeklärt. Bis spätestens zur Hauptversammlung müssen noch einige Fragen geklärt werden”, zitiert die Nachrichtenagentur „Reuters” Ingo Speich, der bei dem Fondsanbieter der Sparkassen-Gruppe den Bereich Corporate Governance leitet. DSW-Vizepräsident Klaus Nieding fordert laut „Reuters” von Braun, freiwillig zu gehen oder der Aufsichtsrat müsse tätig werden. „Offensichtlich hat der Kapitalmarkt das Vertrauen in das Management um Vorstandschef Markus Braun verloren”, so Nieding.
Wircard-Chef Braun ist umstritten, aber seine Position gefestigt
Dass diese Aussage in ihrer Pauschalität treffend ist, kann man nach der News vom Freitag durchaus bezweifeln. Braun ist insgesamt umstritten, zweifellos, genießt aber bei vielen Aktionären aus dem Streubesitz - und dieser umfasst bei Wirecard fast 88 Prozent des Aktienkapitals - weiter einen hohen Stellenwert - im Gegensatz zur „Financial Times”. Die Reaktion an der Börse vom Freitagabend auf die News von Wirecard zum Wechsel im Vorstand spricht ebenfalls Bände. Wirecards Aktie ging am späten Freitagnachmittag mit 84,18 Euro aus dem XETRA-Handel, Tags zuvor lag der Aktienkurs mit 80,08 Euro sogar noch in der Nähe des Tiefs aus dem Corona-Crash, notiert bei 79,68 Euro. Nach XETRA-Schluss kam dann die Nachricht über die Umbildung des Vorstands. Am Ende des Tages lag der Schlusskurs im Tradegate-Handel bei 94,75 Euro. Und dann ist da noch die Aussage aus dem Aufsichtsrat: „Auf Basis der nun vereinbarten organisatorischen und personellen Veränderungen spricht der Aufsichtsrat dem Vorstand und seinem Vorsitzenden das Vertrauen aus”, so Thomas Eichelmann, Vorsitzender des Gremiums, am Freitag.
Es wird sich in den nächsten Tagen zeigen müssen, ob diese drastische Kursreaktion im weniger liquiden Handel außerhalb von XETRA, wo sich weitgehend Privatanleger tummeln, „überleben wird”. In jedem Fall signalisiert die Kursreaktion, dass Wirecard mit den Nachrichten bei Anlegern erst einmal einen Nerv getroffen hat. Stabilisiert sich die Aktie nun, hilft dies Braun - eine ungemütliche Hauptversammlung wird dies nach all den Turbulenzen aber nicht verhindern. Braun selbst gibt sich - was soll er auch anders tun - kämpferisch: „Es wurden die richtigen Entscheidungen über die zukünftige Organisation getroffen, um Wirecard als Unternehmen auf die nächste Ebene zu bringen. Wir werden bis 2020 und darüber hinaus mit großer Stärke und Robustheit vorgehen”, twitterte der Wirecard-Chef gestern.
Wirecard leitet dringend nötige Strukturverbesserungen ein
Langfristig benötigt Wirecard mehr als die Personalien, die nun bekannt gegeben wurden. Etwas unter ging, dass der Konzern weiter verstärkt an seinen Strukturen arbeiten will - und muss, wie das KPMG-Audit auch dem letzten Zweifler klar gemacht haben dürfte. Die von KPMG geprüften Jahre rettet Wirecard damit zwar nicht und noch sind die Details der geplanten Maßnahmen weitgehend unkonkret, aber es wäre schon ein riesiger Schritt, wenn die nächsten Jahre sauberer vonstatten gehen.
„Neben diesen Anpassungen der Geschäftsverteilung wird der Vorstand auf Anregung des Aufsichtsrates die Verbesserung der operationalen Exzellenz der Wirecard AG vorantreiben”, umschrieb der DAX-Konzern am Freitag mit blumigen Worten das, was nun kommen muss. Man habe „ein Compliance Projekt mit neun Schwerpunkten aufgesetzt. Diese sind Governance Framework (Verwaltung), Risk Framework (Risikorahmen), Policies & Procedures Framework (Richtlinien & Verfahren), Business Partner Compliance Management, Reporting Framework (Berichtswesen), Controls Framework, Incidents/Investigation/Incentive/Improvement (Vorfälle), Training & Communication sowie Tools & Data”, so Wirecard. Zudem erwäge man, „auch in Märkten außerhalb Europas verstärkt eigene Lizenzen zu erwerben oder BIN-Sponsor-Beziehungen (Eigenlizenz-ähnlich) einzugehen” und damit die „Tretminen” im so heftig kritisierten Geschäft mit Drittlizenzgebern zu entschärfen.