Kooperation statt Disruption – Banken entdecken das Crowdfunding
Im März des vergangenen Jahres stellte ich an dieser Stelle die These auf, dass Immobilienfinanzierungen für Crowdinvesting als Eisbrecher taugen könnte. Nun, den Durchbruch für die neue Anlageform sahen wir auch 2016 noch nicht. Aber, ohne Immobilien würde in dem noch jungen Markt Eiszeit herrschen. Das belegen die just veröffentlichen Statistiken von crowdfunding.de. Demnach wurden im vergangenen Jahr Crowdinvesting-Kampagnen im Gesamtvolumen von 63,8 Millionen Euro erfolgreich abgeschlossen. Das entspricht immerhin einer Steigerung um 39 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Anstieg geht allein auf das Konto der Immobilienfinanzierungen, die das Volumen innerhalb eines Jahres fast verdoppelten und inzwischen knapp zwei Drittel des Marktes ausmachen. Die Unternehmensfinanzierungen traten hingegen auf der Stelle, bei Energie-Crowdinvestments war sogar ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen.
Mit Blick auf diese eher enttäuschenden Zahlen ist der Fakt, dass weiterhin neue Plattformen in den Markt drängen, durchaus überraschend. Der geneigte Beobachter stellt sich zwangsläufig die Frage, wie die etwa 30 in Deutschland existierenden Plattformen für renditeorientiertes Crowdinvesting es überhaupt schaffen, ihren Kopf über Wasser zu halten.
Da lässt eine Meldung von Anfang Februar aufhorchen: Mit der GLS Bank startet die erste deutsche Bank eine „eigene“ Crowdinvesting-Plattform. Bei genauerem Hinsehen stellt sich allerdings heraus, dass sie vor allem ihren Namen hergibt. Denn betrieben wird die Plattform von Crowddesk, einem Dienstleister, der Plattformbetreibern den technischen und administrativen Rahmen zur Realisierung ihres Marktauftritts liefert und auch eigene Plattformen betreibt – und der bei der „GLS Crowd“ das wirtschaftliche Risiko trägt. Dennoch kann es dem Markt momentan nur dienlich sein, wenn ein etabliertes Institut mit einer Bilanzsumme von immerhin 4,6 Mrd. Euro seine Reputation in die Wagschale wirft und ihre Kunden aktiv auf diese neue Anlage- und Finanzierungsform hinweist. Denn für den Durchbruch fehlt dem Markt noch immer Aufmerksamkeit und Vertrauen.
Das Engagement traditioneller Bank könnte dem Gesamtmarkt nutzen
Da hilft es auf der einen Seite, wenn Banken Crowdinvesting nicht verteufeln, sondern als komplementäres Produkt begreifen, welches sowohl für kapitalsuchende Unternehmen wie für renditehungrige Anleger Optionen aufzeigen, die sie im eigenen Haus aktuell nicht bedienen können. Ähnlich dürfte es die Commerzbank sehen, die Mitte letzten Jahres eine eigene Crowdlending-Plattform aus der Taufe gehoben hat. Diese zielt allerdings auf klassische Mittelständler als Kreditnehmer sowie institutionelle Investoren als Geldgeber, ist also weder für den Otto-Normal-Anleger noch für Start-ups zugänglich.
Allerdings sollten die Branchenpioniere nicht zu sehr auf die Banken setzen, sondern lieber selbst mehr für die Akzeptanz des Crowdinvestings tun. Dazu gehört eine aktivere Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit, die für Transparenz und Wissensverbreitung sorgt, somit Vertrauen aufbaut. Wenn die Wirtschaftsjournalisten vor allem dann zur Feder greifen, wenn entweder über Rekorde oder über Pleiten berichtet werden kann, ist das kaum geeignet, eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Sollten die Banken die Zügel in die Hand nehmen wollen – wovon sie sicher noch weit entfernt sind – liefe das der Idee des Crowdfundings als Mittel zur Demokratisierung von Anlegen und Finanzieren sicher zuwider.
Frank Schwarz
Über den Autor:
Frank Schwarz ist Kapitalmarkt- und Kommunikationsexperte, Finanz-Journalist und Netzwerker. 2003 gründete er die Agentur Schwarz Financial Communication. Als Investor-Relations-Berater unterstützt er Unternehmen bei der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten und hilft Crowdfunding-Plattformen beim Aufbau der Investorenbasis.