Commerzbank: Makrodaten sprechen für europäische Aktien
Neue volkswirtschaftliche Daten bewegen die Kapitalmärkte vor allem dann, wenn sie von den Erwartungen der Anleger abweichen. Die Makrozahlen im Euroraum haben in den letzten Wochen eher positiv überrascht haben. Vor allem die Peripherieländer, zuletzt aber auch Frankreich, überzeugten mit robusten Konjunkturdaten. Der Aktienmarkt hat diese Entwicklung lange Zeit nahezu ignoriert. Wir sehen auch nach der jüngsten Kurserholung noch Nachholbedarf und bleiben in Europa übergewichtet.
Zinsen und Anleihen
Vermeintlich schwache Daten aus China gaben den Rentenmärkten gestern Rückenwind. In diesem Umfeld stieg die Risikoaversion wieder deutlich an, gab am Nachmittag jedoch wieder nach. Weiterhin geht die Mehrheit davon aus, dass die Fed in diesem Jahr nicht mehr ihre Zinsen erhöht. Das hat gestern vor allem den EUR gestärkt, der kurzzeitig auf über 1,14 USD pro EUR aufwertete. In China gingen die Exporte im September zwar um 3,7% und die Importe gar um 20,4% ggü. Vorjahr zurück. Die Ausfuhren stiegen aber ggü. dem Vormonat August an und gingen ggü. Vorjahr weniger zurück als gedacht. Der starke Importrückgang ist außerdem hauptsächlich auf den starken Preisrückgang von Rohstoffen zurückzuführen, es lag weniger an der gesunkenen Nachfrage. Nächste Woche werden die BIP-Daten für das 3. Quartal in China gemeldet. Allgemein wird mit einem Wachstumsrückgang von 7,0% auf 6,8% J/J gerechnet. Die Konjunkturerwartungen für Deutschland gingen aufgrund des VW-Abgasskandals und der Wachstumsschwäche in den Schwellenländern spürbar zurück. So fiel der ZEW-Index (Umfrage unter deutschen Finanzexperten) im Oktober von 12,1 auf 1,9 Punkte stärker als erwartet. Dies ist der niedrigste Wert seit Oktober 2014. Auch die Beurteilung der aktuellen Lage ging von 67,5 auf 55,2 Punkte stärker als erwartet zurück. In Großbritannien rutschte die Inflationsrate im September überraschend in den negativen Bereich (-0,1% J/J nach 0,0% J/J). BoE-Präsident Carney hatte bisher gesagt, dass zum Jahreswechsel die Zeit gekommen sei, über eine Zinserhöhung nachzudenken. Das britische Pfund gab gestern deutlich nach.
Aktien
Nach einer zunächst gehaltenen Eröffnung rutschte der DAX sehr schnell deutlich ins Minus und konnte zwischenzeitlich auch die Marke von 10.000 nicht verteidigen. Zum Handels-ende stand ein Minus von 0,86% zu Buche. Neben den negativ aufgenommenen Konjunkturdaten aus Deutschland und China belasteten die Versorger RWE (-5,75%) und E.On (-4,7%) den Markt. Trotz des zu vor bestandenen Stresstestes rückten die dennoch zu erwartenden Kosten für den Atomausstieg wieder in den Fokus der Anleger. Einer der wenigen, dafür aber kräftigen, Gewinner waren die Anteil-scheine von SAP mit einem Plus von gut 5%. Das überraschend gute Ergebnis im Cloud-Geschäft sowie die klassischen Lizenz-Verkäufe katapultierten den Wert unangefochten an die Index-Spitze. Das Gesprächsthema Nummer eins war aber der drastische Kurseinbruch bei Leoni. Der Kabel- und Bordnetz-Spezialist gab für das dritte Quartal überraschend einen Gewinnrückgang bekannt und reduzierte gleichzeitig das Gewinnziel für das kommende Jahr. Von einem Desaster war zuweilen die Rede, als der Konzern über 33% seines Wertes einbüßte. Dieser Kursrutsch beeinflusste auch die übrige Zulieferbranche. So gaben Continental (-1,6%), Dürr (-5%) und Norma (-6,9%) zum Teil deutlich nach. Auch die übrigen europäischen Märkte litten unter Abgabedruck, obwohl der US-Leitindex zum Börsenschluss in Europa noch nahezu unverändert notierte. Am Ende musste auch der Dow Jones nach sieben freundlichen Tagen Terrain abgeben und schloss mit einem Minus von 0,3%. Der japanische Aktienmarkt musste in der vergangenen Handelssitzung mit einem Minus von 1,8% deutlich Federn lassen, was auch auf die Eröffnung heute in Deutschland drücken dürfte.