Commerzbank: Die US-Notenbank verschiebt die Zinswende
Die US-amerikanischen Währungshüter haben – wie von uns erwartet – die Leitzinswende auf ihrer gestrigen Sitzung noch einmal aufgeschoben. Die Kombination aus Wachstumssorgen in den Schwellenländern und einer fortgesetzten Dollar-Stärke (vor allem durch Abwertung vieler Rohstoff- und Emerging Markets-Währungen) schien der Fed für den „lift off“ dann doch zu viel zu sein. Zwar betonte Notenbankchefin Yellen, dass mögliche Negativfolgen nur vorübergehender Natur seien und deshalb am grundsätzlich positiven Bild der US-Wirtschaft nichts ändern. Doch insbesondere die zuletzt noch einmal gesunkenen Inflationserwartungen bereiten den Währungshütern Kopfschmerzen. Entsprechend hat sich die Fed den genauen Zeitpunkt einer Leitzinswende weiter offengehalten. Die Mehrzahl der stimmberechtigten Mitglieder erwartet die erste Zinserhöhung noch im-mer in diesem Jahr. Allerdings ist deren Front gebröckelt. Vier der 17 Entscheidungsträger sieht die Zinswende mittlerweile frühestens 2016. Für den Markt ist die gestrige Entscheidung ein zweischneidiges Schwert. Positiv zu werten ist sicherlich, dass die Fed die Sorgen der Marktteilnehmer ernst nimmt und die eigentlich schon beschlossene Leitzinswende aufschiebt. Allerdings fällt die Kommunikation deutlich vager aus als erwartet. Entsprechend bleibt die Unsicherheit in den kommenden Wochen hoch. Denn von einer Zinserhöhung bereits auf der kommenden Sitzung im Oktober über ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk im Dezember bis hin zu einer Verschiebung auf das erste Quartal 2016 ist nun wieder alles möglich. Entsprechend dürfte uns die kurzfristige Volatilität und Unsicherheit an den Aktienmärkten zunächst erhalten bleiben. Auch der US-Dollar sollte noch einmal ein paar durchwachsene Wochen vor sich haben, bis die Intentionen der Fed klarer werden. An unserem mittelfristigen Bild spürbar höherer Aktienkurse und eines wieder festeren US-Dollars ändert sich dadurch allerdings nichts.
Zinsen und Anleihen
Statt eine Zinserhöhung zu liefern, hielt die US-Notenbank gestern Abend angesichts globaler Konjunktursorgen und der andauernden Dollarstärke an ihrer Nullzinspolitik fest. Auch der Ausblick bleibt überraschend vage: Eine Zinserhöhung im Oktober ist theoretisch möglich, wahrscheinlicher ist dieser Schritt aber im Dezember. Nicht alle Mitglieder des geldpolitischen Rats erwarten jedoch noch in diesem Jahr die Zins-wende (siehe auch „Im Blickpunkt“). Die Märkte reagierten auf die Entscheidung fast schon enttäuscht. Kursanstiege beschränkten sich auf die Rentenmärkte. Der Ölpreis gab heute Morgen sogar leicht nach und der US-Dollar verbilligte sich zum Euro nur um einen Cent. Trotz umfangreicher Emissionen im Euroraum bewegten sich die Renditen an den Rentenmärkten gestern vor der Entscheidung kaum. Nach der Sitzung fielen die Renditen 10-jähriger Bundesanleihen von 0,78% auf 0,70% und die der US-Treasuries mit gleicher Laufzeit von 2,28% auf 2,18%. Trotz des Augenmerks auf die globale Konjunktur bleibt der Arbeitsmarkt die wichtigste Orientierungsmarke für die US-Notenbank. Die gestern gemeldeten Erstanträge auf Arbeitslosengeld bestätigten mit nur 264.000 Anträgen das robuste Bild der letzten Wochen. Damit dürfte die Arbeitslosenquote weiter sinken. Auch der Immobilienmarkt befindet sich weiter im Aufschwung. Zwar kam nach dem sprunghaften Anstieg der Baugenehmigungen im Frühsommer im Juli eine fast eben so kräftige Gegenbewegung. Wichtig ist aber, dass der Aufwärtstrend weiter intakt ist. So stiegen die Genehmigungen im August um 3,5% und die Baubeginne liegen weiter auf einem Trendpfad, der nächstes Jahr zu 1,3 Mio. neuen Wohneinheiten führen dürfte.
Aktien
Die europäischen Aktienmärkte tendierten gestern uneinheitlich. Kräftige Kursgewinne verzeichnete nur der Aktienmarkt in Spanien; der IBEX gewann 1,3%. Die meisten anderen Märkte pendelten bei relativ dünnen Umsätzen zumeist impulslos um die Nulllinie herum. Vor der Sitzung der US-Notenbank, bei der entschieden wird, ob der Leitzins angehoben wird oder nicht, wollten die meisten Investoren offen-bar keine größeren Risiken mehr eingehen. Es gibt nicht wenige Anleger, die sich eine Erhöhung des US-Leitzinses wünschen, schon allein deshalb, weil das leidige Thema dann erst einmal „vom Tisch ist“ und die Märkte sich wieder stärker den Fundamentaldaten zuwenden können. In dem von Vorsicht geprägten Umfeld tendierte der Dax nahezu unverändert. Im Fokus der Börsianer standen erneut die Versorgeraktien, die dieses Mal jedoch mit satten Kursgewinnen glänzen konnten. Während der Kurs von Eon um 8% zulegte, kletterte die Notierung von RWE sogar um 9%. In der zweiten Reihe büßte die Aktie von Kuka nach einer Votenherabstufung rd. 3,2% ein. Auf europäischer Sektorebene haussierten insbesondere Versorgerwerte, die im Schnitt um 0,6% zulegten. Am Ende der Performanceskala rangierten Rohstofftitel mit durchschnittlichen Verlusten von 1,6%. Die Börsen in den USA tendierten etwas leichter. Der Dow Jones-Index verlor nach der Entscheidung der US-Notenbank, den Leitzins unverändert zu belassen, 0,4%. Bei einigen Anlegern könnten nun verstärkte Sorgen in Bezug auf den Zustand der Weltwirtschaft aufkommen. Auf Sektorebene lagen wie in Europa Versorgeraktien (+1,3%) an der Spitze. Finanzaktien büßten nach der Fed-Sitzung im Schnitt 1,3% ein. Die Börsen in Asien tendierten uneinheitlich. Der Nikkei 225-Index gab um 2% nach. Unter Druck standen auch hier v.a. Finanzwerte. Der KOSPI-Index (Südkorea) legte um fast 1% zu.