Commerzbank: China macht keine großen Sprünge mehr
Die Wachstumsschwäche in China beschäftigt Analysten überall auf der Welt, so auch die am Wochenende veröffentlichten Daten. Sie zeigten ein gemischtes Bild: Die Einzelhandelsumsätze stiegen etwas stärker als von den Analysten erwartet – um 10,8% ggü. dem Vorjahr, während die Industrieproduktion sich nicht wie erwartet beschleunigte, sondern nur mit einer Rate von nur leicht über 6% wächst. Der durchschnittliche Zuwachs in den letzten zehn Jahren lag dagegen bei über 12%. China hat in den letzten Jahrzehnten seine Chancen konsequent genutzt: Das Land konnte Produkte und Produktionsprozesse aus erfolgreichen Regionen kopieren. Während es in den entwickelten Ländern entscheidend ist, dass Investitionen dorthin gelenkt werden, wo sie am meisten Rendite bringen, sind die Freiräume in Ländern wie China – mit einer geringen Kapitalausstattung je Beschäftigten – deutlich höher. Ob man in Immobilien, öffentliche Infrastruktur oder in Produktionsgüter investiert – überall winken höhere reale Renditen als in den Industrieländern. Die Investitionen treiben die Produktivität und die Einkommen. Zudem hat China durch die Unterbewertung seiner Währung konsequent Exportmärkte erobert. Schon zu einer Zeit als westliche „Entwicklungspolitik“ armen Ländern empfahl, Importe durch die Produktion eigener Güter zu ersetzen. Doch die Zeit erfolgreicher Sprünge nach vorn dürfte für China vorbei sein. Die Aufgaben sind vielfältig. Die Bedeutung der Exporte und Investitionen für die Gesamtnachfrage muss sich zu Gunsten des privaten Konsums verschieben. Die Lebensqualität in den Städten muss sich verbessern. Der Dienstleistungssektor muss an Bedeutung gewinnen. Die Innovationskraft verbessert werden. Diesen Umstrukturierungsprozess durch staatliche Eingriffe zu verlangsamen, ist dagegen nicht der richtige Weg. Zumal im Westen intransparente Eingriffe eher Misstrauen wecken als Beifall finden.
Zinsen und Anleihen
Gestern gab es von der Makroseite nur wenig Impulse. Aus den USA wurden überhaupt keine Daten gemeldet. Umso mehr stürzten sich die Marktteilnehmer auf die chinesischen Daten vom Wochenende (siehe dazu im Blickpunkt). Diese fielen gemischt aus. So blieb die Industrieproduktion hinter den Erwartungen zurück, dagegen überraschte der Einzelhandel positiv. Die Marktteilnehmer rechnen mit einer weiteren Wachstumsabschwächung in China. Deshalb wird an den Märkten kaum noch mit einer Zinserhöhung am Donnerstag gerechnet. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Fed die Zinsen jetzt erhöht, sehen die Marktteilnehmer nur bei 30%, Mitte August lag sie noch bei 50%. In diesem Umfeld tendierten die Staatsanleihen gestern freundlich und der Ölpreis ging weiter zurück. Im Euroraum stieg die Industrieproduktion im Juni stärker als erwartet (0,6% M/M bzw. +1,9% J/J) an. Man rechnete nur mit einem Anstieg von 0,3% M/M; es war der höchste seit Februar. Die Daten hatten allerdings kaum Auswirkungen auf die Märkte. Seit der letzten EZB-Ratssitzung wird darauf gesetzt, dass die EZB ihr Anleihekaufprogramm nochmals ausweitet. Die Inflationsraten sind zuletzt wieder gesunken und drohen aufgrund des Ölpreisrückgangs wieder negativ zu werden. EZB-Chef Mario Draghi ist sich darüber bewusst, dass die Disinflation zum größten Teil auf den Rohstoffpreisrückgang zurückzuführen ist. In der letzten Sitzung betonte er deshalb, dass die EZB die Gesamtinflationsrate als Ziel habe und nicht die Kernrate. Er sieht für die Inflationsprognose in seinem Hause deutliche Abwärtsrisiken.
Aktien
Nachdem erneut enttäuschende Konjunkturdaten aus China den Handel an den asiatischen Börsen belastet hatten, konnten auch die europäischen Aktienmärkte nur zur Eröffnung von den positiven Vorgaben aus New York (Freitag) profitieren. Die Indizes pendelten den ganzen Börsentag über zwischen Gewinnen und Verlusten, allerdings war die Handels-spanne im Vorfeld der anstehenden Zinsentscheidung in den USA sehr gering. Im Dax 30 legten die Aktien von Infineon (+2%) nach einem positiven Bericht eines Anlegermagazins die beste Entwicklung vor, dagegen lagen erneut die Titel von RWE (-2,2%) am Ende der Kursliste. Der Wettbewerber E.ON (+0,3%) konnte sich dank diverser Kaufempfehlungen von dieser Entwicklung abheben. Auch im EUROSTOXX 50 stand mit Nokia (+2%) ein Titel aus dem IT-Segment nach einer Analystenempfehlung ganz oben auf der Kursliste. Dement-sprechend war im Leitindex des Euroraums auch der IT-Sektor die einzige Branche, die Gewinne aufweisen konnte. Dagegen standen vor allem Grundstoffe (-2%) unter Druck. An der Wall Street war die Stimmung ebenfalls sehr verhalten. Zumindest sorgten zwei Milliardenübernahmen in den Segmenten Gesundheitswesen und IT für Gesprächsstoff. Als einzige Branche konnte der Versorgersektor (+0,3%) leicht zulegen, während besonders Grundstoffe (-1,3%) und Energie (-0,8%) schwächer tendierten. An der Spitze des Dow Jones Industrial behaupteten sich die Aktien von Apple (+1%), nachdem der Konzern mitgeteilt hatte, dass man mit Vorbestellungen für das neue iPhone auf Rekordkurs liegen würde. An den asiatischen Börsen setzen die Sorgen vor einer weiteren Wirtschaftsabschwächung die chinesischen Festlandbörsen weiter unter Druck. Dagegen kann sich der Nikkei 225 etwas von seinen Vortagsverlusten erholen.