Commerzbank: Japan ist (k)ein Vorbild für Europa
Die einstige Vorbildökonomie Japan kommt aus der Stagnation nicht heraus. In den letzten zwei Jahrzehnten konnte das Land seine Produktion nur um etwas mehr als 10% steigern. Das aufstrebende China brauchte dafür nicht einmal zwei Jahre. Es ist sinnvoll, einen Blick auf Japans Fehler zu werfen, um eine ähnliche Entwicklung in Europa zu vermeiden:
I) Die Bank von Japan hat zu zögerlich auf die Immobilienkrise Mitte der Neunzigerjahre reagiert. Erst sehr spät begann man mit Hilfe der „quantitativen Lockerungspolitik“ Liquidität ins Finanzsystem zu pumpen, um die Deflation zu bekämpfen.
II) Die Arbeitslosigkeit war laut den offiziellen Zahlen nie deutlich höher als 5%. Doch Arbeitsmarktrigiditäten verdecken das tatsächliche Ausmaß. Firmen stellen ihre Mitarbeiter auf Lebenszeit ein. Diese Tradition erschwert nötige strukturelle Reformen.
III) Interessengruppen taten ein Übriges: Beispielsweise wurde der Agrarsektor vor Konkurrenz aus dem Ausland geschützt.
IV) Auch der Arbeitsmarkt wurde vor Einwanderern abgeschottet. Der Anteil der Ausländer liegt heute nur bei 2%.
V) Gut ausgebildete Frauen wurden vom Arbeitsmarkt praktisch ausgeschlossen sobald sie Kinder bekamen. Dadurch fiel die Geburtenrate auf aktuell 1,3 Kinder je Frau. Die Folge ist, dass die Zahl der Erwerbstätigen jedes Jahr um gut 0,5% sinkt.
VI) Staatliche Ausgaben- bzw. Investitionsprogramme entfachten nur kurzfristige Strohfeuer.
Vor diesem Hintergrund war der gestern gemeldete Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts im ersten Quartal um 0,6% zum Vorquartal erfreulich. Allerdings kamen einige Einmaleffekte – wie ein unerwarteter Lageraufbau und der Energiepreisrückgang – zum Tragen. Gegenüber dem Vorjahr war die Produktion um 1,4% niedriger. Zu hoffen ist, dass die Desinvestitionen der Haushalte und Unternehmen zu Ende gehen. Dann könnte der BIP-Zuwachs 2015 letztlich 0,5% erreichen.
Zinsen und Anleihen
An den Rentenmärkten gab es gestern wenig Bewegung. Vom Dauerthema Griechenland gab es keine neuen Erkenntnisse und von der Makroseite keine gewichtigen Daten; das Protokoll der Fed-Sitzung von Ende April hatte lediglich im fortgeschrittenen US-Handel noch etwas Einfluss. Immerhin erhärtete sich die Einschätzung, dass angesichts der im ersten Quartal sehr mäßigen Konjunkturentwicklung eine Straffung im Juni wohl für die Fed kein Thema mehr ist. Weitere Orientierung erhofft sich der Markt von einer Rede der Fed-Chefin zum Thema „Ausblick der US-Wirtschaft“ am Freitag. Heute steht eine Reihe schwergewichtiger Makrodaten im Kalender, die dazu angetan ist, mehr Bewegung in die Märkte zu bringen. Am prominentesten sind die Einkaufmanagerindizes. Hier ist damit zu rechnen, dass der Aufwärtstrend bei den PMI-Indizes für das Verarbeitende Gewerbe im Euroraum ins Stocken kommt, während sich ihr US-Pendant leicht erholen dürfte. Daneben werden die regionalen Fed-Umfragen sowie die Frühindikatoren weiteren Aufschluss über die Dynamik der US-Wirtschaft nach dem schwachen ersten Quartal geben. Bestätigt sich das Erholungsszenario, wird der US-Bondmarkt seine für unser Verständnis zu gelassene Haltung gegenüber der Geldpolitik allmählich korrigieren. Derzeit preist der Geldmarkt eine Leitzinsanhebung der Fed erst für das Auftaktquartal 2016 ein, wir rechnen damit spätestens im Schlussquartal dieses Jahres.
Aktien
Für die meisten europäischen Aktienmärkte ging es auch gestern weiter nach oben. Dabei taten sich die Indizes allerdings schwer, an die starken Vortagsgewinne anzuknüpfen und bewegten sich lange im Minusbereich. Viele Anleger warteten auf das erst am Abend zur Veröffentlichung anstehende Protokoll der US-Notenbank von ihrer April-Sitzung. Hatten in den vergangenen Wochen auch die Kursbewegungen beim Euro einen deutlichen Einfluss auf die Kurse, so kamen vom leicht nachgebenden Euro gestern keine nennenswerten Impulse. Genauso wie am Rentenmarkt (Portugal mit einer negativen Rendite bei einer 6-Monats-Neuemission) zeigte sich auch der Aktienmarkt von der weiterhin festgefahrenen „Griechenlandthematik“ unbeeindruckt. Auf Branchenseite (Stoxx) führten die Telecoms (+1,6%) die Gewinner an. Ausschlaggebend waren einmal mehr Übernahmespekulationen. So ließ die Aussage, des Chairmans des Kabelnetzbetreibers Liberty Global John Malone, dass Vodafone (+5,4%) gut zum Konzern passen würde, den Kurs der Briten deutlich anziehen. Auf Platz 2 der Performancerangliste standen die Banken. Darunter waren allerdings keine deutschen Titel, sondern u.a. UBS (+3,2%) und Barclays (+3,4%), die von der Einigung mit der US-Justizbehörde hinsichtlich der Währungs- und Libor-Manipulationen profitieren konnten. In den USA sorgte das im Vorfeld mit Spannung erwartete Pro-tokoll der Fed nach der Veröffentlichung nur kurz für einen positiven Impuls. Insgesamt bot es keine größeren Überraschungen. Mehr Bewegung gab es durch Übernahmeaktivitäten und Quartalszahlen aus dem Retailsektor (u.a. Lowe’s -4,6% und Staples -1,6%). In Asien geht es heute Morgen ebenfalls aufwärts. Dem japanischen Markt hilft der schwächere Yen und in China unterstützt der etwas besser ausgefallene HSBC/Markit Einkaufsmanagerindex.