Commerzbank: Die EZB rückt immer weiter an Staatsanleihekäufe heran
Die EZB hat bei ihrer gestrigen Ratssitzung keine neuen Entscheidungen getroffen. Doch ist sie weiter an eine quantitative Lockerung (QE) herangerückt, wie das die jüngsten Erläuterungen des EZB-Chefs bei einer Rede vor 14 Tagen auch hatten erwarten lassen. So hieß es in der Eingangsstellungnahme zur Pressekonferenz, man werde Anfang kommenden Jahres über weitere Maßnahmen entscheiden. Mit Blick auf die von prominenter Seite - nicht nur von den deutschen Ratsmitgliedern - geäußerten Bedenken zu den unerwünschten Nebenwirkungen (Verzerrungen an den Finanzmärkten, Nähe zur Staatsfinanzierung) war zu vernehmen: Eine solche Entscheidung müsse nicht einstimmig sein; man habe außerdem heute schon über konkrete Ausgestaltungsvarianten von QE gesprochen. Zudem fasste die EZB das Ziel der Bilanzausdehnung der EZB etwas konkreter: Hatte es bislang geheißen, man „erwarte“, dass sich die Bilanz ihrem Höchststand von Anfang 2012 wieder annähere, so fand sich jetzt die Formulierung, man „beabsichtige“ dies. Gleichzeitig klang durch, dass die EZB nicht davon ausgeht, diese Zielsetzung mit dem bisher angewandten Instrumentarium zu erreichen. Die weithin erwartete Abwärtskorrektur der Konjunktur-, vor allem aber der Inflationsprojektion (sie liegt jetzt nur noch bei 0,7% für das kommende Jahr) bestärkt die EZB in ihrer Haltung, gegebenenfalls noch expansiver zu werden: „Wachsamkeit“ sei gefordert, denn der gesunkene Ölpreis könne die Inflationserwartungen weiter unter das Inflationsziel der EZB drücken und aus der Verankerung lösen. Unter der Ägide von Draghis Vorgänger Trichet war „Wachsamkeit“ ein Schlüsselwort zur Einstimmung auf nahende geldpolitische Veränderungen. Wenigstens insofern scheint die EZB Kontinuität wahren zu wollen.
Zinsen und Anleihen
EZB-Chef Mario Draghi hat gestern die Marktteilnehmer enttäuscht. Die EZB werde im kommenden Quartal die Stimuli prüfen, viele Marktteilnehmer hatten damit gerechnet, dass die EZB schon jetzt weitere Maßnahmen ankündigt. Der EZB-Rat hat aber noch keine Entscheidung zu einer quantitativen Lockerung getroffen (siehe dazu im Blickpunkt). Die Renditen der Staatsanleihen stiegen während der Pressekonferenz der EZB kurzzeitig um bis zu 3 Basispunkte an, die Renditen der Staatsanleihen aus der EWU-Peripherie teilweise noch mehr. Größere Enttäuschungen blieben bei Staatsanleihen aus, da die EZB ihre Inflations- und Wachstumsprognosen stärker als erwartet gesenkt hat. Die Prognose für das reale BIP für nächstes Jahr senkte die EZB von 1,6% auf 1,0%. Der EUR stärkte sich um anderthalb Cent auf gut 1,2450 USD, nach-dem er am Vormittag noch kurz unter die Marke von 1,23 USD gesunken war. Vor der EZB-Ratssitzung wurden größere Volumina von Staatsanleihen erfolgreich emittiert. So hat Spanien drei Anleihen im Volumen von 3,5 Mrd. EUR und Frankreich ein Volumen von 3 Mrd. EUR begeben. Damit haben beide Länder die geplante Höhe der Kapitalbeschaffung für dieses Jahr erreicht. US-Treasuries tendierten gestern freundlich. Die Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung sanken wieder unter 300.000, aber weniger als erwartet. Es bleibt spannend, wie viele neu geschaffene Stellen außerhalb der Landwirtschaft heute in den USA für November gemeldet werden. Der Consensus geht zwar von 230.000 neuen Jobs aus, der Wintereinbruch könnte die Zahl aber gedrückt haben.
Aktien
An den europäischen Aktienmärkten sah es zunächst nach einer Fortsetzung des Aufwärtstrends aus. Der Dax erreichte mit 10.084 Punkten sogar ein neues Allzeithoch. Mit der Pressekonferenz der EZB wurde es allerdings hektischer und am Ende notierten die Indizes deutlich tiefer. Der gestrige Tag zeigt das derzeitige Dilemma am Aktienmarkt. Die Marktteilnehmer konzentrieren sich angesichts der unverändert wackeligen Konjunktur im Euroraum auf die Geldpolitik. Und hier sind die Erwartungen inzwischen recht hoch. So wurde die Rede von Mario Draghi mit Enttäuschung aufgenommen, obwohl er klar machte, dass Quantitative Easing Anfang 2015 kommen wird. Manch Investor hatte wohl mehr erwartet. Am stärksten erwischte es die Märkte in Italien und Spanien und hier insbesondere die Finanzwerte (-2,2%).Der Sektor gehörte zu den stärksten Verlierern auf Branchenebene. So ging es für Titel wie Banco Santander (-3,2%), Unicredit (-4,1%) oder auch die Dt. Bank (-2,4%) deutlich abwärts. Noch stärker ging es allerdings für Energie- und Grundstoffwerte (-2,9%, bzw. 24%) nach unten. Als einziger Sektor notierte „Reise&Freizeit“ im Plus. Hier waren es die Airlines, die den Sektor ins Plus brachten. Neben dem wieder fallenden Ölpreis sorgten auch gute Zahlen von Ryanair (+8,4%) für Kauflaune. An den US-Märkten ging es gestern ebenfalls recht volatil zu. Von der Makroseite gab es keine Impulse, so dass auch hier die EZB das Hauptthema war. Nach einem schwachen Beginn erholten sich die Kurse nach Meldungen, dass die EZB ein breit angelegtes QE-Programm im Januar verkünden werde. In Asien steht heute Morgen der der Shanghai Comp. im Fokus. Nach +2,7% zum Beginn rutschte er um 3% ins Minus, um sich dann wieder zu erholen. Das spekulative Element ist derzeit stark ausgeprägt, so dass sich bereits die Regulierungsbehörde besorgt zeigt.