Weberbank: Aktien - USA als Favorit, Japan als taktische Chance
Man kann fast den Eindruck gewinnen, dass sich nicht nur die technische Entwicklung in den letzten Jahren weiter beschleunigt hat, sondern auch die Abfolge bedeutender Ereignisse in der Wirtschaftsgeschichte: Erst im April 2013 berichteten wir an dieser Stelle von einem der größten volkswirtschaftlichen Experimente. Damals hatte die japanische Notenbank angekündigt, die umlaufende Geldmenge innerhalb von zwei Jahren verdoppeln zu wollen. Damit sollte die Inflationsrate endlich nachhaltig in den positiven Bereich bis auf 2 Prozent gehoben werden. Zusätzlich sollte die Abwertung des Yen die heimische Exportwirtschaft ankurbeln. Die Maßnahmen der Notenbank hätten mit weitreichenden Reformen im Land einhergehen sollen, die der damals neugewählte Premier Shinzo Abe angekündigt hatte. Heute muss man leider feststellen, dass die dringend benötigten Reformen – mit Ausnahme einer Mehrwertsteuererhöhung – ausgeblieben sind. Das Wirtschaftswachstum konnte nur zwischenzeitlich gesteigert werden, während die Wachstumsprognosen für 2014 zuletzt schon wieder halbiert werden mussten. Ein zwischenzeitlicher Inflationsanstieg gerät – bereinigt um die Mehrwertsteuererhöhung – aktuell wieder ins Stocken. Immerhin konnten die japanischen Unternehmen vom schwächeren Yen profitieren. Und obwohl noch nicht einmal die Zweijahresfrist der Notenbank abgelaufen ist, hat sie sich nun dazu entschlossen, ihren historisch beispiellosen Pfad noch weiter zu beschleunigen. Zukünftig sollen japanische Staatsanleihen im Gegenwert von jährlich 80 Billionen Yen (ca. 700 Mrd. USD) aufgekauft werden. Zusätzlich will sie auch Aktien und Immobilienaktien (JREITS) im Umfang von 3 Billionen Yen erwerben. Darüber hinaus kündigte der staatliche Pensionsfonds an, zukünftig 50 Prozent seiner Mittel in Aktien investieren zu wollen (bisher 25 Prozent). Das Rad wird also immer schneller gedreht, und ein rechter Ausweg scheint nicht in Sicht.
Auch von der europäischen Zentralbank erwarten die Marktteilnehmer weitere expansive Schritte, denn die europäische Inflationsrate geht immer noch zurück. Auch wurden zuletzt einige Wirtschaftsindikatoren speziell in Deutschland mit verschlechterten Werten veröffentlicht. Der ifo-Index fiel beispielsweise zum sechsten Mal in Folge. Auch die europäische Industrieproduktion zeigte eine deutliche Verschlechterung. Schaut man aber genauer auf diese Zahl, so erkennt man, dass sie sehr stark durch die deutsche Industrieproduktion nach unten verzerrt wurde. Und diese wiederum ist höchstwahrscheinlich ihrerseits durch die späten Ferien in Deutschland nach unten verzerrt. Insofern erwarten auch wir weitere Maßnahmen der EZB, gehen aber weiterhin von einer Konjunkturerholung aus. Konträr zu Europa und Japan hat die US-Notenbank (Fed) ihre expansiven Anleihenkaufprogramme nun vollständig eingestellt und wird mit großer Wahrscheinlichkeit im Jahr 2015 sogar ihren Leitzins anheben. Denn in den USA läuft die Wirtschaft gut, und die Inflationsrate befindet sich auf einem deutlich komfortableren Niveau als in Europa. So wuchs die US Volkswirtschaft zuletzt mit 3,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal, und das Verbrauchervertrauen steigt deutlich über seinen historischen Durchschnitt, was nicht zuletzt an den stark gefallenen Benzinpreisen im Land liegt. Dank der in Europa umstrittenen Gas- und Ölfördertechnik Fracking konnten die Amerikaner ihre Ölproduktion seit 2009 nahezu verdoppeln und stellen plötzlich fest, dass Benzin billiger ist als Milch.
Renten: EZB verzerrt Risikoaufschläge
Aus diesen Entwicklungen resultiert für uns als Investor, aktienseitig unsere Engagements noch deutlicher als bisher in die USA zu verlagern. Denn neben den genannten positiven Volkswirtschaftsdaten entwickeln sich auch die dortigen Unternehmensgewinne sehr erfreulich. Zusätzlich spricht einiges dafür, dass der US-Dollar zinsseitig unterstützt weiter aufwertet. Die erneuten Stimuli in Japan sollten unserer Ansicht nach den dortigen Aktienmarkt treiben. Deshalb halten wir ein taktisches Aktieninvestment hier für aussichtsreich.
Für europäische Renteninvestoren bedeuten das aktuelle Umfeld und eine weiter expansive EZB allerdings auch, dass die Renditen auf sehr niedrigem Niveau verharren werden. Auch schrumpfen Risikoaufschläge zwischen nahezu risikolosen und risikoreicheren Papieren immer weiter zusammen. Die Risikoaufschläge von europäischen und deutschen Pfandbriefen unterscheiden sich beispielsweise kaum noch – trotz sichererer Ausgestaltung der deutschen – da die EZB seit Oktober direkt durch Käufe in diesen Markt eingreift. Eine faire Risikobetrachtung findet man deshalb nur noch in Segmenten, in denen die EZB noch nicht aktiv ist. Investoren sollten sich deshalb beispielsweise für Beimischungen das Wandelanleihen- oder High Yield-Segment genauer ansehen.