Commerzbank – Schottland: Unabhängigkeit nach 307 Jahren?
1707 beschlossen das englische und das schottische Parlament den Zusammenschluss beider Königreiche zum Königreich Großbritannien. Im Zuge der Union übernahm England unter anderem die Staatsschulden der Schotten. Die Finanzierung des Staatshaushaltes steht auch aktuell wieder im Mittelpunkt der Unabhängigkeitsbestrebungen Schottlands; die Abstimmung ist am 18. September. Insbesondere die Steuereinnahmen aus der Ölförderung stehen zur Debatte. Schottland geht davon aus, dass bei einer Unabhängigkeit diese komplett in den eigenen Staatshaushalt fließen. Dies würde einen beträchtlichen Teil der schottischen Staatseinnahmen ausmachen, die vom Ölpreis und von der Fülle der Lagerstätten abhängig wären. Damit könnte Schottland wohl den eigenen Staatshaushalt finanzieren. Auf der Ausgabenseite versprechen die Befürworter der Unabhängigkeit allerdings teure Unterfangen (verbesserte Kinderbetreuung, Absenken der Fluggastgebühren, Reduzierung der Körperschaftssteuer). Auch wenn sich diese Kosten nicht genau beziffern lassen, sollten sie doch für die Zukunft Probleme in der Staatsfinanzierung verursachen. Zudem muss Schottland einen Teil der Schulden des bisherigen gemeinsamen Haushaltes übernehmen, je nach Berechnungsvariante wären es 49% bis 75% des BIP. Auch die künftige Währung ist unklar. Das Pfund zu behalten ginge nur informell – London schließt eine formelle Währungsunion aus. Dies würde aber eine aus London gesteuerte Währung bedeuten. Einfluss auf die Geldpolitik wäre dann nicht möglich – eine denkbar schlechte Variante. Für die Steuerung einer eigenen Währung ist aber eine eigene Zentralbank nötig, die wiederum eine angemessen Ausstattung mit Geldreserven benötigt um den geldpolitischen Spielraum zu gewährleisten – keine günstig und schnell umzusetzende Lösung. Ein Eurobeitritt würde wohl am Widerstand einzelner Euroländer scheitern.
Zinsen und Anleihen
Die Staatsanleihen kamen gestern unter Druck. Konjunkturdaten standen keine wichtigen auf der Tagesordnung, wohl wuchs aber die Nervosität der Marktteilnehmer über eine früher als bisher erwartete geldpolitische Straffung der US- amerikanischen Notenbank (Fed). Bisher erwarteten die Marktteilnehmer die erste Zinserhöhung erst im 3. Quartal 2015. Auslöser für die Spekulationen war der Vermögensverwalter BlackRock, der jetzt mit einer früheren Zinsanhebung als vom Marktdurchschnitt erwartet rechnet. In Europa machte indes die Ungewissheit bezüglich des An-leihekaufprogramms der EZB die Runde. So wurde bekannt, dass der deutsche Finanzminister Schäuble und sein französischer Kollege Sapin den ABS-Markt in Europa wiederbeleben. Dies zeigt, dass das Volumen des ABS-Marktes im Euroraum immer noch sehr gering ist. Die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen stieg um bis zu 7 Bp. auf 1,01%. Damit wurde die Marke von 1,00% erstmals seit mehr als 2 Wochen wieder überschritten. Die Rendite 1- und 2-jähriger Bundesanleihen ging dagegen unter dem Einfluss der EZB-Lockerungsfantasie weiter zurück. Noch stärker als bei mittel- und längerfristigen Bundesanleihen stieg die Rendite der Staatsanleihen der Euro-Peripherie. Am stärksten kamen dabei spanische Anleihen unter Druck. Dort stieg die Rendite 10-jähriger Staatsanleihen in der Spitze um 17 Bp. Man sorgt sich wegen der Umfrageerfolge der schottischen Separatisten, dass auch die Katalanen bei ihrer Abstimmung am 9. November für die Unabhängigkeit stimmen könnten. Der Euro schwächte sich gestern wegen der Spekulationen auf eine frühere Zinsanhebung in den USA weiter ab. Das britische Pfund litt weiter unter der möglichen Abspaltung Schottlands von Großbritannien.
Aktien
Nach der Aufholjagd der vergangenen Wochen scheint der Mut die Börsianer langsam zu verlassen. Die europäischen Börsen verzeichneten am gestrigen Handelstag Verluste in Höhe von bis zu 1,4% (Spanien). Der positive Effekt, den die europäische Zentralbank vor einigen Tagen mit der überraschenden Leitzinssatzsenkung erzielte, dürfte nun ausreichend in den Kursen eingepreist sein. In einem recht nachrichtenarmen Handel fehlten beflügelnde Kaufimpulse. Bestimmt wurde das Marktgeschehen vielmehr von Analysteneinschätzungen in Bezug auf einzelne Unternehmen. So verlor die Aktie der Deutschen Lufthansa rd. 1,5%, nachdem ein Broker seine Ertragsprognosen für das laufende Geschäftsjahr der größten deutschen Fluggesellschaft nach unten revidiert hatte. Die Notierung von Münchener Rück büßte nach einer Votenherabstufung um 1,5% ein. Nach einer Gewinnwarnung von L´Oréal (-1,3%) geriet auch die Aktie von Beiersdorf (-1,9%) in Mitleidenschaft. Tagesgewinner im Dax (-0,5%) war die Aktie von Lanxess (+1,3%). Auf europäischer Sektorebene waren insbesondere Titel aus dem Sektor Pharma gefragt (+0,6%). Die kräftigsten Kursverluste verbuchten dagegen gestern Bankwerte, die im Durchschnitt um 0,9% nachgaben. Die Börsen in den USA tendierten schwächer. Der Dow Jones-Index verlor 0,6%. Die Aktie von Apple konnte nach der Präsentation von neuen Produkten die zwischenzeitlichen Gewinne von fast 5% nicht halten und verlor am Ende 0,4%. Die Notierung von McDonald´s büßte nach Vorlage von enttäuschenden Umsatzzahlen 1,5% ein. Auf Sektorebene (S&P 500) lagen alle Bereiche im Minus. Am Performanceende rangierten die defensiven Sektoren Telekom und Versorger (-1,2%). Die Börsen in Asien tendierten ebenfalls überwiegend mit Kursabschlägen. Eine Ausnahme bildete der Nikkei 225, der um 0,3% stieg.