Weberbank – Aktien: USA und Schwellenländer favorisiert
Das Auseinanderdriften der europäischen und der amerikanischen Konjunktur hält in den letzten zwei Wochen an. Während das deutsche Bruttoinlandsprodukt im Vergleich zum Vorquartal um 0,2% zurückgeht und die Eurozone nur eine schwarze Null erreicht, verzeichnen die USA einen Anstieg ihrer Wirtschaftsleistung von 1,0% gegenüber dem Vorquartal. Einhergehend weisen die USA eine im Allgemeinen als gesund angesehene Inflationsrate von 2% aus, die Eurozone eine beängstigend nahe an der Grenze zur Deflation liegende Preissteigerung von nur 0,3%.
Insbesondere letzteres Problem scheint Mario Draghi stärker umzutreiben: Denn wider Erwarten änderte er kurz vor seiner Rede beim Notenbanker-Treffen in Jackson Hole handschriftlich den zuvor ausgeteilten Redetext. Normalerweise rezitiert er sehr diszipliniert die an die Presse herausgegebene Erklärung. Nur einmal im Juli 2012 war er von dieser Vorgehensweise abgewichen und hatte mit der Aussage, die EZB werde alles tun, um den Euro zu retten, nebst Zusatz „…und glauben Sie mir, es wird reichen“ mehr oder weniger im Alleingang die Debatte um die Staatsschuldenkrise beendet. Sein erneutes Abweichen vom Konzept deutete also bereits an, was gestern folgte. Nochmal senkte die EZB ihren Leitzins auf nur noch 0,05%. Zusätzlich setzte sie den Einlagezins für von den Banken bei ihr geparkte Liquidität auf -0,2% fest. De facto müssen Banken nun also Geld dafür bezahlen, dass sie ihr Geld bei der EZB anlegen. Daneben startet das bereits erwartete T-LTRO-Programm, welches, vereinfacht gesagt, Banken für zusätzliche Kreditvergaben mit einer günstigen Refinanzierung belohnt. Und für Oktober kündigte die EZB weitere expansive Programme mit so klangvollen Namen wie ABSPP oder CBPP III an. Während Draghi also vehement gegen eine lahmende Wirtschaft nebst Deflationstendenz kämpft, fragen wir uns bei Janet Yellen, der Chefin der US-Notenbank, ob sie nicht etwas zu lange auf dem Gaspedal stehen bleibt. Zwar wird sie nicht müde, einzelne Kennzahlen, wie den hohen Anteil von Teilzeitstellen oder verhältnismäßig schwaches Lohnwachstum, hervorzuheben, die sich ihres Erachtens noch verbessern müssten, bevor sie die Leitzinsschraube anzieht. Objektiv steht die US-Wirtschaft aber schon jetzt sehr gut da. Neben den oben angesprochenen BIP-Zahlen und der Inflation im Zielkorridor, zeugen Konsumentenstimmung, Unternehmensstimmung, Immobilienmarktentwicklung, Entschuldungsentwicklung der Haushalte, Industrieproduktion, Kapazitätsauslastung und Auftragseingänge von einer soliden Wirtschaftsentwicklung. Ob eine Notenbank vor diesem Hintergrund noch so lange expansiv agieren muss, wie es die FED trotz Rückführung ihrer Anleihenkaufprogramme tut, darf also hinterfragt werden. Viele Analysten ziehen deshalb ihre Schätzungen für den Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung in den USA auf aktuell das zweite Quartal 2015 vor.
Renten: Unterstützt vom Draghi-Kurs
Die Rentenmärkte zeigen sich von den Aussagen Draghis erneut befeuert. Nachdem wir in der letzten „Anlagestrategie“ das Unterschreiten der 1%-Marke der Rendite 10-jähriger deutscher Bundesanleihen verkünden konnten, wurden nun bereits 0,9% unterschritten. Draghis Maßnahmen drücken die Renditen immer tiefer. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass auch die Kurse der US-Anleihen zuletzt im Einklang mit den Bundesanleihen trotz besserer Konjunktur und Leitzinserhöhungsfantasie anstiegen. Ebenfalls gut behaupten sich die Kurse der Renten-Satellitensegmente. Sowohl Schwellenländeranleihen als auch Hochzinsanleihen konnten sich trotz schwelender Ukrainekrise zuletzt gut entwickeln. Wir bleiben investiert und lassen Gewinne vorerst weiterlaufen.
Nach den recht starken Korrekturbewegungen an den Aktienmärkten konnten sich die Kurse zuletzt wieder erholen. Im Einklang mit der Wirtschaftsentwicklung und der Entfernung zum Krisenherd „Ukraine“ behaupten sich die US-Aktien seit Jahresanfang deutlich besser als ihre europäischen Pendants, weshalb wir die Märkte in Übersee aktuell favorisieren. Auch die Aktien der Schwellenländer konnten nun wieder verstärkt Investorengelder anziehen. Ähnlich den Industrienationen fallen aber auch die Schwellenländer wirtschaftlich deutlich auseinander. Während sich Brasilien mit geringem Wachstum bei gleichzeitig sehr hoher Inflation in einem Stagflationszustand befindet und Russland nicht zuletzt durch die beschlossenen Sanktionen des Westens in die Rezession abgleitet, konnte Indien nach dem dortigen Regierungswechsel positiv überraschen. China überrascht zwar nicht positiv, erreicht aber die selbstgesteckten Wachstumsziele, weshalb wir unser Engagement in Schwellenländeraktien zuletzt selektiv aufstockten.