Weberbank: Wirtschaftssanktionen sind zu verkraften
Das Bruttoinlandsprodukt ist in den USA im zweiten Quartal gewachsen, und das um überraschend starke vier Prozent annualisiert. Somit zeigt sich die US-Wirtschaft versöhnlich, nachdem im Vorquartal ein Minus von 2,1 Prozent berichtet wurde. Ein solch dynamischer Anstieg war auch für die meisten Marktbeobachter überraschend. Erfreulich ist zudem, dass die Konjunkturerholung auf breiter Front erfolgt: So konnten zum Beispiel der private Konsum und die Anlageinvestitionen sehr positiv zum Wachstum beitragen. Gleiches gilt auch für die im Vorquartal noch schwachen Lagerinvestitionen und Exporte. Die US-Wirtschaft sollte wieder auf den Erholungspfad zurückgefunden haben. Im Dschungel der Frühindikatoren gefällt uns der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe besonders, da er die Entwicklung im Industriesektor in der Regel gut prognostiziert. Dieser sogenannte ISM-Index zeigt mit 57,1 Zählern ein so expansives Niveau an, wie wir es seit über drei Jahren nicht gesehen haben. Gute Voraussetzungen für die US-Industrie. Inmitten der Wirtschaftserholung beschreitet die US-Notenbank Fed weiterhin den Weg der Normalisierung und reduziert die monatlichen Anleihenkäufe um weitere 10 Milliarden Dollar. Voraussichtlich im vierten Quartal werden die Käufe eingestellt sein, Spekulationen über die erste Leitzinsanhebung könnten dann zunehmen. Eine Zinserhöhung ist unseres Erachtens erst im zweiten Quartal 2015 zu erwarten.
In Europa bereitet die politische Lage in der Ukraine Sorgen. Sanktionen der EU und der USA gegen Russland rufen Reaktionen aus dem Kreml hervor, und es sollte keinen überraschen, wenn sich der Konflikt weiter hochschaukelt. Die Meinungen gehen naturgemäß auseinander, wem Sanktionen und Gegensanktionen mehr schaden. Die Lage ist folgende: Die russische Wirtschaft liegt schon jetzt am Boden, und die Bevölkerung leidet unter einer hohen Inflation. Was den Handel mit Lebensmitteln angeht, ist die russische Wirtschaft von Importen abhängig. Importbeschränkungen, wie sie nun für Produkte aus Polen und den USA beschlossen wurden, führen in Russland zu Verknappung und weiteren Preisanstiegen. Die Exportverbote Europas für Rüstungsgüter und Spezialgeräte zur Ölförderung schaden zwar auch heimischen Exporteuren, allerdings nur punktuell. Einige Unternehmen, die ihre Produkte in Russland verkaufen, berichten auch von einem ungünstigeren Geschäftsklima und sinkenden Umsätzen. Gesamtwirtschaftlich sollten die Auswirkungen für die EU und die USA aber zu verkraften sein. Dieses Bild kann sich für Europa natürlich ändern, sollte der Kreml Ernst mit seinen Drohgebärden machen, die Energiepreise zu erhöhen oder gar die Gas- und Ölzufuhren zu unterbrechen. Dies ist Russlands größte Waffe in einem Handelskrieg, würde dem Land aber ebenso selbst schaden.
Der Rentenmarkt bleibt in diesem Umfeld bärenstark. Nicht nur die niedrigen Inflationserwartungen, sondern auch die lockere Geldpolitik der EZB sowie die Unsicherheiten über die Auswirkungen der gegenseitigen Wirtschaftssanktionen unterstützen Anleihen nahezu jeder Couleur. Der Bund-Future erklimmt fast regelmäßig neue Höchststände, während die Rendite von Bundesanleihen so niedrig ist wie noch nie. Wir bleiben investiert, stehen im längeren Laufzeitenbereich aber zum Ausstieg bereit.
Aktien: USA bevorzugen – Renten: Investiert bleiben
Die Aktienbörsen in Europa konsolidieren derzeit. Der DAX als besonders zyklischer Index verlor von der Spitze fast zehn Prozent innerhalb eines Monats. Und die Schuldigen sind schnell ausgemacht: Es herrscht Einigkeit, dass geopolitische Risiken, vor allem die Krise in der Ukraine, die Auslöser sind. Erstaunlich nur, dass der DAX inmitten des Konflikts in der Krim und Ostukraine neue Höchststände erreichte. Mit dem mutmaßlichen Flugzeugabschuss und den folgenden schärferen Sanktionen gegen Russland wurde aber eine neue Eskalationsstufe erreicht. Auch Börsen mögen nun mal keine Unsicherheit, und so purzeln derzeit die Kurse. Die US-Börsen, weit weg vom Geschehen in Europa, zeigen sich deutlich stabiler. Ein altbekanntes Muster? Wird es in Europa ungemütlich, investieren die US-Anleger üblicherweise doch lieber im eigenen Land. Europäische Aktien werden verkauft, amerikanische Titel gekauft.
Dieser Kapitalstrom über den Atlantik führt dann auch zu einer höheren Nachfrage nach US-Dollar. Die Wirtschaftserholung und die restriktivere Geldpolitik in den USA sowie eine lockere EZB-Politik in Europa sind weitere knallharte Argumente für einen stärkeren US-Dollar gegenüber dem Euro.