Commerzbank: Deutsche Industrie tritt nach gutem Jahresstart auf der Stelle
Die deutsche Industrie ist dank des milden Winters gut ins Jahr gestartet. Doch nach einem sehr schwachen zweiten Quartal steigen die Risiken, dass auch im dritten Quartal das Wachstum kraftlos bleibt: Sowohl die Auftragseingänge wie auch die Produktion waren im Juni schwach. Die gestörten Wirtschaftsbeziehungen zu Russland mögen einen Einfluss gehabt haben. Allerdings war auch die Saisonbereinigung schwierig, denn im Juni lagen auch fünf Wochenenden, zwei Brückentage und eine Fußball-WM. Klar ist, dass die Konjunktur in Deutschland kein Selbstläufer ist und derzeit schlecht als Zugmaschine für den Euroraum dient. Doch die Juni-Daten würden wir nicht überbewerten.
Zinsen und Anleihen
Die Verschärfung der Ukraine-Krise führte gestern zu einem deutlichen Anstieg der Risikoaversion der Investoren. Profitiert haben davon wieder erstklassige Staatsanleihen. Die historisch tiefe Rendite 10-jähriger Bundesanleihen erreichte ein neues Allzeittief bei unter 1,10%; die Rendite 10-jähriger US-Treasuries fiel unter 2,45%. Staatsanleihen der EWU-Peripherie kamen dagegen unter Verkaufsdruck und verzeichneten einen Renditeanstieg. Der EUR gab in der Breite weiter nach; bei geopolitischer Unsicherheit wird meist der USD als sicherer Hafen gesucht. Der EUR unterschritt zwischenzeitlich die Marke von 1,3340 USD. Die Unsicherheit wurde gestern verstärkt von negativen Makrozahlen aus dem Euroraum. So gingen die Auftragseingänge in der deutschen Industrie im Juni unerwartet stark um 3,2% M/M zurück. (siehe dazu auch Im Blickpunkt). Italien ist wider Erwarten in die Rezession abgerutscht. So ging das reale BIP im 2. Quartal um 0,2% Q/Q zurück; seit Juni 2011 ist die Wirtschaftstätigkeit kontinuierlich in allen Quartalen, außer im Schlussquartal 2013, geschrumpft. Gebremst hat der starke EUR; entscheidend für die anhaltend schwache Wirtschaft in Italien sind aber Strukturprobleme wie der starre Arbeitsmarkt, zu schnell steigende Löhne mit dem einhergehende Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit sowie hohe Steuern und ineffiziente Verwaltung. Vom neuen Premierminister Renzi wurden Reformen bisher nur halbherzig angegangen. Deshalb dürfte das Wachstum auch weiterhin schwach bleiben. Italiens Wirtschaft dürfte in diesem Jahr bestenfalls um 0,2% ggü. 2013 wachsen. Heute steht die EZB-Ratssitzung im Mittelpunkt.
Aktien
Die europäischen Börsen tendierten gestern schwächer. Die Leitindizes büßten um bis zu 2,7% (Italien) ein. Verantwortlich für die fortgesetzte Schwäche zeichnet eine Reihe von Grün-den. Neben enttäuschenden Konjunkturdaten aus Italien (BIP-Daten, Gefahr einer Rezession) und Deutschland (Auftragseingänge) sorgen vor allem der Konflikt im Osten der Ukraine (Spekulationen über eine mögliche Invasion russischer Truppen) sowie die Furcht vor einer baldigen Zinswende in den USA für Verkäufe. Der Dax büßte in diesem von Unsicherheit geprägten Umfeld rd. 0,7% ein. Besonders unter Druck stand die Aktie der Deutschen Telekom (-2,8%), nach-dem Sprint (-19%) seine Übernahmepläne für T-Mobile US fallen gelassen hat. Dagegen kletterte der Kurs von Lanxess nach robusten Zahlen um 2,6%. In der zweiten Reihe setzte Bilfinger (-2,7%) den Abwärtstrend fort. Auf europäischer Sektorebene standen insbesondere die Branchen Finanzdienstleistungen (-1,6%) und Pharma (-1,5%) unter Druck. Rohstofftitel kletterten als Tagessieger im Schnitt um 0,3%. Die Börsen in den USA tendierten trotz einiger guter Quartalsberichte (u.a. Disney: -0,2%) nahezu unverändert. Die vielen negativen Faktoren ließen keine breite Erholung zu. Auf Sektorebene wiesen Verbrauchsgüter mit durchschnittlichen Kursgewinnen von 0,9% die größten Zuwächse auf. Am wenigsten gefragt waren die Branchen Versorger und Telekom (jeweils -1,3%). Die Börsen in Asien tendierten mit Ausnahme des Nikkei 225 (+0,5) überwiegend mit leichten Verlusten.