IG: Was ist der Schlüssel zu einem erfolgreichen Börsengang?
Facebook, Zynga und Seaworld: Wie können Anleger erkennen, ob ein Floating zum Top oder Flop wird?
2014 ist das Jahr der IPOs. Die fortschreitende Genesung der Weltwirtschaft hat in den letzten zwei Jahren eine Flut von Börsengängen mit sich gebracht, welche mit dem lang erwarteten und nun kurz bevorstehenden Floating des chinesischen Internetriesen Alibaba ihren vorläufigen Höhepunkt erreichen wird.
Allein im ersten Quartal haben 68 Unternehmen erstmals europäisches Börsenparkett betreten, die höchste Zahl seit 2007: Ein Zeichen, dass der 2013 verzeichnete Anstieg der Zahl der Börsengänge kein Einzelfall war. Royal Mail, Twitter und TSB sind nur einige der großen Namen, die seit einigen Monaten öffentlich handelbar sind, und für Investoren, die noch nicht an „IPO-Müdigkeit“ leiden, gibt es immer noch reichlich Gelegenheiten zum Zuschlagen.
Doch trotz einer generell soliden Performance der weltweiten Aktienmärkte blieb bei vielen heiß erwarteten Floatings der letzten Zeit der große Erfolg aus. Nun stellt sich die Frage: Was haben erfolgreiche Börsengänge gemeinsam, was können wir von Flops lernen und wie lassen sich diese Erkenntnisse auf bevorstehende IPOs anwenden?
ING US (Voya Financial)
Der niederländische Finanzdienstleister ING schnupperte mit der US-Sparte seines Geschäfts – inzwischen unter dem Namen Voya Financial bekannt – im letzten Jahr zum ersten Mal NASDAQ-Luft. Der Kurs der Aktie blieb zunächst leicht hinter den Erwartungen zurück, und schloss am ersten Handelstag bei 20,67 USD: zwar oberhalb des Ausgabepreises von 19,50 USD, aber deutlich unterhalb der angepeilten 21 bis 24 USD.
Die Enttäuschung der neuen Aktionäre verwandelte sich jedoch rasch in Freude, als der Kurs bald darauf eine Kehrtwende machte und seither auf 37,01 USD (zu Handelsschluss am 23. Juli 2014) gestiegen ist – ein Jahresgewinn von über 33%. Dieser Kursanstieg erfolgte vor allem in den ersten sechs Monaten nach dem Floating; am 6. November letzten Jahres hatte das Papier einen Preis von 33,60 USD erreicht.
Ein Faktor, der möglicherweise für die anfänglichen Schwankungen verantwortlich sein könnte, war das Rebranding des Unternehmens zu Voya Financial, das zusammen mit dem Börsengang angekündigt und nun umgesetzt worden war. Möglich ist auch, dass das Floating des Versicherers Voya Financial inmitten gehypter Social-Media-IPOs wie Facebook und Linkedin ein wenig im Trubel unterging. Saga Group, ein weiterer Versicherungsanbieter aus Großbritannien, blieb anfangs ebenfalls deutlich hinter den Erwartungen zurück. Offensichtlich ist jedoch, dass ein profitables Geschäft mit einer sicheren Zukunft einen wackligen Börsenstart im Normalfall rasch überwindet.
Facebook Inc
Ein weiteres Unternehmen mit einem Aktienkurs, dessen Weg zu seinem aktuellen Hoch nicht ganz ohne Umwege verlief, ist das Mutterschiff aller sozialen Netzwerke, Facebook Inc. Trotz technischer Startschwierigkeiten schaffte es das Papier am ersten Handelstag zwar, mit 38,20 USD bei zwei Cent oberhalb des Ausgabepreises zu schließen, stürzte in den folgenden Tagen jedoch bis auf 20 USD ab. Seit diesem Tief im August gab es für Facebook-Aktionäre jedoch hauptsächlich positive Nachrichten und der Kurs erreichte im März mit 69,80 USD seinen vorläufigen Höhepunkt.
Die gewichtigste Frage, der Facebook sich stellen musste – nämlich ob und wann es in der Lage sein würde, hohe Nutzerzahlen in Werbeeinnahmen zu verwandeln – war berechtigt, doch Mark Zuckerberg hat es schlussendlich geschafft, sie zur Zufriedenheit der Anleger zu beantworten. Im ersten Quartal verzeichnete Facebook Einnahmen von rund 2,27 Milliarden USD – mehr als 82% mehr als im ersten Jahresviertel 2013 – und belohnte damit Anleger, die den Glauben an die Führung und das Geschäftsmodell des sozialen Netzwerks nicht verloren hatten.
SeaWorld
SeaWorld Entertainment betrat am 18. April das Börsenparkett, als das Private Equity Unternehmen Blackstone Firmenanteile verkaufte, die es vier Jahre zuvor von Anheuser-Busch übernommen hatte. Die Titel fanden guten Absatz und erzielten einen Ausgabepreis von 27 USD, bevor sie bis zum Ende des ersten Handelstages in luftige Höhen um 33 USD kletterten.
Nichts sprach gegen das Papier, das von allen namhaften Analysten mit „kaufen“ bewertet war, und Anleger rieben sich die Hände, als der Kurs zum Ende des ersten Handelsmonats auf 38,88 USD kletterte , 40% über dem Ausgabepreis. Doch niemand hatte damit rechnen können, welche Folgen die Premiere eines einzelnen Dokumentarfilms haben würde.
Bereits mehrfach war SeaWorld in die Schusslinie von Tierschützern geraten, die den Meerestierparkbetreiber für die nicht artgerechte Haltung und brutale Trainingsmethoden anprangerten, und als der Dokumentarfilm „Blackfish“ dies nach seiner erfolgreichen Premiere beim Sundance Filmfestival im Januar 2013 einem Millionenpublikum vorführte, drehte der Kurs ins Negative. Im September notierte das Papier abermals unter 30 USD, und abgesehen von einer kurzen Rally Anfang 2014 schaffte er es nicht, aus dieser Range auszubrechen. Am Mittwoch zu Handelsschluss war die Aktie 28,01 USD wert, ein Verlust von 2,3% für das laufende Jahr und 7% weniger als zum Ausgabetermin.
Für ein Unternehmen, dessen Erfolg so stark vom guten Willen der Verbraucher abhängt, ist negative Publicity immer ein herber Schlag, der sich schwer voraussagen, kontrollieren und überwinden lässt. Das verheerende Ausmaß von „Blackfish“ hätten jedoch nur wenige vohersehen können.
Zynga
Verglichen mit dem Hype um den bevorstehenden Alibaba-Börsengang lässt sich leicht vergessen, dass auch um das Floating des Social Gaming Unternehmens Zynga ein gewisser Presserummel herrschte, der zu überhitzten Erwartungen und Bewertungen von über 28 USD geführt hatte. Letztendlich floatete Zynga zu einem realistischeren Preis von 10 USD, und gab gleich am ersten Handelstag auf 9,50 USD nach. Grund für den holprigen Start war möglicherweise der Kontext zweier weiterer, überteuerter Tech IPOs (LinkedIn und Groupon), die kurz zuvor auf dem Börsenparkett ins Rutschen gekommen waren. Im Nachhinein schaffte es die Social Gaming Plattform zwar, mit soliden Gewinnen ein Kurshoch von 15 USD zu erreichen, befindet sich jedoch seitdem in einem andauernden Abstiegstrend. Insbesondere die zunehmende Verlagerung auf Smartphones und Mobile Web bereitet dem Unternehmen Schwierigkeiten, und viele Analysten sind der Meinung, dass Zynga den Anschluss verpasst hat. Der Kurs notiert derzeit bei 3,04 USD und zeichnet damit einen Verlust von über 15% für das laufende Jahr.
Wie bei SeaWorld auch erscheinen Zyngas Probleme im Nachhinein offensichtlich, waren jedoch zum Zeitpunkt des Floatings deutlich schwerer zu erkennen. Beide Unternehmen erfüllten alle Profitabilitätskriterien, und die Ursache für ihr Scheitern lag im Abwenden der Öffentlichkeit, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.
Schlechte Publicity im Vorhinein zu erkennen ist nahezu unmöglich. Einfacher ist es, wenn a priori Probleme mit dem Geschäftsmodell bestehen, und ein Unternehmen nicht über langfristiges, fundamentales Wachstumspotenzial verfügt. Die wichtigste Lektion, die Anleger aus diesen IPOs lernen können, ist, jedes Unternehmen individuell und im Kontext seiner Branche zu beurteilen. Weder konnte Zynga sein erfolgreiches Ertragsmodell mit Erfolg an der Börse gleichsetzen, noch ließ Facebook sich von der Tatsache abhalten, dass es zum Zeitpunkt seines Floatings noch keines hatte. Das vermeintliche Scheitern einiger kürzlicher IPOs sollte Sie als Anleger nicht davon abhalten, zukünftige Floatings mit frischem Blick zu betrachten und einzusteigen, wenn Sie auf den langfristigen Erfolg des Unternehmens vertrauen.