Commerzbank: Die EZB lockert mit einem umfangreichen Paket die Geldpolitik weiter
Selten hatte die EZB den Markt so lange auf eine Entscheidung vorbereitet. Und in der Tat: Sie wartete mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket auf. Die wesentlichen Punkte sind: 1. Senkung des Reposatz um 10 Basispunkte auf jetzt 0,15%; den Einlagensatz senkte sie im selben Ausmaß: Mit -0,10% ist er damit erstmals in der EZB-Historie negativ. Diese Maßnahmen sollen die Geldpolitik unmittelbar weiter lockern – auch über die außenwirtschaftliche Flanke, also einen schwächeren Euro. Dem dienen auch ihre „zukunftsgerichteten Hinweise“: So rechnet die EZB damit, dass die Leitzinsen angesichts des aktuell sehr moderaten Preisauftriebs für einen ausgedehnten Zeitraum auf dem ultratiefen Niveau bleiben werden. Zudem bietet sie die 3-Monatsrefinanzierungsgeschäfte mit Vollzuteilung und zum Festsatz jetzt bis Ende 2016 an. Zusätzlich setzte sie die Sterilisierungstender zur Abschöpfung der im Zuge ihres Wertpapiermarktprogramms (SMP) entstandenen Liquidität aus. 2. Um den geldpolitischen Transmissionsmechanismus zu stärken, der derzeit die Wirksamkeit der Geldpolitik behindert, wartete die EZB mit neuen, zweckbezogenen langfristigen, reichlich 4-jährigen Refinanzierungsgeschäften auf. Diese sind mit Sonderkonditionen für die Banken ausgestattet, die ihre Kreditvergabe an den Privatsektor steigern; Wohnungsbaukredite sind aber davon ausgenommen. Damit will die EZB zielgenau dort die Kreditvergabe fördern, wo derzeit die größten Hemmnisse bestehen und der höchste gesamtwirtschaftliche Nutzen zu erwarten ist. 3. Zudem hielt sie Phantasie auf weitere Maßnahmen aufrecht. Um den monetären Transmissionsprozess weiter zu verbessern, sei man dabei, ein Kaufprogramm für verbriefte Schuldverschreibungen (ABS) vorzubereiten. Und das Fazit? Die Leitzinsen haben ihren Tiefpunkt erreicht. Als nächster Schritt steht wohl ein ABS-Kaufprogramm an. Eine großangelegte quantitative Lockerung im Stile der Fed ist aber nicht zu erwarten.
Zinsen und Anleihen
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat gestern mit einer Vielzahl von Maßnahmen den Expansionsgrad ihrer Geldpolitik erhöht (vgl. „Im Blickpunkt“). Die resultierenden Kursausschläge an den Finanzmärkten zeigen, dass es selbst den Experten schwerfällt, die Folgen zu bewerten. Zwei Dinge sind besonders bemerkenswert: I) Die EZB versucht die Kreditvergabe an Unternehmen künftig direkter zu beeinflussen, indem sie die Liquiditätsversorgung zum Teil abhängig macht von dem Kreditportfolio der Banken. II) Sie behält sich weitere Maßnahmen vor. Insbesondere bereitet sie den Kauf von mit Unternehmenskrediten besicherten Wertpapieren (ABS) vor. Draghi schränkte aber ein, dass ein solches Kaufprogramm nur aufgelegt wird, wenn es zur Stützung der Konjunktur und des Preisniveaus benötigt wird. Vor der Notenbankentscheidung wurden gestern auch einige Konjunkturdaten veröffentlicht. Die deutschen Industrieunternehmen verzeichneten im Mai einen Zuwachs der Bestellungen von 3,1% gegenüber dem Vormonat. Der Rückgang im April wurde damit mehr als kompensiert. Die Lage der Osterfeiertage dürfte einen Einfluss gehabt haben. Die Auftragslage ist – laut den amtlichen Zahlen – zwar nicht schlecht, die Dynamik hat aber gegenüber dem letzten Herbst deutlich abgenommen. Kräftig erholt habe sich im April auch die Exporte (+3% M/M), während die Produktionszahlen heute Morgen leicht enttäuschten (+0,2% M/M). Die Belebung des US-Arbeitsmarktes setzt sich fort – dies dürfte heute der amtliche Bericht zeigen. Ein Stellenzuwachs wie im April (288.000) ist aber unwahrscheinlich. Die jüngsten Erstanträge auf Arbeitslosengeld sprechen eher für einen Zuwachs von leicht über 200.000 Stellen.
Aktien
Der Dax hat die 10.000er-Marke erreicht. „Endlich!“ möchte man rufen. Und dies verbunden mit der Hoffnung, dass sich der Fokus von Presse, Presseabteilungen von Banken und Börsenkommentatoren nun wieder auf fundamentalere Dinge richten kann, als auf schöne runde Zahlen, die letztendlich keine Aussagekraft haben. Nun denn. Die Zinsentscheidung der EZB war auch am Aktienmarkt das Thema des Tages und sie sorgte zumindest kurzfristig für spürbare Ausschläge in den Indizes. Erst rauf, dann runter, dann über die 10.000er-Marke und dann doch wieder runter von den Tageshochs. Ein solides Tagesplus blieb dennoch übrig, denn die EZB hält die Hoffnungen auf weitere Lockerungsmaßnahmen aufrecht. Das bietet Unterstützung. Auf Branchenseite waren zyklische Sektoren am stärksten gefragt (Autos +1,5%, Bau +1,4%), während defensive Sektoren eher unter-durchschnittlich abschnitten. Ausnahme waren die Telekoms. Hier beflügelte die Hoffnung auf den Verkauf der US-Tochter den Kurs der Dt. Telekom (+0,6%). Im Dax profitierte die Commerzbank (+3,2%) wieder einmal von Übernahmegerüchten, während auf der anderen Seite die Dt. Bank (-3,8%) unter den Konditionen der laufenden Kapitalerhöhung litt. In den USA ging es nach anfänglichem Hin und Her doch nach oben. Neben den Maßnahmen der EZB wurden auch die Arbeitsmarktdaten positiv aufgenommen. Gute Nachrichten u.a. von Caterpillar (+2,5%) sorgten dafür, dass Industriewerte (+1,1%) die Branchenperformance anführten. Telekoms (unv.) litten unter der kolportierten Übernahme von T-Mobile (-2,3%) durch Sprint (-4%). An den asiatischen Märkten kommt heute keine rechte Kauflaune auf. Während chinesische Aktien nachgeben, setzt der indische Markt seine Rally in Erwartung von Reformen von Staatschef Modi weiter fort und verzeichnet ein neues Allzeithoch.