Commerzbank: Das erwartete Lockerungspaket der EZB gewinnt Kontur
Was Jackson Hole für die Fed ist, ist Sintra jetzt für die EZB. Sie will in der altehrwürdigen, pittoresken portugiesischen Kleinstadt einmal im Jahr mit internationalen Notenbankern und Universitätslehrern aktuelle Fragen der Geldpolitik zu diskutieren. Den Auftakt machte EZB-Chef Mario Draghi mit einer Rede zum Thema „Geldpolitik in einer längeren Phase niedriger Inflation“. Er nutzte die Gelegenheit, um den Markt auf ein Lockerungspaket der EZB am 5. Juni einzustimmen. „Weshalb ist die Inflation so niedrig?“ war eine seiner Leitfragen. Zu 80% sei der Rückgang der Inflationsrate seit Ende 2011 auf sinkende Rohstoffspreise zurückzuführen. Doch habe es noch weitere Einflüsse gegeben: Den gestiegenen Wechselkurs des EUR und den relativen Preisanpassungsprozess in manchen Mitgliedsländern. Gegenwärtig rechne die EZB zwar mit einer längeren Phase niedriger Inflation, aber auch einer allmählichen Rückkehr zum Zielwert von 2%. Doch müsse man sich der Risiken bewusst sein: Insbesondere gelte es darauf zu achten, dass keine Abwärtsspirale aus niedriger Inflation, sinkenden Preiserwartungen und rückläufiger Kreditvergabe in den Krisenländern entstehe. Dies nicht zuletzt deshalb, weil der Leitzins schon nahe Null sei. „Wie soll die Antwort der EZB aussehen?“ fragte er weiter. Auf die unwillkommene Festigung des EUR will die EZB mit konventionellen Mitteln reagieren. Damit dürfte wohl eine weitere Senkung des Leitzinses einschließlich eines negativen Einlagensatzes für Überschussguthaben der Banken bei der EZB gemeint sein. Sollte aber die Inflationsentwicklung zu lange zu niedrig und schwächer als im EZB-Basisszenario angenommen bleiben, seien breitangelegte Anleihekäufe das Mittel der Wahl. Doch klang durch: Soweit ist es noch nicht. Mehr als nur angedeutet hat Mario Draghi aber, dass die EZB bei der kommenden Ratssitzung ein Programm vorstellen wird, das vor allem die Kreditgewährung an kleine und mittlere Unternehmen fördert.
Zinsen und Anleihen
Die Rentenmärkte bekamen gestern Rückenwind von der EZB. In einer Rede auf einem neu eingerichtetem Forum für Notenbanken im portugiesischen Sintra mahnte gestern EZB-Chef Mario Draghi zur Wachsamkeit ggü. einer Abwärtsspirale aus niedriger Inflation, sinkenden Inflationserwartungen und rückläufigen Kreditvergabe insbesondere in Krisenlän-dern (siehe dazu auch im Blickpunkt). Die EZB sei zum Handeln bereit. Aus den USA und Großbritannien gab es wegen eines Feiertags gestern keine Impulse. Größere Kursgewinne erzielten zum Wochenauftakt Staatsanleihen der EWU-Peripherie. Kamen in der vergangenen Woche noch Befürchtungen einer Aufweichung der Sparzeile nach der Europawahl auf, zeigten sich die Markteilnehmer gestern nach den vorläufigen Wahlergebnissen erleichtert. Die Wahlergebnisse haben kaum überrascht. Rechtsorientierte Parteien und populistische Parteien kamen auf 18%. Somit hat fast jeder fünfte Wähler eine EU-kritische Partei gewählt. An der Politik im Europaparlament ändert das nichts. In Frankreich und Belgien könnte allerdings Druck auf die Innenpolitik aufkommen. In Belgien hat die separatistische Neu Flämische Allianz größere Gewinne erzielt und in Frankreich wurde der rechtsextreme Front Nationale mit 25% stärkste Kraft. Deshalb waren das auch die zwei Länder, deren Spreads sich ggü. Bundesanleihen leicht ausweiteten. Alle anderen erzielten deutlich Spreadrückgänge: Mit am stärksten in Italien (-18 Bp. bei 10-jährigen), wo Ministerpräsident Renzi gut 40% der Stimmen gewonnen und jetzt die Möglichkeit hat, Italien zu reformieren. Der Euro legte gestern ggü. dem USD leicht zu.
Aktien
Die europäischen Aktienmärkte tendierten zum Wochenstart freundlich. Allerdings waren die Umsätze wegen der Feiertage in den USA und in Großbritannien recht dünn. Für Rückenwind an den meisten Börsen sorgte vor allem die Erleichterung über den Ausgang der Wahlen in Europa und in der Ukraine. Über zwei Drittel der Stimmberechtigten EU-Bürger wählten etablierte Parteien. In der Ukraine erklärte sich der Schokoladenfabrikant Poroschenko zum Wahlsieger. Die russische Börse legte um weitere 0,7% zu. Die italienische Börse honorierte den Wahlausgang mit einem Plus von 3,6%. Die Kursverluste seit Anfang Mai sind damit größtenteils wettgemacht. In Frankreich war die Stimmung dagegen nach dem starken Abschneiden des Front National deutlich gedämpfter. Der französische Leitindex legte aber zum Schluss immerhin um 0,8% zu. Zur Kauflust trug auch die feste Wallstreet bei. Am Freitag schloss der S&P 500-Index zum ersten Mal über der Marke von 1.900 Punkten. In Deutschland profitierten die Aktienkurse zusätzlich von guten Konjunkturdaten. Die Konsumentenstimmung stabilisiert sich auf einem hohen Niveau. Der Dax (+1,3%) erzielte ein neues Rekordhoch von 9.893 Punkten. Die Marke von 10.000 rückt damit in greifbare Nähe. Tagesgewinner im deutschen Leitindex war die Aktie der Commerzbank (+3%). Auf europäischer Sektorebene erzielte der Bereich Automobile den größten Tagesgewinn (+1,7%). Auch Banktitel (+1,1%) waren gefragt. Rohstoffaktien notierten dagegen als Tagesverlierer nahezu unverändert. Die Börsen in Asien tendierten uneinheitlich. In Tokio gewann der Nikkei 225 rd. 0,4%. Interesse fanden vor allem Finanzwerte. In Indien kam es im frühen Handel zu Gewinnmitnahmen. Der Leitindex Sensex hatte gestern auf Schlusskursbasis ein neues Rekordhoch erzielt. Der Markt wartet nun auf konkrete Reformen der neuen Regierung.