Commerzbank: Schwacher Preisauftrieb liefert geldpolitischen Tauben starke Argumente
Die Europäische Zentralbank (EZB) erwartet, dass die Phase rückläufiger Inflationsraten ihrem Ende entgegen geht. Wenn diese Erwartung sich erfüllt, wird sie wahrscheinlich auch nicht den Expansionsgrad ihrer Geldpolitik erhöhen. Angesichts der enormen Unterbeschäftigung könnte die Preisentwicklung aber auch hinter den Erwartungen zurückbleiben. Dann wären zusätzliche Maßnahmen der EZB wahrscheinlich.
Gestern meldeten die statistischen Landesämter Preisdaten für ihre Bundesländer. Das Statistische Bundesamt fasste wie üblich die Daten zusammen. Heraus kam ein Anstieg der Inflationsrate von 1,0% auf 1,3%. Die im Vorfeld befragten Volkswirte hatten dagegen im Durchschnitt mit einem Anstieg der Rate auf 1,4% gerechnet. Zudem lässt sich der Anstieg auch rein statistisch erklären: Um Ostern herum steigen die Preise für Urlaubsreisen. Ostern wird immer am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond gefeiert – also zwischen dem 22. März und dem 25. April. Liegt Ostern im März, dann springt der Termin im Folgejahr gewöhnlich auf die zweite Aprilhälfte, im übernächsten Jahr wandert er in die erste Aprilhälfte und dann wieder in den März. Durch die Lage von Ostern war 2013 ein Urlaub im März teuer – 2014 lag die teure Urlaubszeit im April. Dieser Effekt hat dieses Jahr die Inflation im März gedrückt und sie im April wieder steigen lassen. Das weiß auch die EZB. Für sie ist ohnehin die Preisentwicklung im Euroraum insgesamt maßgeblich – hierfür wird heute die erste amtliche Schätzung veröffentlicht. Erwartet wird ein Anstieg der Inflationsrate auf 0,8% – nach 0,5% im März. Bleibt der Preisauftrieb hinter den Erwartungen zurück, dann hätten die Tauben innerhalb der EZB starke Argumente für eine expansivere Geldpolitik.
Zinsen und Anleihen
Wie aus einer internen Tagung deutscher Abgeordneter mit EZB-Chef Mario Draghi als Gast am Montag bekannt wurde, steht eine quantitative Lockerung der EZB nicht unmittelbar bevor. Unter dem Eindruck dieser Worte eröffneten Bundesanleihen gestern mit leichten Kursverlusten. Die Meldung der Verbraucherpreise aus deutschen Bundesländern bestätigte zwar, dass sie im April wieder anzogen, mit 1,3% J/J (nach 1,0% im März) aber weniger als die Mehrheit erwartet hatte. Da der Anstieg der Inflationsrate größtenteils an der unterschiedlichen Lage von Ostern liegt, wobei die Preise für Pauschalreisen um 12,6% M/M anstiegen, ist ein erneuter Rückgang des Verbraucherpreisanstiegs im Mai möglich. Heute steht die Schnellschätzung der Inflationsrate für den Euroraum im Fokus. Die EZB meldete gestern für April erneut einen merklichen Rückgang der Kreditvergabe. Zudem fielen die EU-Vertrauensindikatoren schwächer als erwartet aus. Dies lässt sich zwar überwiegend durch die Belastungen vom außenwirtschaftlichen Umfeld (u.a. die Ukrainekrise) erklären. Zusammen mit den schwächeren Preisdaten und der rückläufigen Kreditvergabe bleibt die Lockerungsfantasie für die EZB damit aber ungebrochen. Die Kursrückgänge bei Bundesanleihen wurden daher wieder mehr als wettgemacht und der Euro gab zum USD nach. Die US-Staatsanleihen tendierten gestern im Vorfeld der heutigen Fed-Sitzung per Saldo kaum verändert. Bei der Fed-Sitzung sind die Formulierungen in der Pressemitteilung wichtig, eine weitere Reduzierung der Anleihekäufe wird erwartet.
Aktien
Die europäischen Aktienmärkte tendierten gestern sehr freundlich. Die Leitindizes legten um bis zu 2,2% (Italien) zu. Schwächere Makrodaten aus der Eurozone konnten den Börsen am gestrigen Tag nichts anhaben. Die größtenteils soliden Quartalszahlen sowie optimistischen Ausblicke rückten in den Fokus und wurden mit Kursaufschlägen belohnt. In diesem Umfeld gewann der Dax 1,5%. Tagesgewinner war die Aktie von Infineon, die nach Anhebung der Jahresprognose um 4,6% stieg. Die Aktie der Deutschen Bank legte trotz eines Gewinneinbruchs um 2,2% zu. Die Notierung von VW verlor dagegen nach Bekanntgabe der Zahlen 1,2%. In der zweiten Reihe kletterte die Aktie von Aixtron nach Präsentation der Geschäftszahlen um 2,5%. Auf europäischer Sektor-ebene erzielten die Bereiche Öl & Gas (+2,5%) sowie Banken (+2,1%) die größten Gewinne. Die US-Börsen (Dow Jones-Index: +0,5%) profitierten ebenfalls von guten Unternehmensergebnissen (Merck & Co. +3,6%) und von anhaltenden Fusionsfantasien. Auf Sektorebene waren v.a. Finanzaktien gefragt, die im Schnitt um knapp 1% stiegen. Versorgerwerte büßten als Tagesverlierer durchschnittlich rd. 0,4% ein. Die Börsen in Asien tendierten uneinheitlich. Der Nikkei 225 notierte nach dem gestrigen Feiertag nahezu unverändert. H-Aktien in Hongkong gerieten dagegen etwas unter Druck.