SLM Solutions - IPO: Der Boom 3D-Druck erreicht die Frankfurter Börse
An der Wall Street sind Aktien aus dem Bereich 3D-Druck längst ein Hype, enorm hohe Bewertungen werden bezahlt. Nun steht auch am Frankfurter Aktienmarkt ein Börsengang aus diesem neuen Drucksegment an: Im IPO-Interview mit der Redaktion von www.4investors.de sagt Markus Rechlin, CEO der SLM Solutions Group AG, welche Wege der stark wachsende Markt und das Unternehmen nehmen werden und wie man den Emissionserlös investieren wird. 11,25 Millionen Aktien sollen zu 18 Euro bis 23 Euro platziert werden, davon 4,17 Millionen SLM-Akien aus einer Kapitalerhöhung. Die Zeichnungsfrist läuft noch bis zum 8. Mai.
www.4investors.de: Mit der Umschreibung, dass Sie metallbasierte additive Fertigungsverfahren anbieten, kann wahrscheinlich nicht jeder Investor etwas anfangen. Können Sie das ein wenig einfacher erklären?
Rechlin: Bei der additiven Fertigung handelt es sich um ein Fertigungsverfahren, das gemeinhin auch unter dem Label „3D-Druck“ bekannt ist. Im Gegensatz zur so genannten subtraktiven Fertigung, wie dem Bohren oder Fräsen, wird bei diesen neuartigen Verfahren ein homogenes Objekt aus einem Ursprungsmaterial von Grund auf neu geschaffen. Am Anfang jedes 3D-Drucks steht ein am Computer erstelltes 3D-Modell (CAD, Computer Aided Design), das in einem nächsten Schritt in Schichten zerlegt wird, die dann nacheinander „gedruckt“ werden. Beim selektiven Laserschmelzen (Selective Laser Melting, SLM), dem von den Systemen von SLM Solutions angewandten Verfahren, werden Objekte mithilfe von Laserstrahlen in einem metallischen Pulverbett verschmolzen. Geeignete Materialien sind neben Aluminium und Titan auch Werkzeug- und Edelstahl oder diverse Metalllegierungen. Die von den Systemen der SLM Solutions angewendeten Metalldruckverfahren ermöglichen die Herstellung hochwertiger Objekte, die sich auch für die Kleinserienproduktion von Bauteilen in der Industrie eignen.
www.4investors.de: Wer sind Ihre Kunden?
Rechlin: Zu unseren Kunden zählen zahlreiche namhafte Industrieunternehmen, die auf dem Weg sind, die metallbasierten additiven Fertigungsverfahren in ihre Produktionsumgebung zu integrieren bzw. diese bereits in ihre Produktionsumgebung integriert haben. Die Kunden stammen hauptsächlich aus den Bereichen Luft- und Raumfahrt, Energie, Gesundheit und Automobil. Zu unseren Kunden zählen die NASA, General Electric, Siemens oder BMW.
www.4investors.de: Wie groß ist der weltweite Markt für Ihre 3D-Druckangebote aktuell und wie groß wird er in zwei Jahren sein?
Rechlin: Gemäß den Branchenstudien von CODEX Partners oder Wohlers Associates betrug das weltweite Marktvolumen im Bereich 3D-Druck im Jahr 2012 ca. 1,7 Milliarden US-Dollar. Mit 9 Prozent war der Anteil metallbasierter Druckverfahren 2012 noch relativ gering, doch wir sehen den Markt nun an einem Wendepunkt. Das Marktsegment des metallbasierten 3D-Drucks bietet aufgrund des Trends zur Kleinserienfertigung industrieller Bauteile besonders attraktive Wachstumschancen. Zwischen den Jahren 2009 und 2012 betrug die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate im Segment des metallbasierten 3D-Drucks 18 Prozent. Die durchschnittlichen Verkaufspreise der metallbasierten 3D-Druck-Systeme liegen wesentlich höher als bei anderen Verfahren. Dies wird mit Blick auf den Marktanteil dieser Systeme hinsichtlich des Absatzes im Vergleich zum darüber generierten Umsatz deutlich: Während die Anzahl der Systemverkäufe metallbasierter Systeme im Jahr 2012 3 Prozent des Gesamtmarkts ausmachte, lag der Umsatzanteil bei 18 Prozent. Wie groß das Marktvolumen in zwei Jahren sein wird, können wir schwer abschätzen. Wir erwarten aber weiter stark steigende Wachstumsraten.
www.4investors.de: Im vergangenen Herbst ist mit Voxeljet ein Mitbewerber aus Bayern in den USA an die Börse gegangen. Worin unterscheiden sich ihre Unternehmen?
Rechlin: Bei SLM Solutions konzentrieren wir uns ausschließlich auf das unseres Erachtens attraktivste Zukunftssegment des metallbasierten 3D-Drucks. Wir sehen in dem von unseren Systemen genutzten Verfahren des Pulverbettschmelzens die zukunftsträchtigste Technologie innerhalb der metallbasierten Verfahrenslandschaft. Auf Basis der Angaben der CODEX Studie 2014 machten pulverbettbasierte Systeme 81 Prozent aller Systemverkäufe im Jahr 2012 aus. Ich denke, dies unterstreicht die hohe Relevanz der pulverbettbasierten Verfahren im Bereich des metallbasierten 3D-Drucks deutlich.
www.4investors.de: Die Aktien von Voxeljet haben sich seit der Erstnotiz fast verdoppelt, in der Spitze konnte man Gewinne von mehreren hundert Prozent einstreichen. Hat Sie dies bei der Festsetzung ihrer Preisspanne beeinflusst?
Rechlin: Nein, dies hat uns nicht beeinflusst. Wir sind überzeugt, mit unserer klaren Ausrichtung auf metallbasierten 3D-Druck das attraktivste Wachstumssegment innerhalb des Gesamtmarktes zu besetzen. Wir streben eine faire Bewertung an.
www.4investors.de: Sie wollen das frische Kapital für weiteres Wachstum nutzen. Welche Investitionen sind geplant?
Rechlin: Wir haben eine klar definierte Wachstumsstrategie, die sich auf drei Initiativen fokussiert, in die wir den Emissionserlös investieren möchten. Wir möchten unser globales Vertriebsteam und Servicenetzwerk weiter ausbauen, dabei unter anderem unsere bestehenden Präsenzen in Europa und Nordamerika verstärken und in Asien eine zentrale Vertriebspräsenz etablieren. Zudem wollen wir das Geschäft mit Verbrauchsmaterialien, also in unserem Fall das Metallpulver, weiter ausbauen. Dies kann beispielsweise über strategische Partnerschaften mit oder gezielte Übernahmen von Metallpulverherstellern geschehen. Um unsere Technologieführerschaft im Bereich metallbasierter Verfahren aufrecht zu erhalten und weiter auszubauen, planen wir zudem weiter in den Bereich Forschung und Entwicklung zu investieren. Hier geht es vor allem darum, die Effizienz unseres bestehenden Produktangebots weiter zu erhöhen, so dass die im Vergleich zu traditionellen Fertigungsverfahren teilweise schon bestehenden Kostenvorteile weiter erhöht werden können bzw. auch auf andere Anwendungen übertragbar werden.
www.4investors.de: Internationalisierung ist für Sie ein wichtiger Aspekt. Wo werden Sie zunächst aktiv werden?
Rechlin: In Nordamerika planen wir zusätzlich zu unserer bestehenden Tochtergesellschaft in Detroit zwei zusätzliche Vertriebs- und Servicebüros in Kalifornien und dem Südosten zu etablieren. Auch in Europa möchten wir weiter expandieren – unter anderem über die Expansion der bestehenden Vertriebsbüros in Spanien und Italien sowie die Gewinnung weiterer Distributionspartner. Deutlich stärker vertreten sein wollen wir künftig in Asien. Geplant ist unter anderem, in Singapur eine Niederlassung als zentrale Vertriebs-, Anwendungs- und Servicedrehscheibe für Asien zu etablieren.
www.4investors.de: Sind Zukäufe für Sie auch ein Thema?
Rechlin: Zukäufe sind denkbar. Wie schon erwähnt wollen wir unser Geschäft mit Verbrauchsmaterialien, also Metallpulver, ausbauen. Wir glauben, dass wir über die Intensivierung des Vertriebs von Metallpulvern sowohl die Kontrolle über als auch die Erweiterung unserer Wertschöpfungskette fördern und wiederkehrende Umsätze generieren können. Zudem können wir dadurch unsere Prozesse besser steuern und die Qualität unserer SLM-Systeme deutlich erhöhen. Hier sind Zukäufe von Metallpulverherstellern ebenso eine Möglichkeit wie auch strategische Partnerschaften.
www.4investors.de: Sie agieren in einer Fertigungsnische, in der traditionelle Methoden wenig helfen. Bleiben sie in ihrer Nische oder werden Sie auf andere Gebiete expandieren?
Rechlin: Wir gehören zu den Technologieführern im unseres Erachtens wachstumsträchtigen Segment des Gesamtmarktes. Einige unserer wichtigsten wissenschaftlichen Mitarbeiter zählen zu den Pionieren des selektiven Laserschmelzens, haben entscheidend an der zunehmenden Marktreife dieses Verfahrens mitgewirkt. Wir sehen uns hier ideal aufgestellt und haben deshalb derzeit keine Pläne, unser Produktangebot auf andere Verfahren auszuweiten.
www.4investors.de: Kritische Stimmen in den USA behaupten, dass die 3D-Druck-Technologie zu sehr gehypt wird. Sie sehen dies vermutlich anders?
Rechlin: Der hier von Ihnen zitierte „Hype“ spielt sicherlich auf die Marktbewertungen einiger Unternehmen aus der Branche in den USA an. Wir kommentieren solche Marktbewertungen grundsätzlich nicht, sondern leiten das Potenzial aus den Marktzahlen und den Rückmeldungen ab, die wir von unseren Kunden oder potenziellen Kunden erhalten. Demzufolge befindet sich der Markt unserer Überzeugung nach nun am Wendepunkt, da eine immer größer werdende Anzahl an Industrieunternehmen die additive Fertigungstechnologie verstärkt in die eigene Produktionsinfrastruktur einbindet. Im Gegensatz zu den 3D-Druck-Unternehmen, die derzeit öffentlich gelistet sind, bieten wir eine klare Ausrichtung auf diesen attraktiven Wachstumsmarkt der industriellen Serienproduktion. Nicht zuletzt deshalb ist es wichtig, beim Potenzial des 3D-Drucks nach Marktsegmenten zu unterscheiden.
www.4investors.de: 2013 haben Sie 28 SLM-Maschinen verkauft. Wohin geht der Trend im laufenden Jahr, wie sieht die mittelfristige Planung aus?
Rechlin: Unsere Vertriebspipeline ist gut gefüllt. Wir sind derzeit in Gesprächen mit potenziellen Kunden über die Abnahme von insgesamt 133 unserer Systeme. Ende März des laufenden Jahres sind bereits sieben endgültige Aufträge eingegangen – verglichen mit drei Aufträgen zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Im April kamen zusätzliche sechs Aufträge hinzu, so dass wir für das laufende Jahr bereits Aufträge über 13 unserer SLM-Systeme vorliegen haben. Dabei ist insbesondere auch eine Verschiebung der Nachfrage hin zu unserem Flaggschiffprodukt, der SLM 500HL, zu beobachten. Dieses System ist das produktivste seiner Klasse und die entsprechende Nachfrageverschiebung führt auch zu spürbar höheren durchschnittlichen Verkaufspreisen. Nicht zuletzt deshalb rechnen wir im laufenden Jahr 2014 mit einem Umsatzanstieg im Vergleich zum Vorjahr.
www.4investors.de: Zwei Drittel des Umsatzes generieren sie im Ausland. Große Unternehmen klagen derzeit stark über negative Währungseffekte. Ist das bei ihnen auch ein Thema?
Rechlin: Dies ist bei uns derzeit kein wirklich ausschlaggebendes Thema, da sich die nicht in Euro fakturierten Umsätze noch in Grenzen halten. Mit Blick auf unsere angestrebte Internationalisierung unseres Vertriebsteams und unseres Servicenetzwerks sind wir derzeit dabei, eine Währungssicherungsstrategie umzusetzen, die beispielsweise auf dem Abschluss von Devisenterminkontrakten basiert.
www.4investors.de: Der Markt bewertet ihre Mitbewerber mit dem 30- bis 90-fachen des Gewinns. Ist das eine gerechtfertigte Bewertung oder spielen hier die Phantasie und der Faktor des Neuen mit?
Rechlin: Wir kommentieren grundsätzlich keine Marktbewertungen anderer Unternehmen, sondern konzentrieren uns ausschließlich darauf, auch künftig eine führende Rolle im attraktivsten Wachstumssegment des Gesamtmarktes zu besetzen. Wir streben eine faire Bewertung an und orientieren uns eher an Unternehmen, die wir ob der von ihnen eingesetzten Technologie auch tatsächlich als Mitbewerber sehen - in erster Linie das schwedische Unternehmen Arcam.
www.4investors.de: Ihr CFO Uwe Bögershausen hat schon bei Derby Cycle und aleo solar den Börsengang begleitet. Welche Tipps kann er dem Börsenneuling geben?
Rechlin: Herr Bögershausen ist selbstverständlich eine wichtige Person im Zuge unseres Börsengangs. Und natürlich profitieren wir von seinen reichhaltigen Erfahrungen auf diesem Gebiet. Aber auch unabhängig vom Börsengang ist Herr Bögershausen ein exzellenter CFO, der gerade bei der Umsetzung unserer Wachstumsstrategie in den kommenden Jahren eine entscheidende Rolle spielen wird. Denn einen erfolgreichen Börsengang hinter sich zu bringen ist das Eine – das Andere ist aber, die uns darüber zufließenden Mittel auch zielgerichtet und effizient zu investieren.