Commerzbank Börsencompass: EZB hält Lockerungsphantasie am Köcheln
Nachdem die EZB im vergangenen Monat unerwartet den Reposatz um 25 Basispunkte auf 0,25% gesenkt hatte, rechnete kaum jemand mit weiteren zinspolitischen Schritten wie etwa einer Reduzierung des Einlagensatzes ins negative Terrain. Doch hatten einige Marktteilnehmer erwartet, dass sich EZB-Chef Draghi vielleicht etwas konkreter hinsichtlich möglicher weiterer Lockerungsschritte und der favorisierten Instrumente wird. Doch Draghi hielt sich alle Optionen offen und vermied sichtlich eine Festlegung. Die jüngste Zinssenkung habe die erwünschte Wirkung gehabt, die Leitzinserwartungen seinen auf niedrigem Niveau verankert. Diesen Effekt sollen offensichtlich die „zukunftsgerichteten Hinweise“ verstärken, wonach die EZB auf mittlere Sicht mit einem sehr mäßigen Preisauftrieb rechnet, der Leitzinsen auf dem aktuellen oder einem noch niedrigeren Niveau rechtfertige. Doch vermittelte die EZB nicht den Eindruck, dass sie es mit dem nächsten Lockerungsschritt eilig hat; immerhin korrigierte sie ihren Wachstumsausblick für 2014 von 1,0 auf 1,1% und rechnet in 2015 mit einem Plus von 1,5%.
Draghi machte klar, das die EZB im Bedarfsfall sehr zielgenau vorgehen müsse. So seien die vor 2 Jahren angebotenen Langfristtender (LTRO) von den Banken primär zum Kauf von Staatsanleihen genutzt worden. Heute sei die Lage eine andere; werde neue Liquidität angeboten, müsse die EZB sicherstellen, dass diese primär zur Kreditvergabe an die Unternehmen verwendet werde, nicht zum Kauf von Staatsanleihen. Wir halten es für wahrscheinlich, dass der nächste geldpolitische Schritt in diese Richtung geht.
Konjunktur und Rentenmärkte
Die Rentenmärkte bewegten sich gestern bis nachmittags zwar kaum. Nach besser als erwarteten US-Konjunkturdaten stiegen die Renditen erstklassiger Staatsanleihen aber merklich an. In den USA überraschte vor allem die Meldung, dass das reale BIP-Wachstum im 3. Quartal von 2,8% Q/Q (annualisiert) auf 3,6% Q/Q nach oben revidiert wurde. Zudem fielen die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe unerwartet stark von 321 auf 298 Tsd. Bereits am Mittwoch hatten die Beschäftigungszahlen des Dienstleistungsunternehmens ADP positiv überrascht. Demnach wurden in den vergangenen zwei Monaten in den USA rund 400.000 neue Stellen geschaffen. Deshalb kamen wieder Spekulationen auf, das die Fed früher als bisher erwartet mit der Reduzierung der monatlichen Anleihekäufe beginnen könnte. Dies hängt aber jetzt stark an den nationalen Arbeitsmarktdaten für November, die heute Nachmittag gemeldet werden. Auch die Renditen der Bundesanleihen stiegen an, die 10-jähriger erhöhte sich um 5 Basispunkte auf 1,86%. Zwar verkündete EZB-Chef Mario Draghi keine neuen Maßnahmen (siehe dazu Topthema). Die Wachstumsprojektionen blieben für dieses und nächstes Jahr fast unverändert, erst für 2015 wird ein deutlich höheres BIP-Wachstum von 1,5% erwartet. Die Inflation dürfte bis mindestens Mitte 2015 niedrig bleiben. Da die EZB aber keine Signale für negative Einlagenzinsen gab, stärkte sich der EUR ggü. dem USD auf das höchste Niveau seit Ende Oktober.
Aktienmärkte
Die unerwartet robuste US-Konjunktur und daraus resultierend geldpolitische Ängste der Anleger hielten die internationalen Aktienbörsen auch am vierten Handelstag der laufenden Woche unter Druck. Dass die EZB aktuell mit keinen weiteren Maßnahmen zur Liquiditätsbereitstellung aufwarten würde, war realistischerweise zu erwarten gewesen, aber insgeheim hatte man sich doch eine stabilisierende Transaktion erhofft, wie vor allem die Kursreaktionen bei den Finanzwerten zeigten. Im deutschen Leitindex Dax 30 konnten sich vor allem die Titel von Merck KGaA (+4,9%) positiv in Szene setzen. Die geplante Übernahme von AZ Electronic Materials wurde von Analysten als strategisch sinnvoll eingestuft. Erneut steigen konnten die Aktien der defensiven Konzerne Fresenius (+3%) und FMC (+1,2%). Schwach entwickelten sich dagegen vor allem Commerzbank (-2,1%) und die Deutsche Bank (-1,7%). Auch im EUROSTOXX 50 standen vor allem Finanzinstitute wie Intesa Sanpaolo (-3,4%) unter Druck. In einem Umfeld, in dem bis auf Pharma (+0,1%) alle Branchen negativ tendierten, waren dann auch Banken (-2,1%) der schwächste Sektor. Auch an der Wall Street überwogen die Abgaben, wobei sich hier wie im gesamten Wochenverlauf die negative Kurstendenz in Grenzen hielt. Positiv entwickelte sich ohne weitere Nachrichten vor allem Intel (+2,2%), während Microsoft (-2,4%) wegen einer enttäuschenden Nachricht in Bezug auf die Besetzung der zukünftigen Konzernleitung schwächster Titel im Dow Jones war. Die asiatischen Märkte können sich heute Morgen in der Breite etwas fester präsentieren. Die europäischen Börsen werden ebenfalls leicht besser erwartet. Der Fokus liegt auf den US-Arbeitsmarktdaten.