Commerzbank Börsencompass: EZB wird die Leitzinsen zunächst nicht weiter senken
Im Oktober fiel die Inflationsrate im Euroraum überraschend kräftig von 1,1% auf 0,7%. Dies machte die EZB nervös, die sich schon seit längerem genötigt sieht, geldpolitisch weiter zu lockern. Sie senkte daraufhin den Reposatz von 0,5% auf 0,25%. Der rückläufige Verbraucherpreisanstieg ist aber vor allem eine Folge des Rückgangs der volatilen Energie- und Nahrungsmittelpreise sowie der Wiederherstellung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit der Peripherieländer, nicht aber der Beginn einer Abwärtsspirale der Preise (Deflation). EZB-Chef Mario Draghi hat auch darauf hingewiesen, dass der geldpolitische Rat eben keine Deflation erwarte. In Deutschland werden üblicherweise in der zweiten Monatshälfte die Verbraucherpreise in sechs Bundesländern erhoben. Daraus berechnet das statistische Bundesamt eine vor-läufige Inflationsrate für Deutschland. Für November wurde gestern ein stärker als erwarteter Preisanstieg von 0,2% ggü. Oktober gemeldet. Dadurch stieg die jährliche Inflationsrate von 1,2 auf 1,3%. Die weiter rückläufigen Energiepreise wurden im November durch teurere Pauschalreisen überkompensiert. Aufgrund der besser als erwarteten deutschen Konjunkturdaten, insbesondere der Frühindikatoren, sollte der Preisdruck im nächsten Jahr zunehmen, denn die Lohnstückkosten dürften eher noch stärker steigen. Sollten aber die Energie-preise im nächsten Jahr weiter fallen, dann läge die Inflationsrate im gesamten nächsten Jahr weiter unter 2%. Die EZB hat mit der Zinssenkung viel Pulver verschossen und dürfte erst die weitere Entwicklung abwarten. Nächste Woche jedenfalls ist nicht mit einer weiteren Zinssenkung zu rechnen.
Konjunktur und Rentenmärkte
Ohne die Vorgaben aus den USA – dort feierte man gestern „Thanksgiving“ – hielten sich die Kursausschläge an den Rentenmärkten in engen Grenzen, ob-wohl es einige Konjunkturdaten, vor allem aus dem Euroraum, gab: In Deutschland ist die Zahl der Arbeitslosen im November um saisonbereinigt 10.000 gestiegen. Die Arbeitslosenquote verharrt nun seit zwei Jahren bei etwa 6,9% – das ist zu hoch, um den Löhnen Auftrieb zu verleihen. Eine gute Arbeitsmarktpolitik würde zunächst auf eine weitere Senkung der Unterbeschäftigung zielen. Jetzt den Faktor Arbeit wie im Koalitionsvertrag vorgesehen mit neuen Abgaben zu belegen und einen Mindestlohn einzuführen birgt langfristig Risiken. Darauf haben nicht nur unsere Volkswirte gestern hingewiesen. Auch die Inflationsrisiken sind möglicherweise höher als gedacht: Auf den vieldiskutierten Preisrückgang im Oktober folgte, wie das Statistische Bundesamt gestern meldete, im November eine unerwartet kräftige Gegenbewegung (siehe Topthema). Ein insgesamt positives Bild zeichneten aber die EU-Stimmungsindikatoren für den Euroraum. Besonders ermutigend sind die Signale aus den Peripherieländern, dort scheinen die Reformen langsam zu wirken. Während Kernländer wie Frankreich und Belgien nur langsam voran kommen, genießen z.B. Spanien und Portugal einen Stimmungsaufschwung. Ebenfalls positiv fielen heute Morgen die aus Japan gemeldeten Konjunkturdaten aus: Die Industrieproduktion steigt und die Deflationsära scheint Geschichte.
Aktienmärkte
An den europäischen Aktienmärkten ging es für die Indizes gestern weiter nach oben. Dabei gestaltete sich der Handel angesichts der feiertagsbedingt fehlenden US-Investoren bei unterdurchschnittlichen Umsätzen echt ruhig. Dies auch, da marktbewegende Makrodaten Mangelware waren. Die US-Daten waren ja wegen des Feiertages bereits auf Mittwoch vorgezogen worden. Der Dax verzeichnete im Handelsverlauf ein neues Allzeithoch (9.399 Punkte) und auf europäischer Ebene standen die Kurse so hoch wie seit Mai 2008 nicht mehr. In diesem Umfeld sorgten Analystenkommentare und Quartalszahlen für Bewegung. So profitierte die weltweit zweitgrößte Minengesellschaft Rio Tinto (+3,9%) von positiven Aussagen des Managements. Und da auch der schwedische Kupfer- und Zinkproduzent Boliden (+4,8%) nach einer Brokerempfehlung zulegen konnte, führte entsprechend der Grundstoffsektor (+2,1%) die Performancerangliste auf Branchenebene (Stoxx) vor den Banken (+0,9%) an. Des Weiteren fielen gestern Thomas Cook (+15%, Quartalszahlen), Commerzbank (+2,1%, Brokerempfehlung), Evonik (+3%, Brokerempfehlung) und Norma (-4,5%, Analystenherabstufung) mit größeren Kursbewegungen auf. Britische Bautitel litten unter der Ankündigung der Bank of England, Erleichterungen für Hypothekenkredite beenden zu wollen. Die Märkte in Asien notieren heute Morgen uneinheitlich und wenig verändert. Die Ausnahme ist der indische Markt, der vor der heutigen Veröffentlichung der BIP-Daten von Konjunkturhoffnungen getragen wird. Für zusätzlichen Schwung sorgen die in fünf „Bundesländern“ stattfindenden Wahlen. Heute findet am US-Aktienmarkt nur ein verkürzter Handel (19 Uhr) statt.