Commerzbank Börsencompass: Öl in Europa wieder wesentlich teurer als in den USA
Der Preis für die europäische und globale Öl-Benchmarksorte Brent liegt mit 108 USD/Fass gut 15 USD/Fass über dem Preis der US-Benchmarksorte WTI. Nachdem der Spread der qualitativ ähnlichen Sorten bis zum Sommer kurzzeitig auf Null zurückgegangen war, weitet er sich seit Oktober wieder aus - allein seit Anfang letzter Woche um fast 6 USD/Fass. Der Grund ist aber nicht die Aussicht auf eine anhaltend expansive US-Geldpolitik, wie von einigen Marktkommentatoren geschrieben, denn sonst wäre letzte Woche nicht nur der Preis für Brent gestiegen, sondern auch der für WTI. Vielmehr ist der Hintergrund für die Spread-Ausweitung zunächst der Exportausfall libyschen Öls, der mit ca. 1 Mio. Fass/Tag etwa das Volumen des Ausfalls wegen des Iran-Embargos beträgt. Zusätzlich verschärft sich die Sicherheitslage im Irak zunehmend. Bereits im September und Oktober wurden hier wegen Anschlägen auf Pipelines etwa 0,6 Mio. Fass/Tag weniger produziert. Letzte Woche eskalierte dann die Lage im südlichen Irak zwischen der schiitischen Bevölkerung und ausländischen Arbeitern. Dort liegt das größte Ölfeld des Landes, Rumaila (Produktion 1,4 Mio. Fass/Tag). Der Ölmarkt hatte im Oktober bereits Ausfälle von insgesamt 3,6 Mio. Fass/Tag zu verkraften. Dieses Öl fehlt vor allem in Europa und Asien, während in den USA das Fracking boomt. Noch höhere Aus-fälle wären wegen des bereits engen Marktes wohl mit empfindlichen Preissteigerungen verbunden, wie die Reaktion auf die Irak-Unruhen zeigt. Allerdings hat der Markt die bisherigen Ausfälle gut verkraftet und wäre bereits bei nur geringer Entspannung der Angebotssituation überreichlich versorgt.
Konjunktur und Rentenmärkte
An den Rentenmärkten fehlten zum Wochenauftakt neue Impulse von der Konjunktur; sie tendierten sehr freundlich. Weiterhin werden die Staatsanleihen unterstützt von der weltweit lockeren Geldpolitik. Gestern bestätigte der New York Notenbankchef William Dudley in einer Rede, dass die Datenlage momentan nicht ausreiche, um die Geldpolitik jetzt schon zu normalisieren. Die Bundesbank bezeichnete die Zinslockerung der EZB in ihrem gestern veröffentlichten Monatsbericht für November als angemessen. Darin heißt es, dass die akkomodierende geldpolitische Ausrichtung angesichts der schwachen Konjunktur- und Inflationserwartungen angemessen sei. Inzwischen wurde bekannt, dass ein Viertel der 23 EZB-Ratsmitglieder gegen die Zinslockerung gestimmt hatte. Darunter waren offenbar Bundesbankpräsident Jens Weidmann und EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen. Der Euro stieg gestern wieder über die Marke von 1,35 USD. Dies ist vor allem auf die USD-Schwäche angesichts der anhaltend lockeren US-Geldpolitik zurückzuführen und nicht auf das Wachstumsgefälle. Die Zinssenkung der EZB belastet den EUR kaum. EZB-Notenbanker stützten den Euro zudem mit Äußerungen, dass der Euroraum das Schlimmste überstanden habe. Nachdem das Wachstum im Euroraum im 3. Quartal sehr schwach gewesen war, warten die Marktteilnehmer auf die Einkaufsmanagerindizes am Donnerstag und den Ifo-Index am Freitag für neue Indikationen zum weiteren Wachstumsverlauf.
Aktienmärkte
Die europäischen Aktienmärkte erlebten gestern einen freundlichen Start in die neue Handelswoche. Die Leitindizes stiegen um bis zu 2,2% (Italien). Der Dax erzielte mit einem Plus von 0,6% einen neuen Rekordschlussstand von 9.225 Punkten. Nach wie vor herrscht viel Optimismus im Markt. Rücksetzer werden von vielen Investoren mangels Alternativen zum Kauf von Aktien genutzt, was die Kurse in immer neue Höhen treibt. Tagesgewinner im Dax waren gestern die Versorger. Die in der Vorwoche teilweise stark gebeutelten Titel von RWE und E.ON legten um 5,9% bzw. 4,1% zu. Auf der Verliererseite stand dagegen die Notierung von HeidelbergCement, die um 0,5% nachgab. In der zweiten Reihe setzte Osram die beeindruckende Kursrally mit einem satten Aufschlag von 5,2% fort. Auf europäischer Sektorebene waren vor allem Automobil- und Finanzwerte gesucht, die im Schnitt um 1,5% bzw. 1,4% zulegten. Auf der Verliererseite standen dagegen Aktien aus den Bereichen Medien sowie Reise & Freizeit (-0,2%). Die Börsen in den USA schlossen uneinheitlich. Während der Dow Jones um 0,1% kletterte, fiel der S&P 500 um 0,4%. Wasser in den Wein goss der Großinvestor Icahn, der sich skeptisch in Bezug auf die mittlerweile stark gestiegenen Aktienkurse äußerte. Auf Sektorenebene waren insbesondere Telekomaktien gesucht, die im Schnitt um 0,6% stiegen. Die Branchen IT, Rohstoffe und Gebrauchsgüter verbuchten Verluste von durchschnittlich 0,7%. Die Börsen in Asien tendierten uneinheitlich. Während der KOSPI u.a. aufgrund der Er-höhung der Wachstumsprognose durch das Korea Development Institute ein Plus von 1% verzeichnete, fiel der Nikkei 225 u.a. belastet durch einen festeren Yen um 0,3.