Commerzbank Börsencompass: China enttäuscht hoch gesteckte Erwartungen
Das Kommuniqué des 18. Kongresses der Kommunistischen Partei Chinas hat die zum Teil hoch gesteckten Erwartungen der meisten Investoren bislang leider nicht erfüllt. Viele Marktteilnehmer warten daher nun auf Details, die die Reformversprechen konkretisieren werden. Vorerst bleiben die Reformvorhaben vage. Eines von ihnen besagt, dass der Markt eine entscheidende Rolle bei der Verteilung von Ressourcen einnehmen soll. Des Weiteren sollen Bauern mehr Eigentumsrechte eingeräumt und Steuer- und Finanzreformen vertieft werden. Das Sozialversicherungssystem soll gerechter und nachhaltiger werden. Auch wenn die Privatwirtschaft künftig eine wichtigere Rolle spielen soll, dürfte das öffentliche Eigentum unverändert ein elementarer Bestandteil der sozialistischen Marktwirtschaft bilden. Zu deutsch: Substantielle Reformen bei den Staatsunternehmen sind nicht zu erwarten oder könnten gar ausbleiben. Nicht zuletzt dürften der Zugang zu Investitionen und die Bildung von Freihandelszonen weiter gefördert werden. Auch wenn viele der Maßnahmen u.E. in die richtige Richtung zielen, steht dennoch zu befürchten, dass die Macht der Partei letztlich weiter im Fokus stehen wird. Die vielfältige Verflechtung von unterschiedlichen Interessengruppen, die ihren Einfluss auf Wirtschaft und Politik nur nach heftigen Widerständen aufgeben werden, dürfte einen „großen Wurf“ v.a. auch in Bezug auf eine sozial gerechtere Einkommensverteilung sowie auf eine weitreichendere Öffnung der chinesischen Wirtschaft und ihres nach wie vor stark abgeschotteten Finanzsystems, verhindern. Das Bohren dicker Bretter gehört seit jeher zu den Widrigkeiten des politischen Geschäfts. In China sind sie besonders dick.
Konjunktur und Rentenmärkte
Bundesanleihen mit 10jähriger Laufzeit konnten gestern leicht zulegen und den Kursverlust nach den guten US-Arbeitsmarktdaten vergangene Woche ein Stück weit ausgleichen. Die Rendite fiel von 1,78% auf 1,73%. Die Daten zur Industrieproduktion im Euroraum überraschten positiv – wenn auch erst auf den zweiten Blick. Allerdings sind die einzelstaatlichen Produktionsdaten längst bekannt und der Überraschungseffekt beruht in erster Linie dar-auf, auf welche Weise Eurostat die Daten saisonbereinigt, aggregiert und ggf. revidiert. Die Revision der Vormonate war dieses Mal erheblich – statt eines Rückgangs um arbeitstäglich bereinigt 2,1% wird jetzt für August nur noch ein Rückgang um 1,1% gegenüber dem Vorjahr ausgewiesen, womit sich für September ein Zuwachs von 1,1% ergibt. Somit sind die Daten insgesamt positiv zu bewerten, auch wenn die Analysten mehrheitlich für September mit einem etwas geringeren Rückgang zum Vormonat gerechnet hatten. Die spanischen Verbraucherpreise bestätigten gestern die Argumentation der EZB für ihre Zinssenkung: Sie stagnierten zum Vormonat. Rechnet man Steuererhöhungen, Energie- und Nahrungsmittelpreise heraus, um einen unterliegenden Preistrend zu schätzen, dann bewegt sich Spanien zurzeit auf der Grenze zwischen Disinflation und einer leichten Deflation. In Deutschland stieg das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal um 0,3%. Damit hat sich das Tempo gegenüber dem Vorquartal (+0,7%) etwas abgeschwächt.
Aktienmärkte
Mit den schwachen Vorgaben aus dem asiatischen Handel, wo die Märkte negativ auf das noch wenig detaillierte Kommuniqué des chinesischen Zentralkomitees reagierten, hatten die europäischen Börsen schwach eröffnet. Erst Aussagen des Chefvolkswirts der EZB, die als Hinweis auf weitere geldpolitische Lockerungen der Notenbank gedeutet wurden, sorgen dann für eine deutliche Begrenzung der Verluste. Im Dax 30 konnte E.ON (+2,1%) nach Quartalszahlen und leicht gesenkten Jahreszielen letztendlich die stärkste Tagesentwicklung vorlegen. Im Kielwasser des Wettbewerbers belegte RWE (+1,9%) den zweiten Platz auf dem Kurszettel. Im EU-ROSTOXX 50 waren die beiden deutschen Versorger eben-falls die mit Abstand stärksten Einzelwerte. Auch GDF Suez (+0,8%) gehörte nach Bestätigung der Jahresziele zu den besten Titeln im Leitindex des Euroraums. Somit waren Versorger (+0,5%) dann auch eine der wenigen Branchen, die fester tendierten. Am stärksten unter Druck gerieten Medien (-1,6%) und Grundstoffe (-1,4%). An der Wall Street hingegen setzte sich die positive Grundstimmung durch und sowohl Dow Jones als auch S&P 500 erreichten neue Rekordstände. Im Dow Jones konnte mit Microsoft (+2,1%) ein IT-Titel die beste Entwicklung aufweisen. Informationstechnologie (+1%) war nach Gebrauchsgütern (+1,6%) zweitstärkste Branche. Lediglich Telekommunikation (-0,2%) tendierte etwas leichter. Im Fokus des marktbreiten S&P 500 stand Macy’s (+9,4%) nach überzeugenden Quartalsdaten. Nachbörslich legte Cisco enttäuschende Zahlen vor und geriet deutlich unter Druck. Die positive Stimmung setzt sich heute Morgen in Asien weiter fort und auch die europäischen Märkte sollten fester eröffnen.