Commerzbank Börsencompass: EZB überrascht mit Zinssenkung
Die EZB hat bei ihrer gestrigen Ratssitzung unerwartet den Reposatz um 25 Basispunkte auf ein neues Rekordtief von 0,25% gesenkt. Sie begründete diesen Schritt mit ihren veränderten Inflationserwartungen. Sie erwartet jetzt eine langanhaltende Phase niedriger Preissteigerungsraten, der dann ein gradueller Anstieg Richtung ihrer Toleranzschwelle von 2% folgt. Vor diesem Hintergrund sei es gerechtfertigt, dass „die Leitzinsen für einen ausgedehnten Zeitraum auf dem aktuellen oder einem noch niedrigeren Niveau verharren“, d.h. sie behält ihre bisherige „Forward Guidance“ unverändert bei. Auf eine genauere Zeitangabe, wie lange man mit solch niedrigen Inflationsraten rechne, ließ sich EZB-Chef Draghi bei der Pressekonferenz nicht festlegen; vielmehr verwies er auf die Dezembersitzung, bei der die EZB ihre neuen Projektionen zu Wachstum und Inflation präsentiert. Die Maßnahme der EZB zielt letztendlich darauf ab, die Leitzinsen auf niedrigem Niveau zu verankern und ihre Volatilität möglichst gering zu halten. Dies dürfte der Notenbank auch gelingen, denn durch die Verringerung des Korridors zwischen Deposit- und Reposatz wird das Halten von Überschussliquidität attraktiver, zumal die EZB gleichzeitig bis Mitte 2015 eine Vollzuteilung ihrer Hauptrefinanzierungsgeschäfte als Festsatztender beschlossen hat. Trifft unser Szenario einer allmählichen konjunkturellen Erholung des Euroraums zu, dann ist im Weiteren weder eine nochmalige Leitzinssenkung noch eine Neuauflage langfristiger Repogeschäfte, zu denen die EZB vor zwei Jahren griff, zu erwarten.
Konjunktur und Rentenmärkte
Das Markt bestimmende Ereignis des gestrigen Tages war die EZB-Ratssitzung. Entgegen der Erwartung senkte die EZB ihren Leitzins um 25bp auf 0,25% und reagierte somit auf die sinkende Inflationsrate im Euroraum (siehe Topthema). Entsprechend reagierten die Devisen- und Rentenmärkte. Der Euro geriet unter Druck. Die Renditen 10-jähriger Bundesanleihen sanken deutlich von 1,73% auf rund 1,69%. Auch französische, italienische und spanische Renditen gaben deutlich nach. Die EZB beeinflusste mit ihrer Entscheidung auch den US-Markt, Treasuries waren mit der Hoffnung auf weitere Liquiditätszuflüsse ebenfalls gesucht. Die Renditen sanken – allerdings nur kurzzeitig. US-Daten zum Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal überraschten zunächst positiv. Die US-Wirtschaft wuchs im dritten Quartal mit 2,8% (Q/Q) stärker als erwartet. Allerdings wurde der erhöhte Output vor allem durch einen Lageraufbau getragen. Ein Wermuts-tropfen, da speziell der private Konsum und die Ausrüstungsinvestitionen – welche traditionell elementar für die US-Wirtschaft sind – enttäuschten. Das Bild der langsam an Fahrt gewinnenden US-Konjunktur bleibt jedoch intakt. Weniger Beachtung fand die deutsche Industrieproduktion, welche im September verglichen zum Vormonat – aufgrund von einer positiven Verzerrung im Automobilsektor im August – um 0,9% zurück ging. Am heutigen Tag werden die US-Daten den Markt dominieren und sollten den Markt zunächst stützen.
Aktienmärkte
Die unerwartete Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank führte an den europäischen Aktienmärkten kurzzeitig zu einem deutlichen Kursschub, der den Dax Richtung 9.200 Punkte steuern ließ. Im weiteren Handel büßte der deutsche Leitindex allerdings einen Großteil der Gewinne wieder ein. Einerseits setzten nach der Euphorie über die überraschende Notenbank-Maßnahme kritische Überlegungen zu den Beweggründen ein, andererseits belasteten die überraschend starken US-BIP-Zahlen zum dritten Quartal, die wiederum für ein eher früheres Tapering sprechen. Dass der Dax im Gegensatz zu den übrigen europäischen Indizes noch im Plus schließen konnte, lag sicherlich an den guten Quartalsvorlagen einiger Dax 30-Titel. An der Spitze der Gewinnliste standen so nach überzeugenden Zahlen Commerzbank (+10,1%), Continental (+6,8%), adidas (+4%) und Siemens (+3,4%). HeidelbergCement (-3,8%) hingegen konnte die Erwartungen nicht vollends erfüllen. Im EUROSTOXX 50 konnten lediglich die Branchen Automobile (+1,5%) und Grundstoffe (+1,3%) klar fester tendieren, einige Branchen wie Telekoms (-1,6%) und Energie (-1,5%) gerieten sogar deutlicher unter Druck. In den USA zeigte die Kurstendenz nach einer sehr kurzen positiven Phase aus den beschriebenen Gründen fast kontinuierlich nach unten. Alle Branchen erlebten dabei stärkere Abgaben, der Gebrauchsgütersektor (-2,0%) entwickelte sich besonders schwach. Auch in Asien überwiegen heute Morgen an den wichtigsten Börsenplätzen die Kursverluste. Mit diesen Übersee-Vorgaben werden auch die europäischen Aktienmärkte schwächer erwartet. Wichtigstes Tagesthema ist der nationale Arbeitsmarktbericht aus den USA.