Ströer Media: „Die Türkei ist ein hochinteressanter Wachstumsmarkt”
Bei Ströer Media rechnet man in den kommenden Quartalen mit einer positiven Entwicklung. Die Investitionen der Vergangenheit sollen die operative Performance sukzessive stärken. Dies sagt Finanzvorstand Alfried Bührdel im Gespräch mit der Redaktion von www.4investors.de. Bührdel setzt dabei auch auf das Geschäft in der Türkei. Große Stücke hält er zudem vom Neuerwerb Ballroom. Der CFO berichtet im Interview über künftige Finanzierungsmöglichkeiten sowie über die Entwicklung der Verschuldung. Die Unterschiede zum Mitbewerber JCDecaux sind ebenso Thema des Interviews mit CFO Bührdel wie auch die Zukunft der Online-Werbung.
www.4investors.de: Bei Ströer gibt es derzeit ein verstärktes Interesse an der Online-Werbung. Gleichzeitig werden jedoch die Klagen in der Branche laut, dass die Werbepreise in diesem Bereich sinken. Wie ist Ihre Erfahrung?
Bührdel: Die Entwicklung ist nach Bereichen unterschiedlich. In Summe sehen wir jedoch stabile Verhältnisse. Vor ein paar Jahren war es sicherlich für die Vermarkter im Online-Bereich leichter, die Umsätze Jahr für Jahr zu steigern. Im Markt herrschten dementsprechend teilweise auch überhöhte Preisvorstellungen. Das ändert sich gerade. Einerseits verlangsamt sich das Marktwachstum, andererseits erhöhen sich die Aufwendungen in die erforderliche Technik. Viele Marktplayer wollen nicht in neue Technologien in den Bereichen Video, Mobile, Targeting, Performance und RTB investieren und agieren mit zunehmendem Realismus. Aber vor allem RTB und Sonderwerbeformen steigern zurzeit das TKP-Niveau, wie man dem aktuellen adscale analyser entnehmen kann.
www.4investors.de: Mit welcher Strategie wollen Sie es schaffen, 2014 im Online-Bereich 100 Millionen Euro zu erwirtschaften?
Bührdel: Wir lösen uns vom Silodenken der analogen Medien-Welt. Künftig liefern wir integrierte Kommunikationslösungen für unsere Kunden, um alle Zielgruppen effektiv anzusprechen. Wir achten darauf, dass besonders bei der Produktentwicklung nachhaltige Synergien entstehen. Die Investitionen, die wir im Online-Bereich tätigen, können wir vermarktungstechnisch auch im digitalen Außenwerbebereich exzellent nutzen. Zudem wollen wir die Angebotskomplexität reduzieren, die von Werbekunden und Mediaagenturen schon heute kaum zu überblicken ist: Harmonisierung von Produkten, Angeboten und Konzepten über Medien hinweg ist eine zentrale Anforderung unserer Kunden, auf die wir eingehen. Natürlich können wir uns nur mit der Nachfrage entwickeln und die ist bei mobiler Werbung noch in der Hochlaufphase.
www.4investors.de: Sie wollen weitere Akquisitionen tätigen. Wo setzen Sie an?
Bührdel: Jede einzelne Akquisition trägt dazu bei, unser Onlinehaus auszubauen und folgt einem stringenten konzeptionellen Bauplan: 360-Grad-Lösungen sowohl für Agenturen und Kunden als auch für Publisher. Es gibt eine ungeheure Anzahl an spezialisierten Angeboten im Markt – für Kunden und Agenturen bedeutet die Steuerung all dieser Angebote aber eine enorme Komplexität. Wir hingegen entwickeln uns zu einem Full-Service-Vermarkter, wobei einzelne Business-Units völlig unabhängig agieren und in ihrem jeweiligen Marktsegment best in class sind.
www.4investors.de: In den vergangenen Jahren hat Ströer rote Zahlen geschrieben, kommt 2013 der Turnaround? Gibt es erste Hinweise, wie es 2014 laufen wird?
Bührdel: Unser operatives Jahresergebnis war immer positiv. Das um Sondereinflüsse bereinigte Konzernergebnis konnten wir aufgrund des Umsatzwachstums sowie weiterer Kosteneinsparungen im ersten Halbjahr 2013 im Vergleich zum Vorjahr sogar mehr als verdoppeln. Auch in den Quartalen zuvor hat sich das Ergebnis jeweils zum Vergleichszeitraum positiv entwickelt. Operativ schreibt Ströer also schwarze Zahlen. Aufgrund der kurzen Vorbuchungsfristen können wir noch keine Prognose für 2014 abgeben. Wir fühlen uns durch die Entwicklung des ersten Halbjahres jedoch in unserer Strategie bestätigt und rechnen mit einer Fortsetzung dieser Entwicklung. Die Investitionen, die wir in der Vergangenheit getätigt haben, werden unsere operative Performance sukzessive stärken.
www.4investors.de: Die Verschuldung hat sich zuletzt von 302,1 Millionen Euro auf 321,4 Millionen Euro erhöht. Wie wird es dabei weitergehen, denken Sie über einen Schuldenabbau nach?
Bührdel: Der Anstieg der Nettoverschuldung im ersten Halbjahr 2013 ist vor allem auf die Zukäufe im Onlinesegment zurückzuführen. Insgesamt hatten wir im zweiten Quartal einen dynamischen Verschuldungsgrad von 2,8. Wir erwarten mit zunehmenden Erträgen, insbesondere durch die Digital Group, dass der Verschuldungsgrad perspektivisch sinken wird. Ströer ist ein gesundes Unternehmen mit einer gesicherten Finanzierung, das am Anfang eines neuen Zeitalters steht. Einen voll integrierten Vermarkter, der die Kombination aus moderner Außenwerbung und Onlinewerbung anbieten kann, gibt es außer uns nicht.
www.4investors.de: Kann bei künftigen Finanzierungsmöglichkeiten eine Anleihe oder eine Kapitalerhöhung eine Rolle spielen?
Bührdel: Eine Kapitalerhöhung steht nicht auf unserer Agenda. Ich möchte aber nicht ausschließen, dass wir unseren Bankkredit in der vor uns liegenden Zeit um einen Schuldschein oder eine Anleihe ergänzen. Das werden wir aber davon abhängig machen, wie sich die Finanzierungsmärkte entwickeln. Grundsätzlich haben wir ausreichende Finanzierungsmittel zur Hand und keine kurzfristigen Tilgungsnotwendigkeiten.
www.4investors.de: Im ersten Halbjahr haben Sie die Investitionen im Bereich Außenwerbung um mehr als 20 Prozent auf 16,2 Millionen Euro reduziert. Ist das ein Trend für die Zukunft?
Bührdel: Ströer hat in den vergangenen Jahren mehr als alle Wettbewerber in Deutschland in die Qualität und Zukunft der Außenwerbung investiert. So haben wir das erste digitale Bewegtbildnetz in der Außenwerbung in Deutschland aufgebaut, den Out-of-Home-Channel. Mittlerweile haben wir etwa 1.000 Screens an den deutschen Bahnhöfen installiert und über 1.500 Screens in Einkaufszentren in Betrieb und damit eine kritische Masse als nationales Medium erreicht. Im ersten Halbjahr 2013 haben wir daher unsere Investitionen in der klassischen Außenwerbung zurück nehmen können und nur dosiert in spezifische Wachstumsprojekte im In- und Ausland investiert. Unser Screen-Netzwerk wächst immer noch weiter, aber nicht mehr so schnell.
www.4investors.de: In Deutschland ist Wall Ihr größter Mitbewerber. Könnte es sein, dass Sie von der Wall-Mutter JCDecaux übernommen werden?
Bührdel: Dazu ein klares Nein. Wir haben zwei Ankeraktionäre, die Familie der Firmengründer, die nach wie vor mehr als 50 Prozent der Aktien an unserem Unternehmen halten und verlässlich zu diesem stehen. Außerdem verfolgt JCDecaux eine andere Unternehmensstrategie, die auf eine Globalisierung seines Außenwerbegeschäftes ausgerichtet ist.
Wir entwickeln uns dagegen zu einem Full-Service-Medienhaus, das seinen Kunden Audience und Reach in einem integrierten Ansatz anbietet - sei es out-of-Home, in-Home oder auf mobilen Endgeräten. Damit wollen wir in unseren jeweiligen Kernmärkten immer best in class sein und zu den führenden Medienvermarktern insgesamt gehören.
www.4investors.de: Es gibt vielfältige Probleme in der Türkei. Die türkische Lira ist schwach, es gibt politische Unstimmigkeiten. Ihr Umsatz steigt jedoch deutlich an, Sie setzen weiter voll auf das Land. Was erwarten Sie dort in den kommenden Quartalen?
Bührdel: Die Türkei ist, trotz der aktuellen Bedenken mancherorts, ein hochinteressanter Wachstumsmarkt. Die Fundamentaldaten sprechen eine deutliche Sprache. Wir gehen auch davon aus, dass sich die gesamtwirtschaftliche Entwicklung gegenüber dem Vorjahr sogar leicht verbessern wird.
Ströer hat im vergangenen Jahr bereits neue Produkte in der Türkei eingeführt, die auf eine hohe Kundennachfrage treffen. Zusätzlich haben wir die Werbeträgerkapazität, insbesondere in Istanbul, deutlich erhöht. Damit haben wir die Weichen für weiteres Wachstum in der Türkei gestellt und unsere gute Marktposition weiter verbessert.
www.4investors.de: Im Sommer haben Sie Ballroom gekauft. Bei dem Neuerwerb liegt der Fokus auf Osteuropa. Wie läuft bisher die Integration? Welche Erwartungen haben Sie an Ballroom bis 2014?
Bührdel: Wie oben bereits beschrieben, setzen wir auf das unabhängige Agieren unserer Business Units. Die jeweiligen Marken arbeiten dort zusammen, wo es Sinn ergibt und wo wir dem Kunden dadurch einen Mehrwert anbieten können.
In erster Linie entstehen nachhaltige Synergien zwischen Ballroom und unseren anderen Units im Technologiebereich. Wir sind in der Lage – dank eines 70-köpfigen Entwicklerteams – neue Online-Vermarktungstechnologien für die gesamte Gruppe entwickeln und einsetzen zu können. Unsere Tech-Hubs in Neuseeland, Tschechien und Berlin werden wir dazu in Zukunft konzeptionell und personell vernetzen, um unsere technische Entwicklungs-Power weiter zu stärken. Wir sind überzeugt, dass eine proprietäre Technologie eine wesentliche Voraussetzung für die weitere Geschäftsentwicklung darstellt.