Commerzbank Börsencompass: Royal Mail - Euphorie wie in vergangenen Zeiten
Eine altehrwürdige Institution im britischen Königreich, die Royal Mail, wurde privatisiert und ist am letzten Freitag an die Börse in London gegangenen. Der Börsengang löste Erinnerungen an längst vergangene Zeiten aus. Die angebotenen Aktien waren um ein Vielfaches überzeichnet, auch Privatpersonen beteiligten sich am Run auf die neuen Aktien. Die Zuteilung erfolgte am oberen Ende der Zeichnungsspanne zu 330 GBp. Eingesammelt wurden umgerechnet mehr als 2 Mrd. Euro. Der Kurs stieg zur Börseneinführung innerhalb weniger Minuten auf 456 GBp und hat gestern weitere neue Höchstkurse markiert. Der britische Staat hat einen (zu?) niedrigen Ausgabepreis gewählt, um einen Erfolg des Börsengangs sicherzustellen. Dafür gab es Kritik - nicht nur von der Arbeitnehmerseite. Das Unternehmen ist in einem drastischen Umbau von einer staatlichen Institution hin zu einem modernen Dienstleistungunternehmen, der noch lange nicht abgeschlossen ist. Die Unruhe bei Mitarbeitern und Kunden ist hoch. Der Fokus verschiebt sich dabei strukturell bedingt weg vom schrumpfenden Briefgeschäft hin zum wachsenden Paketgeschäft. Dieser Umbau ist beim Branchenvorbild Deutsche Post schon lange erfolgreich beendet. In Deutschland gibt es keine wesentlichen öffentlichen Diskussionen mehr wie in der Vergangenheit. Dazu ist die Deutsche Post Weltmarktführer im grenzüberschreitenden globalen Expressgeschäft und auch im Frachtbereich und der Logistik sehr erfolgreich unterwegs, alles Zukunftsaktivitäten, die es bei den auf das traditionelle Inlandsgeschäft fokussierten Royal Mail überhaupt nicht gibt.
Konjunktur und Rentenmärkte
Die Gespräche über das Budget und die Anhebung der Schuldendecke machen keine Fortschritte. Das Basisszenario der Märkte bleibt, dass in den nächsten Tagen eine Einigung gefunden wird. Außerdem gab es gestern einen Feiertag in den USA. Dementsprechend gab es keine Impulse von den US-Renten; die Rentenmärkte blieben in Habachtstellung. Die Eurogruppe drückte gestern bei ihrem Treffen in Luxemburg ihre Besorgnis über den ungelösten Haushaltsstreit aus. EU-Währungskommissar Otto Rehn sagte, dass es wichtig sei, dass die USA ihre Budgetblockade überwinde, da es sonst dramatische Folgen für die Weltwirtschaft und den erst beginnenden Aufschwung in Europa gäbe. In der EWU-Peripherie konnten gestern die Kurse der Staatsanleihen - nach anfänglichen Abgaben - nach Meldung der Produktionszahlen aus dem Euroraum vom August Kursgewinne erzielen. Danach stieg die Industrieproduktion im August um 1,0% M/M stärker als erwartet. Gleichzeitig wurde der Rückgang vom Juli von -1,5% M/M auf -1,0% M/M nach oben revidiert, so dass die Produktion im August 2,1 unter dem Vorjahresstand lag. Den stärksten Anstieg der Produktion meldete Portugal (+8,2% M/M), aber auch in den Niederlanden (+2,4% M/M) und Deutschland (+1,8% M/M) gab es merkliche Zuwächse. Rückgänge gab es u.a. in Italien. Nach den Daten von Juli und August dürfte die Produktion wenig zum Wachstum im 3. Quartal beitragen. Die Frühindikatoren weisen auf eine stärkere Belebung im Euroraum hin, die noch aussteht.
Aktienmärkte
Die europäischen Aktienmärkte tendierten gestern überwiegend etwas freundlicher. Die Leitindizes gewannen nach einem zumeist schwächeren Start um bis zu 0,3% (London). Bei dünner Nachrichtenlage herrschte am gestrigen Handelstag insgesamt recht wenig Dynamik. Die meisten Börsianer warten auf eine Einigung im US-Haushaltsstreit. Alles in allem herrscht hier weiterhin Zuversicht, dass es bald zu einem Kompromiss kommen wird. In diesem Umfeld ging der Dax nach einem verhaltenen Start zum Handelsschluss nahezu unverändert aus dem Markt. Auf Einzelwertebene erzielte die Aktie der Deutschen Telekom (+1,5%) den größten Kurszuwachs. Seit dem 21. Februar 2013 konnte sie damit um rd. 44% zulegen. Gesucht waren weiterhin Versorgertitel (RWE: +1,3%; E.ON: +1,2%), die von Spekulationen über ein Um-denken in der Energiepolitik profitierten. Während Infineon (-1,5%) von einer Votenherabstufung belastet wurde, profitierte Salzgitter (+2,2%) von einem positiven Analystenkommentar. Auf europäischer Sektorebene legten Versorgerwerte mit einem durchschnittlichen Aufschlag von 1% am stärksten zu. Dagegen büßten Technologietitel im Schnitt 0,9% ein. Die US-Börsen schlossen nach einem schwächeren Beginn freundlicher (Dow Jones: +0,4%). Die Hoffnung auf eine baldige Lösung im Schuldenstreit gab den Aktien Rückenwind. Die Aktie von Merck verlor nach negativen Analystenkommentaren rd. 1,1%. Auf Sektorebene legten die Branchen Pharma (+0,7%) und Energie (+0,6%) am stärksten zu. Defensive Branchen wie Versorger und Telekom büßten rd. 0,6% ein. Die Börsen in Asien tendierten uneinheitlich. Während der Nikkei 225 leichte Zugewinne verbuchte, gewann der KOSPI (Korea) 1%.