Commerzbank Börsencompass: Kluft zwischen Stimmung und Lage
In den USA sind die Auftragseingänge für langlebige Wirtschaftsgüter im August um 0,1% M/M gestiegen und liegen damit trotz des kräftigen Rückgangs vom Vormonat immerhin noch 13,7% über ihrem Vorjahresstand. Einen besseren Eindruck von der Auftragslage geben freilich die Kernaufträge, welche die von Monat zu Monat stark schwankenden Militär- und Flugzeugorders ausklammern. Die Kernaufträge stiegen um 1,5% M/M (+9,7% J/J) an und machten damit den Rückgang vom Vormonat knapp zur Hälfte wett. Insgesamt liegen sie damit aber im laufenden Quartal ebenso wie die im August gleichfalls gestiegenen Auslieferungen dieser Güterkategorie immer noch unterhalb des Durchschnitts vom Vorquartal. Die Auslieferungen gehen für die Berechnung der BIP-Daten (Investitionsgüter) ein. Das heißt: Im 3. Quartal sind davon wenig Impulse für das reale BIP zu erwarten, dessen Wachstumsrate unter der des Vorquartals (2,5% annualisiert) bleiben dürfte. Dies werten wir als normale Quartalsfluktuation, nicht als Beginn einer neuen Schwächephase der US-Wirtschaft. Für diese Sicht der Dinge sprechen schon die gestiegenen Stimmungsindikatoren wie z.B. die ISM-Indizes für das Verarbeitende und Dienstleistungsgewerbe im Verein mit dem Philly-Fed Index. Ihnen folgen die „harten“ Daten in der Regel mit gewisser Zeitverzögerung, was im Schlussquartal wieder eine höhere Wachstumsdynamik erwarten lässt. Gleichwohl sind die zuletzt eher durchwachsenen realen Daten auch eine Mahnung an die Parteien im laufenden Haushaltsstreit: Behördenschließungen und Nachfrageausfälle träfen die US-Wirtschaft zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.
Konjunktur und Rentenmärkte
Bundesanleihen tendierten gestern fast den ganzen Tag unverändert und erzielten erst im späten Handel nach Meldung der US-Auftragseingänge (siehe Topthema) Kursgewinne. Die derzeitige Erholung an den Rentenmärkten, ausgelöst durch die US-Notenbank Fed, die in der Septembersitzung ihre Wertpapierkäufe überraschend nicht einschränkte, hält weiter an. Unterstützt wird die Erholung auch von der EZB. So brachte EZB-Chef Mario Draghi neue langfristige Liquiditätshilfen für europäische Banken ins Gespräch. Laut Drahgi widerspreche die Rückzahlungen der dreijährigen Langfristtender von 2012 durch die Banken nicht dem Bedarf neuer Liquiditätsspritzen. Auch andere EZB-Ratsmitglieder deuteten an, dass ein neuer Langfristtender (LTRO) möglich sei. Die Kreditvergabe im Euroraum ist seit Monaten rückläufig. Trotz des „freiwilligen“ Rückgangs der Überschussreserven von 800 Mrd. auf 200 Mrd. EUR haben einzelne Banken in Europa weiterhin offenbar Refinanzierungsprobleme. Eine Zinssenkung steht nach den angestiegenen Frühindikatoren zunächst nicht an. In Deutschland stieg die Prognose des Konsumklimas der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) für Oktober von 7,0 auf 7,1 Punkte, den höchsten Wert seit September 2007. Auch in Italien stieg das Konsumentenvertrauen überraschend stark von 98,8 auf 101,1 Punkte. Italien konnte gestern eine 2-jährige Nullkuponanleihe mit einem Volumen in Höhe von 2 Mrd. EUR erfolgreich mit einer Rendite von 1,62% (nach 1,87% bei der letzten Auktion) emittieren.
Aktienmärkte
Die europäischen Aktienmärkte zeigten sich gestern nach zwischenzeitlichen Verlusten wenig verändert. Die wieder einmal bald erreichte Schuldenobergrenze in den USA und der daraus resultierende Haushaltsstreit boten ein Umfeld für Gewinnmitnahmen. Auch die Geldpolitik der Fed durfte in den Begründungen der Händler zum Handelsverlauf nicht fehlen. Die – leicht über den Erwartungen liegenden – US-Makrodaten konnten keinen größeren Schwung in den Handel bringen. Auf Branchenebene (Stoxx) ging es für den Telekomsektor am deutlichsten nach oben. Hier halfen u.a. Spekulationen über ein mögliches Übernahmeinteresse von AT&T an Vodafone (+1,9%) und der Kursanstieg bei Orange (vormals France Telekom, +2,9%). Am schwächsten notierten Versorger (-0,8%) und Einzelhändler (-0,8%; Tesco nach Verkaufsempfehlung -3,5%). Bei den Einzelwerten fielen u.a. K+S (-2%, nachlassende Hoffnung auf neue Kartellbildung) und ThyssenKrupp (+3,5%, neuer Großaktionär) auf. Am US-Markt drückte die Unsicherheit darüber, ob die drohende Schließung vieler Behörden abgewendet werden kann, auf die Kurse. Zwar rechnen die meisten Marktteilnehmer mit einer Einigung, aber die Nervosität steigt. Berichte über steigende Lagerbestände bei Wal-Mart (-1,5%) drückten auch auf die Kurse der Produzenten: Johnson & Johnson -1,3% und Procter & Gamble -1,1%. In Asien stellt sich das Bild heute Morgen uneinheitlich dar. Verlusten in China, Taiwan und Malaysia stehen u.a. Gewinne in Japan gegenüber. Hier halfen neben den Plänen zur Senkung der Unternehmenssteuer auch Spekulationen darüber, dass der staatliche Pensionsfonds angewiesen sei, stärker in Aktien zu investieren.