Afyren: „Der Beginn einer neuen Phase“

Afyren aus Frankreich ist ein Greentech-Unternehmen, das sich auf die Produktion von biobasierten Säuren fokussiert. Im Gespräch mit unserer Redaktion erläutert CEO Nicolas Sordet das Geschäftsmodell von Afyren. Er spricht über die Partnerschaft mit Südzucker und erklärt, welche Erwartungen er an eine gerade anlaufende neue Anlage hat. Der Auftragsbestand ist ebenso Thema des Interviews wie die Vielzahl der Kunden aus unterschiedlichsten Bereichen. Sordet geht auf Patente ein und stellt die Expansionspläne von Afyren vor. Auch die Finanzen sowie die CO?-Bepreisung werden im Interview mit dem Vorstandschef thematisiert.
4investors.de: AFYREN ist zwar seit Oktober 2021 börsennotiert, doch sicherlich nicht allen Anlegern bekannt. Können Sie Ihre Aktivitäten und Produkte in wenigen Sätzen vorstellen?
Sordet: AFYREN ist ein französisches Greentech-Unternehmen, das 2012 gegründet wurde und sich auf innovative, nachhaltige Lösungen zur Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Ressourcen konzentriert. AFYRENs unternehmenseigene, von der Natur inspirierte Fermentationstechnologie verwertet lokal verfügbare Biomasse aus landwirtschaftlichen, nicht für den Verzehr bestimmten Nebenprodukten, um zu 100 Prozent biobasierte, kohlenstoffarme Carbonsäuren herzustellen. Die nachhaltigen Lösungen des Unternehmens adressieren die Herausforderungen der Dekarbonisierung in einer Vielzahl strategischer Sektoren, darunter Lebensmittel- und Tierfutterindustrie, Aromen und Geruchsstoffe, Life Sciences, Materialwissenschaften, sowie Schmierstoffe und technische Flüssigkeiten. Die wettbewerbsfähige, sofort einsatzbereite Kreislauftechnologie von AFYREN ermöglicht es Herstellern, nachhaltige Lösungen einzuführen, ohne ihre Produktionsprozesse zu verändern.
4investors.de: Ein zentrales Alleinstellungsmerkmal von AFYREN ist die Produktion von sieben verschiedenen biobasierten Säuren aus einem Prozess. Wie stark ist dieses Modell gegen künftige Wettbewerber abgesichert?
Sordet: Unsere einzigartige Technologie erfordert spezifisches Wissen und Fachkompetenz. Wir haben weltweit eine Patentfamilie mit zehn Patenten angemeldet, um unser Herstellungsverfahren zu schützen. Unsere Technologie und unser Verfahren werden durch diese Patente und durch unsere in den letzten 13 Jahren erworbene Erfahrung in den Bereichen Fermentation und Chemie abgesichert.
4investors.de: Vor wenigen Tagen gaben Sie bekannt, dass Sie mit der Anlage AFYREN NEOXY nach einer Anlaufphase das Ziel der kontinuierlichen Produktion erreicht haben. Welchen Umsatz können Sie dort künftig generieren? Und ab wann wird die dortige Produktion schwarze Zahlen schreiben?
Sordet: Das Erreichen der kontinuierlichen Produktion ist ein wichtiger Meilenstein für unser Unternehmen und der Beginn einer neuen Phase, in der die industrielle Produktion von AFYREN NEOXY schrittweise hochgefahren wird, um schließlich die 2021 beim IPO gesetzten Ziele zu erreichen: einen jährlichen Produktionsumsatz von rund 35 Millionen Euro bei einer aktuellen EBITDA-Marge von ca. 25 Prozent (entspricht einem aktuellen EBITDA von rund 9 Millionen Euro) bei voller Kapazität, was 16.000 Tonnen pro Jahr entspricht.
Für 2025 erwarten wir einen Produktionsumsatz im niedrigen einstelligen Millionenbereich. Die Anlage wird voraussichtlich innerhalb weniger Quartale die Gewinnschwelle erreichen.
4investors.de: Wie realistisch ist aus heutiger Sicht die Erwartung, dass AFYREN NEOXY innerhalb weniger Quartale nach Produktionsbeginn den operativen Break-even erreicht?
Sordet: Sobald die Produktion kontinuierlich läuft, rechnen wir mit einer Hochlaufphase von einigen Quartalen, bis der Break-even erreicht wird.
4investors.de: Wie hoch schätzen Sie die Kundenbindung in den adressierten Zielbranchen ein, etwa bei Herstellern aus der Lebensmittel- oder Duftstoffindustrie? Gibt es bereits längerfristige Abnahmeverträge oder Rahmenvereinbarungen?
Sordet: Abgesehen von Kundenfreigaben verfügen wir derzeit über einen Auftragsbestand, der mehr als 4,5 Jahre Umsatz für unser erstes Werk repräsentiert. Dabei handelt es sich um unterzeichnete Verträge, keine bloßen Absichtserklärungen. Unsere Kunden stammen aus unterschiedlichen Branchen und wir verzeichnen in allen Sektoren eine gute Nachfrage. Besonders die Lebensmittel- sowie die Aromen- und Geruchsstoffindustrie weisen eine Gemeinsamkeit auf: In beiden wird großer Wert auf die Natürlichkeit der Produkte gelegt. Unsere Inhaltsstoffe leisten hierzu einen Beitrag – sowohl in ihrer direkten Verwendung als auch in nachgelagerten Produkten, die unsere Moleküle enthalten.
4investors.de: AFYREN hatte 2024 einen Kontrakt mit einem US-Unternehmen aus dem Bereich der Nahrungsergänzungsmittel gemeldet. Sind Ihre Produkte von möglichen US-Zöllen betroffen?
Sordet: Die große Mehrheit der Kunden unseres ersten Werks sitzt in Europa. Kunden in den USA werden entweder über Vertriebspartner oder über Direktverträge bedient – in beiden Fällen ist jedoch davon auszugehen, dass Preiserhöhungen an den Endkunden weitergegeben werden.
4investors.de: Die Partnerschaft mit Südzucker gilt als wichtiger Baustein Ihrer Rohstoffsicherheit. Welche vertraglichen Rahmenbedingungen sichern diese Zusammenarbeit langfristig ab, insbesondere im Hinblick auf Preis- und Mengenrisiken?
Sordet: Durch diesen Vertrag haben wir uns die für unser erstes Werk benötigten Rohstoffe gesichert – zu einem Preis, der nach oben und unten begrenzt ist. Das schafft einen verlässlichen Rahmen.
4investors.de: Wie sehen Sie den Zielkonflikt zwischen dem Anspruch auf Nachhaltigkeit und der Notwendigkeit, für Aktionäre eine attraktive Rentabilität zu erreichen?
Sordet: Ökonomische Leistungsfähigkeit und Nachhaltigkeit stehen keineswegs im Widerspruch zueinander. In der Finanzwelt setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass nachhaltige Projekte der beste Weg sind, um Widerstandsfähigkeit und Stabilität zu gewährleisten.
Die größte Herausforderung liegt im Zeithorizont: Solche Projekte sind als mittelfristige Investitionen zu betrachten und in der Regel nicht für spekulatives Kapital geeignet.
Wir pflegen einen kontinuierlichen Dialog mit unseren Anteilseignern, um sie über unsere Aktivitäten und unsere ESG-Performance auf dem Laufenden zu halten – was auf große Wertschätzung stößt.
4investors.de: Die Bilanz für 2024 zeigt mehr als 33 Millionen Euro Liquidität, aber auch einen klaren Kapitalverbrauch. Wo liegt Ihre interne Schwelle, ab der weitere Finanzierungsschritte geprüft werden müssten?
Sordet: Unser aktueller Barmittelverbrauch wird hauptsächlich durch die Unterstützung unseres Werks sowie unserer zentralen Funktionen (Forschung und Entwicklung, Markteinführung, Projektteams, Verwaltung etc.) bestimmt. Letztere sind angesichts unserer Unternehmensgröße gut organisiert und bleiben über das Jahr hinweg relativ stabil. Der Mittelbedarf für das Werk hängt stark davon ab, wie schnell wir dort den Break-even erreichen. Insgesamt verfügen wir über ausreichende Liquidität, um die Anlaufphase des Werks im Jahr 2025 zu finanzieren.
4investors.de: Ihre Expansion sieht mittelfristig drei Produktionsstandorte mit insgesamt 70.000 Tonnen Kapazität vor. Wie abhängig ist dieses Vorhaben von Fördermitteln, Joint-Ventures oder weiteren Kapitalmaßnahmen?
Sordet: Derzeit betreiben wir einen Produktionsstandort. Unser mittelfristiger Plan sieht den Aufbau von zwei weiteren Werken vor, um eine Gesamtkapazität von 70.000 Tonnen zu erreichen. Wir haben für Werk 2 und 3 bereits zwei Optionen definiert – eine Erweiterung am bestehenden Standort (AFYREN NEOXY) oder ein neuer Standort in Thailand. Eine Priorisierung dieser Optionen steht jedoch noch aus.
Die Finanzierung soll über eine Mischung aus Fremd- und Eigenkapital erfolgen, zudem könnten wir von Fördermitteln profitieren.
4investors.de: Die geplante Anlage in Thailand entsteht in Kooperation mit einem lokalen Zuckerproduzenten. Welche Lehren aus dem europäischen Projekt übertragen Sie auf diesen neuen Standort?
Sordet: Eine zentrale Erkenntnis aus bisherigen Erfahrungen ist, nichts zu überstürzen, da die Anlaufphase eines neuen Industrieprojekts Zeit und Ressourcen erfordert.
Unabhängig davon sind die für zukünftige Projekte entscheidenden Erfolgsfaktoren die Sicherung der Rohstoffversorgung und die gesicherte Abnahme durch Verträge sowie die Optimierung weiterer Rahmenbedingungen wie der Zugang zu Ökostrom oder Finanzierungsmöglichkeiten. Unser Projekt in Thailand erfüllt ganz klar viele dieser Kriterien.
4investors.de: AFYREN betont seine ESG-Strategie, u.?a. durch ein CSR-gebundenes Darlehen. Welche konkreten Nachhaltigkeitskennzahlen entscheiden künftig über die Konditionen solcher Finanzierungen?
Sordet: Der nachhaltigkeitsgebundene Kredit basiert auf drei Kennzahlen und Zielsetzungen: der Verbesserung der Kohlenstoffintensität unseres Moleküls (vermiedene Emissionen pro Tonne), der Reduktion der Mitarbeiterfluktuation in unserem Werk sowie der Verbesserung unseres ECOVADIS-Ratings.
4investors.de: Wie hoch ist aus Ihrer Sicht das Risiko, dass sich biobasierte Carbonsäuren ohne regulatorische CO?-Bepreisung preislich dauerhaft nicht gegen petrochemische Produkte behaupten können?
Sordet: Nach mehreren Entwicklungszyklen sind wir überzeugt, dass AFYREN über ein nachhaltiges Geschäftsmodell verfügt – selbst bei sinkenden Preisen für vergleichbare petrochemische Moleküle. Unsere Businesspläne und Prognosen orientieren sich an den Preisen für petrochemische Produkte, da wir davon ausgehen, dass ein Aufpreis für biobasierte Produkte nicht vorausgesetzt werden kann. Zur Beantwortung Ihrer Frage: Eine regulatorische CO?-Bepreisung stellt für uns zwar eine attraktive Zusatzchance dar, unser Ziel ist es jedoch, unseren Kunden auch ohne eine solche wettbewerbsfähige Lösungen anzubieten.
4investors.de: Was würden Sie Investoren antworten, die derzeit noch zögern, weil AFYREN bisher keinen positiven Cashflow generiert und auf wenige Abnehmer konzentriert ist?
Sordet: Auf Kundenseite sehen wir uns bereits gut positioniert, da wir beobachten, dass viele Greentech-Unternehmen Schwierigkeiten haben, verbindliche Abnahmeverträge zu sichern. Wir hingegen haben bereits Verträge im Umfang von 165 Millionen Euro abgeschlossen, was uns in eine sehr gute Ausgangsposition versetzt. Angesichts unserer im Vergleich zur Marktgröße begrenzten Produktionskapazitäten können wir bei der Kundenauswahl sogar selektiv vorgehen.
Wir gehen davon aus, dass sich unsere Finanzkennzahlen schnell verbessern werden, sobald das Werk AFYREN NEOXY den Break-even erreicht, und wir sind auf dem besten Weg, in naher Zukunft weitere profitable Anlagen zu bauen.