Smartbroker Holding: „Ziel bei den Neukunden kann übertroffen werden“

Der Kurs der Smartbroker Holding, die manch ein Investor noch als wallstreet:online kennt, hat sich zuletzt gut entwickelt. Die Aktie legte in den vergangenen sechs Monaten rund 75 Prozent zu. Dies hängt auch mit der Weiterentwicklung des Brokers Smartbroker+ zusammen. Im Exklusivinterview mit unserer Redaktion erläutert Smartbroker-CEO und Gründer Andre Kolbinger die Vorteile seines Produkts. Er spricht über die Wachstumsstrategie der Berliner und geht auf den Kryptohandel ein. Themen des Interviews sind auch die Forderung von Aktionären, anstehende Innovationen sowie die kommenden Veränderungen im Brokerage-Geschäft. Explizit geht Kolbinger auf die aktuelle Bewertung der Smartbroker-Aktie ein – und hat dazu eine sehr deutliche Meinung.
4investors.de: Wie läuft es in diesem Jahr bisher mit der Gewinnung von Neukunden?
Kolbinger: Mit den ersten Monaten sind wir sehr zufrieden. Wir sind auf einem sehr guten Weg, unser gestecktes Neukundenziel von 70.000 Kunden nicht nur zu erreichen, sondern auch zu übertreffen.
4investors.de: 70.000 Neukunden wollen sie in diesem Jahr gewinnen. Wie viele sollen es 2026 werden?
Kolbinger: Die Zahl der Neukunden soll im kommenden Jahr deutlich steigen. Derzeit ist es aber noch etwas zu früh, das genauer zu planen. Hier werden wir zu einem späteren Zeitpunkt genauere Details liefern können.
4investors.de: Sie fokussieren sich in den kommenden Jahren stark auf das Brokerage-Geschäft. Welche Kunden wollen sie erreichen?
Kolbinger: Wir richten unser Produkt so aus, dass es für aktive Investoren und Trader das beste Produkt am Markt ist. Unter aktiven Investoren verstehen wir solche Anleger, die mehr als 20 Trades pro Jahr tätigen. Unter Trader verstehen wir Anleger, die mehr als 200 Trades pro Jahr tätigen.
Unser Produkt richtet sich damit an eine sehr breite Zielgruppe. Solche Anleger, die nur einmal einen Sparplan einrichten und nicht mehr machen wollen, gehören nicht zu unserer Zielgruppe.
4investors.de: An welchen Produktneuheiten arbeiten sie, die 2025 noch kommen werden?
Kolbinger: Sie verstehen, dass wir hier noch ein wenig schweigsam sind und momentan nicht ins Detail gehen wollen. Wir arbeiten aber daran, dass wir in den kommenden Jahren einige USPs entwickeln werden.
4investors.de: Sind die Kinderkrankheiten der Broker-App inzwischen beseitigt?
Kolbinger: Wir hatten beim Start der App im August 2023 die Situation, dass wir natürlich nicht alle Funktionen und Handelsplätze verfügbar hatten. Das war der Kürze der Zeit geschuldet, da wir erst im Januar 2023 angefangen hatten, das Produkt zu entwickeln und bis Oktober 2023 den Umzug von der DAB Bank zum neuen Produkt erledigen mussten. Wir hatten also eine wichtige Deadline, die wir einhalten mussten.
Seitdem haben wir das Produkt in vielerlei Hinsicht weiterentwickelt. Der Produktumfang, den wir heute bieten, ist deutlich größer als vorher in der Zusammenarbeit mit der DAB. Noch fehlen aber einige Funktionen, die wir uns wünschen. So haben wir noch keine Firmenkonten, Juniorkonten, Gemeinschaftskonten und Vollmachten-Funktionen.
4investors.de: Auf einer Präsentation bei der Münchner Kapitalmarkt Konferenz sagten sie, dass sie viele Funktionen für „heavy trader“ anbieten. Warum sollte sich diese sehr spezielle Kundengruppe für den Smartbroker+ entscheiden?
Kolbinger: Das ist sehr einfach, weil wir dafür das mit Abstand preiswerteste Produkt (Werbung) haben. Wir haben alle Handelsmöglichkeiten und Handelsplätze eines klassischen Brokers. Diese nehmen dafür jedoch pro Order zwischen 5,90 Euro bis hin zu teils 30 Euro. Bei uns kostet eine Order am Handelsplatz gettex 0 Euro bzw. wenn das Ordervolumen unter 500 Euro liegt, dann kostet sie 1 Euro. Mehr nicht.
Eine Order via Tradegate, L&S oder eine Parkettbörsenorder kostet bei uns 4 Euro Flat, also inklusive aller Teilausführungen und für jedes beliebige Ordervolumen. Bei Xetra kostet es 4 Euro plus die Börsen-Xetra-Gebühr.
Derivate Orders der Emittenten UBS, Morgen Stanley, Vontobel und demnächst JP Morgen kosten dauerhaft 0 Euro, wenn das Volumen über 500 Euro liegt.
Je aktiver ein Investor ist, desto mehr weiß er, dass ein Broker mit „nur einem Handelsplatz“ oder auch „nur zwei Handelsplätzen“ ihn netto eher Geld kostet. Es gibt viele Situationen, wo man die Liquidität und Auswahl mehrerer Handelsplätze benötigt.
Darüber hinaus haben wir Währungskonten und einen digitalen Lombardkredit bis 100.000 Euro.
4investors.de: Einige Mitbewerber bieten inzwischen auch Konten und Kreditkarten an. Wird das auch ihr Weg der Zukunft sein?
Kolbinger: Nein. Diesen Weg werden wir nicht beschreiten.
4investors.de: Wann werden sie mit dem Broker-Geschäft schwarze Zahlen schreiben?
Kolbinger: Wir benötigen eine Kundenzahl von 170.000 Kunden, damit der Smartbroker als Produkt rentabel ist – vor Marketingkosten für Neukunden. Dies gilt bei ca. 25 Trades pro Kunde pro Jahr und bei den aktuellen Zinsen.
Diese Kundenzahl werden wir aller Voraussicht nach noch in diesem Jahr überschreiten.
Unsere Strategie ist es, stark zu wachsen. Der Grund ist recht einfach: Ein Kunde kostet uns aktuell im Marketing etwa 120 Euro. Nach etwas weniger als 2 Jahren haben wir dieses Geld „zurückverdient“.
Die Kündigungsraten im Online Brokerage liegen bei 3 Prozent bis 5 Prozent pro Jahr. Wir verdienen also an den Kunden ab dem dritten Jahr Geld und sie bleiben statistisch gesehen mehr als 15 Jahre.
Das sind Multiplikatoreffekte. Dabei ist nicht einmal eingerechnet, dass viele Kunden im Laufe der Zeit ihre Handelstätigkeit noch intensivieren.
Kurzum: Brokerage ist fast wie ein Abogeschäft. Die Kunden bleiben sehr lange und wir verdienen damit sehr stabil Geld. Dazu muss man zunächst jedoch ein Level erreichen, dass man ein gutes und wettbewerbsfähiges Produkt geschaffen hat. Und das haben wir erreicht!
Wann wir dann nach den Marketingkosten für Neukunden rentabel sind, hängt ganz, ganz wesentlich vom Neukundenwachstum ab.
4investors.de: Sie setzen in den kommenden Jahren auf Wachstum, auch wenn dies Profitabilität kostet. Wie erklären sie dies ihren Aktionären?
Kolbinger: Indem wir den Aktionären aufzeigen, dass ein Kunde 120 Euro kostet, wir an einem Kunden jährlich eine Rohmarge von ca. 70 Euro verdienen und der Kunde dann rein statistisch mehr als 15 Jahre bei uns bleibt. Das ist ein starkes Argument.
Wir haben aber sogar eher Aktionäre, die uns fragen: „Könnt oder wollt ihr nicht stärker und schneller wachsen?“
4investors.de: Von einem Mitbewerber war jüngst zu hören, dass man den Kryptohandel als starken Wachstumsmotor des weiteren Geschäfts sieht. Ist das bei ihnen auch so?
Kolbinger: Der Kryptohandel gehört bei der jüngeren Zielgruppe zu einem Broker schlicht und einfach dazu. Bei allen Neobrokern ist das Standard und man würde an Wettbewerbsfähigkeit verlieren, wenn man es nicht hat.
Die Margen im Kryptohandel sind generell höher als bei Aktien oder ETFs. Da wir allerdings deutlich geringere Spreads als andere Anbieter wie Binance, Bitpanda & Co anbieten, können wir davon keine Werbung im Fußballstadion bezahlen.
Generell beobachten wir bei Kryptos eine extreme Schwankung in der Handelstätigkeit der Kunden. Die Umsätze im April 2025 lagen beispielsweise nur noch bei etwa 20 Prozent der Umsätze im November oder Dezember 2024.
4investors.de: Könnte es am Broker-Markt in Deutschland oder Europa zu weiteren Konsolidierungen kommen, bei denen sie eine Rolle spielen?
Kolbinger: Nein. Wir würden niemals etwas dazu kaufen. Jemand, der das im Brokerage Bereich macht, ist danach zwei Jahre mit der Zusammenlegung der Systeme beschäftigt und kommt damit mit seinem eigentlichen Produkt entsprechend nicht oder langsamer voran.
Wir konzentrieren uns daher voll darauf, unser Produkt noch besser zu machen. Es gibt da einiges an Innovationen zu entwickeln, wie ich schon angedeutet habe.
4investors.de: Bei den Trades liegt der Smartbroker+ derzeit monatlich auf neuen Rekordhöhen. Wird sich dieser Trend fortsetzen?
Kolbinger: Wir arbeiten stark daran. Die ersten Monaten 2025 waren hinsichtlich der Handelsaktivität deutlich höher als geplant. Der April hat sogar nochmals das erste Quartal deutlich übertroffen.
Da wir stark wachsen, denken wir, dass wir von saisonalen Schwankungen abgesehen kontinuierlich die Tradingzahlen und Umsätze steigern können. Die Basis dafür sind das Wachstum der Kundenzahlen und die Ausrichtung des Produktes an den aktiven Anlegern. Diese nutzen das Produkt dadurch im Verlauf der Zeit noch stärker.
4investors.de: Analysten rechnen 2026 mit einem deutlichen Umsatzsprung von mehr als 20 Prozent. Können sie dem zustimmen?
Kolbinger: Dies wäre das Umsatzwachstum, was sich schlicht aus dem Kundenwachstum ableiten würde. Die Annahme ist dabei, dass die Trades pro Kunde im Bereich von 25 Trades p.a. liegen und die Zinsen auf dem aktuellen Niveau. Beides ist jedoch Schwankungen unterworfen. Daher publizieren wir unsere Prognose für 2026 erst im Februar 2026. Dann haben wir eine höhere Visibilität.
4investors.de: Ihr Mitbewerber finanzen.net wurde für 400 Millionen Euro verkauft. Ihre Marktkapitalisierung liegt bei rund 200 Millionen Euro. Sind sie unterbewertet?
Kolbinger: Ein ganz klares „Ja“! Auch der Preis für finanzen.net mit 400 Millionen Euro war und ist zu niedrig.
Was viele Marktteilnehmer nicht einschätzen können bzw. noch nicht sehen, sind die Veränderungen, die in den kommenden Jahren in den Bereichen Banking, Brokerage und Vermögensanlagen kommen werden.
Die etablierten Banken und auch die älteren Online Broker sitzen auf völlig überalterten technischen Systemen, die zudem noch sehr oft von verschiedenen IT Dienstleistern betrieben werden. Mit der Kombination aus diesen Systemen, der verwendeten Software und der Verteilung auf verschiedene externe Anbieter kann man keine modernen Produkte bauen, egal ob für Banking, Brokerage oder Vermögensanlagen.
Die Hoheit über die Technologie, und zwar moderne Technik, moderne Software und modernes Setup der Softwareentwicklung ist der Grund dafür, warum Trade Republic innerhalb weniger Jahre 8 Millionen Kunden aufbauen konnte. Es ist eben nicht „nur“ der Preis.
Dieses Setup haben in Deutschland nur sehr sehr wenige Anbieter. Ich würde dazu allen voran natürlich Trade Republic und Scalable aber auch finanzen.net und uns, den Smartbroker+, zählen.
Die eigentlichen Innovationen werden erst in den kommenden Jahren sichtbar werden. Während sich die meisten klassischen Online Broker noch mit der eher philosophischen Frage befassen, ob sie ihren Kunden den Kryptohandel anbieten sollen oder nicht und während die Marketingstrategie dieser Broker noch darauf beruht, für Neukunden „3,90 Euro Ordergebühren für 1, 2 oder 3 Jahre als Schnupperangebot“ anzubieten, werden von den Neobrokern echte Innovationen entwickelt. Diese sind aber teils noch nicht sichtbar.
4investors.de: Welche Bedeutung haben für sie die Auszeichnungen, die sie für ihren Online-Broker erhalten?
Kolbinger: Diese Auszeichnungen sind eine schöne Bestätigung dafür, das wir bei der Entwicklung von Smartbroker+ vieles richtig gemacht haben und sie erleichtern natürlich auch das Marketing.
Hinweis auf Interessenskonflikt(e): Der / die Autor(in) oder andere Personen aus der 4investors-Redaktion halten unmittelbar Positionen in Finanzinstrumenten / Derivate auf Finanzinstrumente von Unternehmen, die in diesem Beitrag thematisiert werden und deren Kurse durch die Berichterstattung beeinflusst werden könnten: Smartbroker Holding AG.