GFT Technologies: „Wir schließen die KI-Lücke“

In einem großen Exklusivinterview mit unserer Redaktion stellt Marco Santos, der neue Chef von GFT Technologies, seine Pläne für die kommenden Jahre vor. Dabei geht es nicht nur um finanzielle Ziele bis 2029, sondern auch beispielsweise um die Stärkung von Kundenbeziehungen. Santos beschreibt die Wettbewerbsvorteile von GFT und macht deutlich, dass die Nachfrage nach sicheren KI-Lösungen ansteigt. Er verweist dabei auch auf die engen Beziehungen zu verschiedenen Marktführern. So steht GFT u.a. mit AWS, Google Cloud, Microsoft Azure, Salesforce, ServiceNow und NVIDIA in engem Kontakt. Insgesamt ist der CEO sehr zuversichtlich für die Zukunft gestimmt, er sieht ein enormes Potenzial.
4investors.de: GFT hat im Geschäftsjahr 2024 ein Umsatzwachstum von 10 Prozent auf 871 Millionen Euro erzielt, während das bereinigte EBIT um 6 Prozent auf 77 Millionen Euro gestiegen ist. Wie bewerten Sie diese Ergebnisse im Kontext zu den gegenwärtigen Marktbedingungen?
Santos: In einem anspruchsvollen Marktumfeld haben wir unsere Prognose für 2024 erreicht – ein großer Erfolg. Mein persönliches Highlight war die Akquisition von Sophos Solutions im Januar – die größte ihrer Art in der Geschichte von GFT. Die Stärken von Sophos und GFT ergänzen sich hervorragend, und dadurch konnten wir bereits einige neue strategische Kunden und Aufträge gewinnen. Außerdem ist die reibungslose Integration von Sophos in nur einem Jahr ein Meilenstein für unser Team, auf den wir sehr stolz sind.
Obwohl das wirtschaftliche Umfeld nach wie vor herausfordernd ist, haben wir unsere Marktposition weiter ausgebaut. Die steigende Nachfrage nach digitalen Transformationsprojekten und KI-gestützten Lösungen war dabei ein wesentlicher Wachstumstreiber. Das stimmt mich zuversichtlich für die Zukunft.
4investors.de: Sie planen, GFT bis 2029 vollständig KI-zentriert auszurichten. Welche konkreten Schritte unternehmen Sie, um dieses Ziel zu erreichen, und wie wird dies die Unternehmenskultur beeinflussen?
Santos: Wir haben uns viel vorgenommen: Bis zum Jahr 2029 wollen wir GFT konsequent KI-zentriert aufstellen. Dabei geht es uns nicht nur um Technologie. Es geht um eine tiefgreifende Transformation. KI wird in naher Zukunft eine wichtige Rolle im gesamten Softwareentwicklungs-Lebenszyklus, im Software-Engineering, der Technologie-Modernisierung sowie bei der Erstellung digitaler Produkte und Lösungen spielen. Das Ziel ist klar: Wir wollen unsere eigene Wettbewerbsfähigkeit sowie die unserer Kunden stärken.
Dazu wird auch der Einsatz von KI-Agenten gehören, die eigenständig Entscheidungen treffen und Prozesse automatisieren. Um das volle Potenzial dieser Technologie auszuschöpfen, schauen wir uns genau an, welche Abläufe von Menschen erledigt werden müssen und wo KI sinnvoll entlasten kann. Natürlich führt diese Entwicklung zu Veränderungen in den Aufgaben unserer Mitarbeiter. Doch was uns freut: Wir erfahren große Unterstützung für diesen Kurs. Die Aufbruchstimmung ist spürbar.
4investors.de: Welche spezifischen operativen Vorteile erwarten Sie durch die vollständige Integration von KI in Ihre Geschäftsprozesse?
Santos: Die Integration von KI bringt uns im Alltag konkrete Vorteile – wir arbeiten schneller und effizienter. Damit verkürzen wir Projektlaufzeiten erheblich und beschleunigen Markteinführungen. Ein konkretes Beispiel ist unser auf generativer KI basierendes Produkt AI Impact. Es erreicht bereits heute Produktivitätssteigerungen von 50 bis 90 Prozent in der Softwareentwicklung, was ein gewaltiger Fortschritt ist. Das bedeutet für uns und unsere Kunden höhere Renditen. Zudem dient es als technologischer Differentiator: Es hilft uns, neue Projekte und Kunden zu gewinnen.
4investors.de: Wie planen Sie, Ihre Mitarbeiter auf dem Weg zur KI-Zentrierung mitzunehmen? Welche Weiterbildungsmaßnahmen sind vorgesehen?
Santos: Wir müssen uns verändern, um als Unternehmen unsere Führungsposition weiter auszubauen. Für uns ist klar: Veränderung funktioniert nur, wenn alle mitgenommen werden. Manche Unternehmen wollen KI gezielt dazu nutzen, um Personal abzubauen – wir nicht! Wir wollen unser Team von rund 12.000 Mitarbeitenden weiter ausbauen.
Natürlich müssen wir darauf achten, in den richtigen Bereichen zu wachsen. Um das zu erreichen, investieren wir gezielt in Weiterbildung mit maßgeschneiderten Programmen, die KI-Kompetenzen praxisnah vermitteln. Gleichzeitig schaffen wir neue Rollen und Karrierewege im KI-Bereich. So gestalten wir den Wandel aktiv und fördern eine offene Innovationskultur.
4investors.de: Sie erwähnen in einer Pressemitteilung zu den Geschäftszahlen 2024 eine Global-Delivery-Plattform. Was hat es damit auf sich und welche Vorteile versprechen Sie sich davon?
Santos: Mit unserer Global Delivery Platform bieten wir unseren Kunden in aller Welt genau das, was sie heute brauchen: Nähe, Qualität und Effizienz – und das in einer guten Balance. Die Idee dahinter ist simpel: Strategische Beratung und Projektkoordination erfolgen nah am Kunden (Onshore), während Entwicklungsleistungen in unseren Global Delivery Hubs (Nearshore/ Offshore) erfolgen. Das Verhältnis von Onshore- zu Nearshore-/Offshore-Dienstleistungen passen wir individuell an, um den Bedürfnissen unserer Kunden noch besser gerecht zu werden.
4investors.de: Welche Strategien verfolgen Sie, um gezielt Tier-1- und globale Kunden zu gewinnen, und welche Rolle spielt dabei die neue KI-Strategie?
Santos: Wir wollen unsere großen internationalen Kundenbeziehungen weiter ausbauen – vor allem mit Tier-1- und Tier-2-Kunden aus dem Finanz- und Versicherungsbereich sowie der Industrie. Um dies zu erreichen, setzen wir gezielt auf KI, um innovative und maßgeschneiderte Produkte, Lösungen und Services zu entwickeln, die unseren Kunden besonders hohe Mehrwerte bringen.
4investors.de: Ihr Produkt AI Impact integriert generative KI in den Softwareentwicklungsprozess. Welche Resonanz haben Sie bisher von Ihren Kunden erhalten, und welche weiteren Entwicklungen sind geplant?
Santos: Unsere Kunden nehmen AI Impact sehr positiv auf. Schließlich erzielen sie erhebliche Effizienzgewinne. Ein Beispiel: Für eine internationale Tier-1 Investmentbank sollten wir alten Programmcode dokumentieren. Das ist eine Tätigkeit, die kein Entwickler gerne macht. Daher ist die Dokumentation oft lückenhaft. Das führt zu Problemen, beispielsweise wenn sich neue Mitarbeiter in bestehende Systeme einarbeiten müssen. Mit herkömmlichen Methoden hätte dieses Projekt rund 160 Arbeitsstunden gedauert. Mit AI Impact haben wir den Aufwand auf acht Stunden reduziert – und das schließt die abschließende Verifikation durch unsere Experten schon mit ein. Das ist der einzige Teil im Prozess, den wir noch manuell ausführen, weil für uns die Qualitätskontrolle essenziell ist.
Im letzten Jahr haben wir 23 neue Kunden für AI Impact gewonnen und 315 neue Lizenzen verkauft. Und wir sind noch nicht am Ziel: Wir entwickeln AI Impact weiter und integrieren neue Funktionen. Wir planen zudem Unternehmenslizenzen einzuführen, um die Lösung noch breiter nutzbar zu machen und besser zu skalieren.
4investors.de: Sie streben bis 2029 einen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro und eine bereinigte EBIT-Marge von 9,5 Prozent an. Welche Meilensteine haben Sie definiert, um diese Ziele zu erreichen?
Santos: Unser Wachstum basiert auf zwei Säulen – der konsequenten KI-Transformation und der Skalierung unserer Dienstleistungen. Wir investieren gezielt in Automatisierung und operative Effizienz, um nachhaltig profitabel zu wachsen. Dabei setzen wir verstärkt auf Angebote mit höherer Wertschöpfung. Dazu gehören neue Funktionen für AI Impact sowie ISV-bezogene Angebote. Dies umfasst auch Partnerschaften mit Unternehmen wie Salesforce, Amazon Web Services (AWS), Google Cloud, ServiceNow, Thought Machine und Mambu. Und nicht zuletzt: Wir bauen unsere Tier-1-Kundenbasis weiter aus, um langfristiges Wachstum zu sichern.
4investors.de: Sie erwähnen, dass die strategischen Initiativen kurzfristig die Ergebnisse beeinflussen könnten, aber ab 2026 eine Verbesserung der Rentabilität erwartet wird. Können Sie diese Erwartungen näher erläutern?
Santos: Um die Transformation von GFT erfolgreich voranzutreiben, brauchen wir beides: Investitionen und gezielte Effizienzmaßnahmen. Das wird sich im Ergebnis für 2025 bemerkbar machen. Ab 2026 erwarten wir Effizienzgewinne und Skalierungseffekte, insbesondere durch den verstärkten Einsatz von KI. Zudem rechnen wir mit höheren Einnahmen durch unsere KI-zentrierten Services, Lösungen und Produkte. So werden wir im Rahmen unserer neuen Fünf-Jahresstrategie mittelfristig profitabler wachsen.
4investors.de: Inwieweit planen Sie, durch gezielte Akquisitionen Ihre Marktposition zu stärken, und welche Kriterien sind dabei entscheidend?
Santos: Wir sehen M&A als strategisches Instrument, um unser Angebot gezielt zu erweitern. Wir wollen technologisches Know-how erwerben und dessen Potenzial für unsere Vertriebs- und Marktkanäle nutzen. Wir suchen nach Unternehmen, die unsere Kompetenzen ergänzen oder uns neue Kunden- und Marktzugänge ermöglichen – im Idealfall natürlich beides. Unser Fokus liegt darauf, nachhaltiges Wachstum zu generieren und unser Portfolio sinnvoll zu ergänzen.
4investors.de: Wie sehen Sie die Entwicklung der Nachfrage nach KI-Lösungen in Ihren Hauptbranchen wie Banken, Versicherungen und Industrie?
Santos: Das Potenzial von KI ist enorm – und zwar in allen unseren Kernbranchen. Im Kundenservice kann KI zum Beispiel dabei helfen, die Kosten zu senken und gleichzeitig die Kundenzufriedenheit zu erhöhen. Banken und Versicherungen nutzen KI bereits verstärkt zur Betrugsprävention und zur Risikobewertung, etwa bei Schadens- oder Kreditrisiken. In der Industrie sehen wir zusätzlich zur Verschlankung administrativer Prozesse einen starken Fokus auf Predictive Maintenance, visuelle Qualitätskontrolle und smarte Produktionsprozesse. Wir merken: Die Nachfrage nach sicheren, transparenten und vertrauenswürdigen KI-Lösungen steigt. Unsere langjährige Erfahrung bei Regulierungs- und Datenschutzanforderungen ist für diese Unternehmen sehr wichtig. Das bietet uns wichtige Wettbewerbsvorteile.
4investors.de: Wie differenziert sich GFT von anderen Unternehmen, die ebenfalls auf KI setzen, und welche Alleinstellungsmerkmale (USPs) bieten Sie Ihren Kunden?
Santos: Die Kluft zwischen den Versprechungen von KI und den realisierten Ergebnissen ist oft gewaltig - ich nenne das die KI-Lücke. Vielen Anbietern fehlt die technologische oder die Branchenexpertise, die notwendig ist, damit Unternehmen echten Nutzen daraus ziehen können. Wir haben diese Expertise und schließen die KI-Lücke. Wir erzielen bereits heute beeindruckende Ergebnisse – wie erwähnt mit AI Impact, aber auch mit anderen Lösungen für andere Bereiche. Unsere maßgeschneiderten, skalierbaren KI-Plattformen sind optimal auf die hohen Standards unserer Kunden abgestimmt. Wir ergänzen dies durch starke Partnerschaften mit führenden Cloud- und KI-Anbietern, um unseren Kunden stets die besten Lösungen zu bieten. Das macht uns zu einem der wenigen Unternehmen, die KI nicht nur als Buzzword nutzen, sondern tatsächlich unter realen Bedingungen Mehrwert schaffen.
4investors.de: Planen Sie, Partnerschaften mit anderen Technologieanbietern oder Forschungseinrichtungen einzugehen, um Ihre KI-Kompetenzen zu erweitern?
Santos: Ja, absolut. Wir arbeiten bereits eng mit führenden Technologieanbietern wie AWS, Google Cloud, Microsoft Azure, Salesforce, ServiceNow und NVIDIA zusammen und kooperieren mit Universitäten und Forschungseinrichtungen im Bereich KI und maschinelles Lernen. Darüber hinaus engagieren wir uns in regulatorischen und ethischen KI-Initiativen und bauen unser Netzwerk mit Branchenverbänden und Innovationszentren aus.
4investors.de: Verändert sich mit dem neuen Kurs der USA in Ihrer Branche die Konkurrenzsituation, ganz besonders was KI angeht, und kann GFT hier eventuell profitieren?
Santos: Die USA sind klar ein Treiber in der globalen KI-Entwicklung – und wir erwarten, dass die führenden US-amerikanischen Unternehmen auch weiterhin den Takt vorgeben. Das ist auch für uns von Vorteil, da wir sehr enge Beziehungen zu den Marktführern pflegen. Daraus können sich für uns neue Chancen für ergeben, insbesondere durch die verstärkte Nachfrage nach vertrauenswürdigen und sicheren KI-Lösungen.
Klar ist aber, dass in Zeiten großer Unsicherheit und Veränderung Effizienz und Agilität wichtiger sind denn je. GFT setzt deshalb auf eine flexible, KI-zentrierte Organisation, um schneller auf Wandel zu reagieren. Wir prüfen alle Prozesse, Services und Produkte konsequent: Wir müssen KI integrieren, wo sie Mehrwert schafft, überholte Strukturen und Prozesse müssen wir ersetzen und neue Potenziale nutzen. Wenn wir jetzt entschlossen handeln, können wir für uns und unsere Kunden klare Wettbewerbsvorteile sichern.
4investors.de: Welche Folgen erwarten Sie bei der Nachfrage aus Ihren verschiedenen Kundenbranchen?
Santos: Das hängt natürlich stark davon ab, wie sich die Wirtschaft insgesamt entwickelt und welche regulatorischen Vorgaben dazukommen. Aber was wir sehen: Die Nachfrage nach KI-getriebenen Lösungen wächst branchenübergreifend. Viele Unternehmen investieren verstärkt in Automatisierung und datengetriebene Entscheidungsfindung, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Dieser Trend wird sich vermutlich beschleunigen – einfach, weil der Druck, effizienter und smarter zu arbeiten, überall spürbar ist.
4investors.de: Wo sehen Sie GFT in einigen Jahren, nachdem die Fünf-Jahres-Strategie umgesetzt wurde? Welche weiteren Visionen haben Sie für das Unternehmen?
Santos: Unser Ziel bis 2029: Wir wollen als führender Anbieter von KI-zentrierten Softwarelösungen wahrgenommen werden – als Technologie-„Powerhouse“, das bei digitalen Dienstleistungen und Lösungen Maßstäbe setzt. Wir werden unsere globale Präsenz weiter ausbauen und unsere Marktführerschaft in unseren Schlüsselbranchen festigen. Die Weiterentwicklung eigener KI-Plattformen und Services wird dabei ebenso eine zentrale Rolle spielen, wie unser Fokus auf ein nachhaltiges, profitables Wachstum durch technologische Exzellenz und Innovationsführerschaft. Wir sind überzeugt: Die kommenden Jahre bieten enormes Potenzial – und wir sind bereit, es gemeinsam mit unseren Kunden und Partnern voll auszuschöpfen.
4investors.de: Vor einigen Tagen hat GFT bekanntgegeben, eigene Aktien im Wert von 15 Millionen Euro zurückzukaufen. Was hat Sie zu dieser Entscheidung bewogen?
Santos: Mit dem Aktienrückkauf unterstreichen wir unser Vertrauen in unsere Fünf-Jahres-Strategie. Wir sehen darin eine Chance, die aktuell niedrige Marktbewertung zu nutzen und signalisieren klar: Wir werden GFT zu einem vollständig KI-zentrierten Unternehmen machen und unser profitables Wachstum langfristig vorantreiben.
Hinweis auf Interessenskonflikt(e): Der / die Autor(in) oder andere Personen aus der 4investors-Redaktion halten unmittelbar Positionen in Finanzinstrumenten / Derivate auf Finanzinstrumente von Unternehmen, die in diesem Beitrag thematisiert werden und deren Kurse durch die Berichterstattung beeinflusst werden könnten: GFT Technologies.