INDUS: „Die Zeit für Zukäufe ist gerade günstig“

Vor wenigen Tagen hat INDUS die neu formulierte Wachstumsstrategie EMPOWERING MITTELSTAND vorgestellt. Im Exklusivinterview mit unserer Redaktion erläutert INDUS-Chef Johannes Schmidt, was es damit auf sich hat. Er spricht über Wachstumstreiber und über Expansionspläne von INDUS. Wachsen will das Unternehmen aus Bergisch Gladbach auch über Zukäufe, hier ist die Pipeline derzeit sehr interessant. Schmidt sieht aktuell einen Käufermarkt. Behandelt werden im Interview mit dem Vorstand auch die Trends der Zukunft. Nicht fehlen darf dabei das Infrastrukturprogramm der kommenden Regierung.
4investors.de: Sie wollen bis 2030 rund 500 Millionen Euro in Unternehmenszukäufe investieren. Eine Kapitalerhöhung schließen sie aus. Woher kommt das Geld für diese Akquisitionen, werden sie neue Verbindlichkeiten eingehen?
Schmidt: Mit unserer Wachstumsstrategie EMPOWERING MITTELSTAND planen wir, bis 2030 anorganisch und organisch deutlich zuzulegen. Das Kapital dafür haben wir. Unser Wachstumsmodell zeigt, dass wir diese Expansion aus unserem Cashflow und durch zusätzliches Fremdkapital finanzieren können – ohne Kapitalerhöhungen. Dabei werden wir unsere finanziellen Leitplanken einhalten: Die Entschuldungsdauer, also die Nettoverschuldung durch EBITDA, wird wie gewohnt unter 2,5 und unsere Eigenkapitalquote im Konzern über 40 Prozent liegen. Damit bewegen wir uns weiter im Bereich eines Investment Grade Ratings.
4investors.de: Mit den Akquisitionen wollen sie einen Umsatz in Höhe von mindestens 600 Millionen Euro zukaufen. Ziel ist es, einen Gesamtumsatz von rund 3 Milliarden Euro zu schaffen. Somit muss der Umsatz im aktuellen Portfolio ebenfalls um rund 600 Millionen Euro ansteigen. Das gibt ihr derzeitiges Portfolio her?!
Schmidt: Wir haben in den letzten Jahren unsere Hausaufgaben gemacht und unser Portfolio neu aufgestellt. Mit dem Rückzug aus der automobilen Serienzulieferung und dem neu eingeführten Segmentmanagement haben wir die Voraussetzungen geschaffen, um jetzt Chancen zu nutzen und stärker zu wachsen. Darüber hinaus sind es neben den geplanten Akquisitionen vor allem die Treiber Technologie und Internationalisierung. Kurz gesagt: Wir stärken die INDUS-Beteiligungen über passende Ergänzungsakquisitionen weltweit, bauen unsere internationale Präsenz über neue eigene Standorte im Ausland aus und entwickeln unsere Technologiekompetenz weiter. Zum Beispiel über die neu gebildeten Technologiefelder in jedem Segment, die die Stärken der Beteiligungen bündeln und gezielt Synergien nutzen, oder über die Implementierung von neuen digitalen Geschäftsmodellen und KI-Anwendungen.
4investors.de: Ihre Ausschüttungsquote liegt derzeit bei rund 40 Prozent. Bleibt es auch in den kommenden Jahren bei dieser Höhe? Oder wird die Quote aufgrund der Zukäufe künftig geringer ausfallen?
Schmidt: Wir werden unsere Aktionäre auch zukünftig mit einer regelmäßigen Dividendenausschüttung an unserem Geschäftserfolg beteiligen. Unsere Dividendenpolitik sieht auch zukünftig vor, mindestens die Hälfte der Gewinne zu thesaurieren, um die Unternehmen über Investitionen weiter zu stärken, und bis zu 50 Prozent der Gewinne auszuschütten.
4investors.de: Sie haben in den vergangenen zwölf Monaten 2 Millionen INDUS-Aktien zurückgekauft. Werden sie auch künftig auf Aktienrückkäufe setzen?
Schmidt: Unsere geplanten Aktienrückkaufprogramme, über die unseren Aktionären seit Anfang 2024 knapp 45 Millionen Euro zugeflossen sind, konnten wir erfolgreich abschließen. Wir planen aktuell keine weiteren Aktienrückkaufprogramme.
4investors.de: INDUS hält derzeit 3,5 Prozent an eigenen Aktien. Werden diese nur als Akquisitionswährung genutzt oder könnten diese auch, wie zuletzt vor wenigen Wochen mit 1,1 Millionen Aktien geschehen, eingezogen werden?
Schmidt: Es kommt immer wieder vor, dass Eigentümer einen Teil des Kaufpreises in INDUS-Aktien ausgezahlt haben wollen. Entsprechend möchten wir die eigenen Aktien als Akquisitionswährung nutzen können, um so mehr Flexibilität beim Zukauf neuer, spannender Unternehmen zu haben.
4investors.de: Sollten einzelne Segmentunternehmen ihre Wachstums- oder Profitabilitätserwartungen mittelfristig nicht erfüllen, wollen sie diese verkaufen. Welchen Zeitraum geben sie den Unternehmen, um auf Linie zu kommen?
Schmidt: Unser Geschäftsmodell ist auf „buy & grow“ ausgerichtet, das heißt der Verkauf eines Unternehmens ist nicht strategisches Element zur Wertgenerierung. Im Gegenteil: Die segmentverantwortlichen Vorstandsmitglieder entwickeln die Segmentunternehmen aktiv weiter und schaffen so Wachstumspotenziale. Dazu gehört aber auch: Segmentunternehmen, die mittelfristig unsere Wachstumserwartungen nicht erfüllen, werden wir desinvestieren. Diese Entscheidung wird immer individuell getroffen. Entscheidend ist, ob wir an das Geschäftsmodell und an eine Wachstumsperspektive unter dem Dach von INDUS glauben.
4investors.de: Sie wollen expandieren und haben dabei auch Nordamerika im Blick. Wie sehr beeinflusst die aktuelle US-Politik diesen Plan?
Schmidt: Natürlich haben wir die allgemeinen protektionistischen Tendenzen, und hier sprechen wir ja nicht nur von den USA, im Blick. INDUS verfolgt aber seit Jahren schon eine Local-for-Local-Strategie bei der Internationalisierung. Hier haben wir eine mögliche weitere Entkopplung der Wirtschaftsblöcke also schon vorgedacht. Unser geplante Expansion in Nordamerika richtet sich an den Wachstumspotenzialen aus: Wir glauben an den amerikanischen Markt. Wir sind heute schon mit 13 Standorten vor Ort präsent und machen rund 185 Millionen Euro unseres Umsatzes in den USA. Und wenn es zur besagten Reindustrialisierung kommt, werden starke Zulieferer vor Ort dort sicher noch mehr gebraucht.
4investors.de: Derzeit generieren sie 52 Prozent des Umsatzes im Ausland. Wo soll dieser Anteil 2030 stehen?
Schmidt: Unser Umsatz, der im Ausland generiert wird, soll bis 2030 deutlich steigen. Da wir auch Wachstum im Inland vorsehen, ist hier kein sprunghafter Anstieg des Auslandsanteils geplant. Unser Wachstum im Ausland wird aber stärker als das inländische Wachstum sein.
4investors.de: Wie sieht derzeit ihre Kaufpipeline aus?
Schmidt: Die Zeit für Zukäufe ist gerade günstig. In Deutschland, aber auch in ganz Europa, steigt die Anzahl an Familienunternehmen, die ihre Nachfolge nicht innerhalb der Familie besetzen können und sich so nach externen Lösungen umschauen. Gerade für Familienunternehmer, die ihr Lebenswerk erhalten wollen, ist eine langfristige Perspektive, wie INDUS sie bietet, natürlich besonders interessant. Unsere Pipeline ist also gut gefüllt.
4investors.de: Und wie steht es um die Akquisitionspreise? Kann man aktuell günstig einkaufen?
Schmidt: Nach einer Phase, in der die Preisvorstellungen der Verkäufer doch zum Teil deutlich von den realwirtschaftlich zu erzielenden Ergebnissen abwichen, sehen wir jetzt wieder stärker einen Käufermarkt. Was aber nicht an schlechteren Zukunftsperspektiven der Unternehmen, sondern auch an den aktuell niedrigeren Zinsen liegt.
4investors.de: Zehn Analystenhäuser covern INDUS. Ist das für ein Unternehmen ihrer Größe nicht etwas übertrieben?
Schmidt: Prinzipiell trägt eine Vielzahl von Analysten aus unserer Sicht zu einem repräsentativen Konsensus bei und verbessert so die Transparenz für unsere Aktionäre. Wir freuen uns über das Interesse der Research-Häuser.
4investors.de: Ihre drei Segmente (Engineering, Infrastructure und Materials Solutions) tragen ungefähr in gleichem Maße zum Umsatz und zum Ergebnis bei. Wird dies auch künftig so sein oder wird ein Sektor stärker werden?
Schmidt: Wir glaube an das Wachstumspotenzial in allen drei Segmenten. Natürlich können sich gerade über Akquisitionen in einzelnen Jahren Verschiebungen zwischen den Segmenten ergeben. Sportlich gesehen müssen dann eben die anderen beiden Segmente nachziehen. Auf mittelfristige Sicht sehen wir ein gleichmäßiges Wachstum in unseren drei Segmenten.
4investors.de: Nicht jeder Investor sieht gerne, dass man sich auf einen bereinigten Wert fokussiert. Warum stellen sie dennoch künftig das bereinigte EBITA in den Fokus?
Schmidt: Die Kennzahl des adjusted EBITA haben wir bereits in den letzten Jahren berichtet, sie ist an sich also nicht neu, ersetzt nun aber das EBIT als zentrale Steuerungsgröße in unserer Rechnungslegung. Uns ist es wichtig, unseren Erfolg an der operativen Kernleistung unserer Gruppe messen zu lassen, der am Ende den Cashflow generiert. Diesen Blick macht das adjusted EBITA frei, indem es den Einfluss von Wertminderungen und von Abschreibungen, die aus der Kaufpreisallokation resultieren, eliminiert.
4investors.de: Wo sehen sie für INDUS die besonderen Trends der Zukunft?
Schmidt: Die für unsere Gruppe relevanten Wachstumsfelder spiegeln sich gut in den neu gebildeten Technologiefeldern wider. Im Segment Engineering wollen wir unsere Unternehmen zum Beispiel in den Bereichen Automation & Assembly Technology, Flow Technology oder auch Measuring & Surveillance Technology weiterentwickeln. Über alle Segmente hinweg treiben wir außerdem wie gesagt natürlich die Digitalisierung voran – über KI-Anwendungen bis hin zu neuen digitalen Geschäftsmodellen wie zum Beispiel Pay-per-Use-Lösungen.
4investors.de: Werden sie von den Infrastruktur- und Verteidigungsprogrammen der kommenden Bundesregierung profitieren?
Schmidt: Wir nehmen heute schon wahr, dass das Regierungspaket die Stimmung positiv beeinflusst – und Aufbruchsstimmung hilft natürlich immer. Wir erwarten, dass das INDUS-Portfolio, insbesondere das Segment Infrastructure, von den geplanten Investitionen profitieren wird. Etwa beim Bau neuer Brücken, der Sanierung öffentlicher Gebäude oder dem Ausbau der Infrastrukturnetze. Auch Zweitrundeneffekte durch eine erhöhte Nachfrage nach Maschinen und Ausrüstungsgütern dürften uns zugute kommen. Konkrete Effekte dürften aber erst im Jahr 2026 sichtbar werden. Jetzt wird es darauf ankommen, dass es den Regierungen auf Bundes-, Landes und kommunaler Ebene gelingt, das viele Geld schnell in konkrete Projekte fließen zu lassen.