ZEW-Umfrage: Unsicherheit lastet auf Konjunkturausblick - Nord LB

Heute Vormittag hat das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) aktuelle Ergebnisse seiner monatlichen Umfrage unter Finanzmarktexperten veröffentlicht. Demnach haben sich die Konjunkturerwartungen für Deutschland auf 10,4 Saldenpunkte spürbar eingetrübt. Die aktuelle Situation wird weiterhin als sehr schlecht beurteilt, auch wenn die Lagekomponente leicht auf -90,8 Punkte zulegte. Die heutigen Daten liegen damit insgesamt etwas unter den Erwartungen der zuvor befragten Volkswirte.
Noch stärker eingebrochen sind die Konjunkturerwartungen für China (-13,1 auf 13,9 Saldenpunkte). Die Konjunkturperspektiven für den Euroraum (18,0) sowie für die USA (9,0) blieben hingegen annähernd unverändert. Zudem setzen diese Erwartungen auf einer im Fall der Eurozone (-53,8) etwas besseren und bei den USA völlig anderen Einschätzung des aktuellen Aufsatzpunktes auf. Die Lageeinschätzung für die USA fällt mit 40,1 Saldenpunkten noch einmal erheblich positiver als im Vormonat aus.
Die Ursachen für die recht heterogene Beurteilung der Konjunkturperspektiven der großen Wirtschaftsräume liegen auf der Hand. Mit der Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus hat sich gerade für Deutschland und China die wirtschaftspolitische Unsicherheit nochmals deutlich erhöht. Zwar werden erst jetzt nach der Inauguration von Donald Trump allmählich die ersten Konturen der neuen US-Politik sichtbar und konkret. Die Sorgen vor Belastungen insbesondere durch die neue US-Handelspolitik sind vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus Trumps erster Amtszeit und den verbalen Attacken vor und nach den US-Wahlen groß. Auch in anderen Politikfeldern wie der internationalen Klimapolitik, der Außen- und Sicherheitspolitik können neue Belastungen auf Europa und speziell Deutschland zukommen.
Die Inflationserwartungen haben im Euroraum und in den USA moderat angezogen, was den zuletzt etwas höheren Inflationsraten geschuldet sein dürfte. Während im Euroraum jedoch der Saldo weiterhin negativ ist und somit überwiegend ein Nachlassen des Preisdrucks erwartet wird, liegt der Saldo für die USA inzwischen mit 24,5 Punkten klar im positiven Bereich. Auch an den Finanzmärkten wurde zuletzt zunehmend skeptisch auf mögliche Folgen der wirtschafts- und finanzpolitischen Agenda von Trump geblickt. Die Fed hatte denn auch im Dezember anders als die EZB zu einer hawkisheren Kommunikation umgeschwenkt. Entsprechend erfuhren die kurzfristigen Zinserwartungen für die USA in der ZEW-Umfrage die stärkste Aufwärtskorrektur, wenngleich per Saldo auch hier noch eine weitere Lockerung erwartet wird. Die EZB wird ihr Lockerungstempo vorerst beibehalten.
Die hohe Ungewissheit lastet auf dem Konjunkturausblick. Insofern wäre eine schnelle Klärung offener Punkte mit der Trump-Administration hilfreich, selbst wenn im Ergebnis moderate Zusatzlasten stünden. In einer Zeit, in der Europa geeint volle politische Handlungsfähigkeit demonstrieren müsste, sind jedoch viele europäische Staaten derzeit vor allem mit sich selbst beschäftigt. Die Wirtschaftsperspektiven hängen derzeit in einem fast ungekannten Ausmaß von den weiteren politischen Entwicklungen ab.
Fazit: Die Konjunkturstimmung für Deutschland bleibt auch zu Beginn des Jahres 2025 trist. Die ZEW-Erwartungen haben sich spürbar eingetrübt, während die aktuelle Lage weiterhin als schlecht eingestuft wird. Die extrem hohe politische Unsicherheit bleibt dominant, insbesondere durch den politischen Wechsel zum neuen US-Präsidenten Donald Trump. Sorgen vor einer neuen protektionistischen Welle belasten vor allem den Ausblick für Deutschland und China. Aber auch die Wirtschafts- und Finanzpolitik wird offenbar wie an den Finanzmärkten zunehmend skeptisch beurteilt, zumindest mit Blick auf die Inflation. Die Finanzexperten haben daher ihre Erwartungen an weitere US-Zinssenkungen deutlich zurückgeschraubt, sehen die Fed aber noch auf Lockerungskurs. Die EZB wird hingegen im aktuellen Umfeld großer Unsicherheit und Konjunkturrisiken und vorerst ihr Lockerungstempo beibehalten. Die wirtschaftlichen Aussichten hängen derzeit in einem fast ungekannten Ausmaß von den weiteren politischen Entwicklungen ab.