Börse am Morgen: Agravis, Tennet, Konjunkturdaten - Nord LB

Immer mehr Unternehmen in Deutschland werden aufgrund von ausbleibenden Aufträgen und steigenden Kosten zur Geschäftsaufgabe gezwungen. Im Vergleich zum Jahr 2023 erhöhten sich 2024 die Regelinsolvenzen um 16,8% (Quelle: Statistisches Bundesamt). Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) bringt es auf den Punkt. Grund ist der DIHK zufolge eine toxische Mischung aus hohen Kosten für Energie und Fachkräfte, Belastungen durch Bürokratie und Steuern sowie Nachfrageausfälle. Für das Jahr 2025 sieht es nicht gut aus. Die DIHK erwartet mehr als 20.000 Firmenpleiten. Neun von zehn Unternehmen gehen einer Umfrage zufolge von stagnierenden oder schlechteren Geschäften aus, besonders im Baugewerbe, der Gastronomie und im Kraftfahrzeugbau tobt die Krise. Kritische Töne anderer Natur kommen vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Das IWH sieht den Grund der Insolvenzen nur zum Teil bei der Konjunktur und den Kostensteigerungen bei Energie und Löhnen. Steffen Müller (IWH-Insolvenzforschung): „Jahrelang extrem niedrige Zinsen haben Insolvenzen verhindert, und während der Pandemie sind Insolvenzen aufgrund von Subventionen wie zum Beispiel dem Kurzarbeitergeld ausgefallen … der Zinsanstieg und der Wegfall der Subventionen haben ab 2022 Nachholeffekte bei Insolvenzen ausgelöst.“
Welche Auswirkungen haben Insolvenzen auf die Kreditbücher der Banken und deren Risikovorsorge? Laut einem Bloomberg Bericht erwägt die EZB bei der Vorhersage künftiger Kreditausfälle in den Risikomodellen von Banken Daten aus den Jahren 2008 - 2018 einzufordern. Warum? Ältere Daten würden höchstwahrscheinlich zu pessimistischeren Ausfallprognosen führen, da ein Großteil des europ. Bankensektors seit 2008 mehrere, schwere Krisen überstehen mußte. Entsprechend könnte diese Anforderung sogar Auswirkungen auf die regul. Eigenkapitalquoten haben. Eine offizielle EZB-Stellungnahme blieb bisher aus.
Erfreuliche Töne hingegen aus der größten Volkswirtschaft der Welt. In der US-Wirtschaft sind im Dezember 2024 256.000 neue Stellen entstanden. Das ist eine positive Überraschung. An den Finanzmärkten schwinden damit aber zunächst auch die Hoffnungen auf baldige Zinssenkungen durch das FOMC.
Wochenausblick
Neben der Entwicklung der Verbraucherpreise und Einzelhandelsumsätze in den USA steht in dieser Woche die vorläufige Schätzung des deutschen Bruttoinlandsprodukts für das Gesamtjahr 2024 im Fokus, die am Mittwoch veröffentlicht wird. Ebenfalls am Mittwoch werden aktuelle Zahlen zur Industrieproduktion in der Eurozone erwartet. Am Freitag rücken neben den Daten aus dem US-Immobiliensektor auch die BIP-Zahlen Chinas für das vierte Quartal in den Mittelpunkt. Dabei gilt es, insbesondere auf Hinweise zur Wirksamkeit der bisherigen fiskalund vor allem geldpolitischen Maßnahmen Pekings zu achten.
Renten- und Aktienmärkte
Positive Arbeitsmarktzahlen wecken an der Wall Street Sorgen vor einer durch die starke US-Wirtschaft induzierten, anhaltend höheren Inflation. Entsprechend zogen die Renditen 10-jähriger US-Treasuries um 7 Basispunkte weiter an (auf 4,76%). Der DAX verläßt das Parkett mit leichtem Minus. Auch die Wall Street verliert. Schon zuvor ging es in Asien an den Börsen abwärts.
DAX -0,50%; MDAX -0,82%; TecDAX +0,33%; Dow Jones -1,64%; S&P 500 -1,54%; Nasdaq Comp. -1,63%.
Unternehmen
Nach den gescheiterten Übernahmeverhandlungen mit der Bundesregierung schliesst der niederländische Stromnetzbetreiber Tennet einen Teilverkauf nicht aus. Tim Meyerjürgens (TennetGermany-Chef): „Welchen Anteil wir jetzt anbieten, steht noch nicht fest … aber wir sind natürlich im engen Austausch mit den Regierungen, weil wir zur kritischen Infrastruktur zählen.“
Die Agravis Raiffeisen AG verbucht nach vorläufigen Zahlen das zweite Jahr in Folge einen rückläufigen Umsatz und Gewinn (der Umsatz wird vorraussichtlich bei rd. EUR 8 Mrd., der Gewinn bei EUR 60 Mio. liegen). Finale Zahlen veröffentlicht Agravis erst am 19. März auf der Bilanzpressekonferenz.
Devisen und Rohstoffe
Der USD profitierte am Freitag von den starken US-Arbeitsmarktzahlen. Die Weltleitwährung bleibt aufgrund der voraussichtlich noch für längere Zeit zu erzielenden höheren Zinsen im Währungsraum linksseitig des Atlantiks attraktiv.
Die Nordseesorte Brent verläßt den Freitagshandel mit dem dritten wöchentlichen Anstieg in Folge. Das ist der längste Aufwärtstrend seit Juli 2024 (die Rohölbestände in Cushing (Oklahoma) notieren derzeit auf dem niedrigsten Stand seit dem Jahr 2014).
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