Euroland: Rückprall der Inflation bringt EZB nicht vom Kurs ab - Nord LB
Die Inflation im Euroraum ist im Jahr 2024 deutlich gesunken, hat zum Jahresende aber wie erwartet einen Rückprall erlitten. Auf Basis der Schnellschätzung von Eurostat kletterte die Inflationsrate im Dezember auf 2,4% Y/Y und notiert damit auf dem höchsten Stand seit Juli. Gegenüber dem Vormonat erhöhte sich das Preisniveau um 0,4% M/M. Die Kernrate blieb stabil bei 2,7% Y/Y. Für das Gesamtjahr 2024 ergibt sich eine durchschnittliche Inflationsrate von 2,4% Y/Y. Dies ist der niedrigste Stand seit vier Jahren und stellt einen erheblichen Rückgang gegenüber den beiden Vorjahren (8,4% bzw. 5,4%) dar.
Die heutigen Inflationszahlen liegen weitgehend im Rahmen der Erwartungen der zuvor befragten Analysten und Volkswirte. Nach den zuvor bereits veröffentlichten vorläufigen Preisdaten aus Deutschland (HVPI: 2,9% Y/Y) sowie Spanien (2,8%) hätte sich sogar ein stärkerer Rückprall ergeben können. Allerdings fiel die Inflationsdynamik in Frankreich (1,8%) und Italien (1,4%) etwas geringer als erwartet aus.
Der wesentliche Faktor für den Rückprall der Inflationsrate zum Jahresende 2024 ist ein Basiseffekt im Bereich der Energiepreise. So verringerten sich die Energiepreise Ende 2023 deutlich, was jedoch nun im Dezember 2024 aus der Jahresrate herausgewachsen ist. Die Inflationsrate für die Energiepreise notiert im Dezember mit 0,1% Y/Y erstmals seit dem letzten Juli wieder im positiven Bereich, bleibt aber auf niedrigem Niveau. Auch bei unverarbeiteten Lebensmitteln (1,7% Y/Y) sowie Industriegütern ohne Energie (0,5% Y/Y) fällt der Preisauftrieb Ende 2024 unterdurchschnittlich aus.
Hartnäckig bleibt hingegen die Kernrate und hier vor allem die Inflation im Bereich der Dienstleistungen, wo die Jahresrate sogar wieder leicht auf 4,0% Y/Y geklettert ist. Wegen des hohen Lohnkostenanteils beobachtet daher die EZB sehr genau die Lohnentwicklung. Hier war die Dynamik im dritten Quartal noch sehr hoch ausgefallen. Und auch der Arbeitsmarkt präsentierte sich im Euroraum bis zuletzt erstaunlich stabil. Im Berichtsmonat November verharrte die Arbeitslosenquote auf dem historischen Tiefpunkt von 6,3%. Dennoch sprechen viele Faktoren für eine nachlassende Lohndynamik, die sukzessive auch in einem geringeren Preisauftrieb im Bereich der Kernrate münden wird.
Insofern rechnen wir mit einer Fortsetzung des disinflationären Prozesses im laufenden Jahr, weshalb sich die EZB von dem temporären Rückprall der Inflation auch nicht von ihrem Kurs abbringen lassen wird. Gleichwohl bestehen nicht unerhebliche Risiken für die Preisniveaustabilität fort, weshalb die EZB an ihrer vorsichtigen und graduellen Lockerungspolitik festhalten dürfte. Eine restriktive Ausrichtung der Geldpolitik ist nicht erforderlich, weshalb auf den nächsten Sitzungen Raum für weitere Zinssenkungen besteht. Größere und schnellere Zinssenkungsschritte als zuletzt sollten hingegen nicht erwartet werden, hier waren die Markterwartungen zwischenzeitlich zu offensiv. Zudem wird die Debatte im EZB-Rat über den weiteren Kurs im laufenden Jahr wieder intensiver werden, je näher der Einlagesatz an die Marke von 2,00% kommt. Zumindest die Falken zeigen bislang keine Bereitschaft für einen Wechsel zu einer klar expansiven Ausrichtung der Geldpolitik.
Fazit: Die Inflation im Euroland ist 2024 auf den niedrigsten Stand seit vier Jahren gesunken, zum Jahresende kam es jedoch zu einem leichten Rückprall. Im Berichtsmonat Dezember kletterte die Inflationsrate auf 2,4% Y/Y, vor allem wegen des Auslaufens günstiger Basiseffekte bei den Energiepreisen. Hartnäckig bleibt die Kernrate, vor allem die Preisdynamik bei Dienstleistungen. Der Anstieg zum Jahresende kommt nicht überraschend und dürfte temporärer Natur sein. Insofern wird sich die EZB nicht von der Rückführung ihrer restriktiven Geldpolitik abbringen lassen. Gleichwohl liefern die Inflationsdaten den Falken im Rat gute Argumente, an der gewählten graduellen Vorgehensweise festzuhalten. Größere und schnellere Zinssenkungsschritte als zuletzt sind somit nicht zu erwarten. Im EZB-Rat wird zudem die Intensität der Debatte über den weiteren Kurs im Laufe des Jahres zunehmen, je näher der Einlagesatz der Marke von 2,00% kommt.
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