Cantourage: „Medizinische Anwendung wird von allen politischen Parteien unterstützt“
Bei Cantourage ist der November sehr gut verlaufen. Dieser Trend setzt sich im Dezember fort, wie CEO Philip Schetter im Gespräch mit der Redaktion von 4investors.de bestätigt. Das starke Wachstum im Bereich medizinisches Cannabis beschränkt sich dabei nicht nur auf Deutschland. Schetter erläutert die Expansionsstrategie von Cantourage und spricht über die Stärken der Gesellschaft. Eine wichtige Partnerschaft in Portugal ist ebenso Thema im Interview mit dem Vorstandschef wie ein Blick auf das neue Jahr.
4investors.de: Bei Cantourage denkt mancher Investor einfach nur an Cannabis. Das ist aber zu kurz gesprungen, Sie sind im Bereich des medizinischen Cannabis aktiv. Kann man diese Substanzen überhaupt miteinander vergleichen?
Schetter: Medizinisches Cannabis ist grundsätzlich mit jenem vom Schwarz- oder Freizeitmarkt vergleichbar. Auch bei medizinischem Cannabis handelt es sich vorwiegend um THC-haltige, getrocknete Cannabis-Blüten, wie wohl die meisten Menschen sie schon einmal gesehen haben. Der Unterschied und gleichzeitig große Vorteil von medizinischem Cannabis ist die pharmazeutische Qualität und Produktreinheit, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette – vom Anbau über die Weiterverarbeitung bis hin zur Abgabe in der Apotheke – sichergestellt wird. Medizinisches Cannabis unterliegt dabei nämlich den strengen europäischen Good-Manufacturing-Practice-Richtlinien („EU-GMP“). Dies gewährleistet eine konstante Wirkstoffzusammensetzung und Reinheit, was für die Behandlung von Patienten unerlässlich ist. Im Gegensatz dazu wird Cannabis für den Freizeitgebrauch oft unter weniger kontrollierten Bedingungen angebaut, was zu Schwankungen in der Qualität und im Wirkstoffgehalt führen kann. Zudem können verunreinigte oder gestreckte Produkte, wie sie heutzutage leider immer öfter auf dem Schwarzmarkt zu finden sind, ein erhebliches Gesundheitsrisiko für die Konsumenten darstellen. Seit Anfang an haben wir bei Cantourage daher ein Ziel: Allen Menschen, die mit Cannabis eine Linderung ihrer Symptome und Verbesserung der individuellen Lebensqualität erreichen möchten, einen unkomplizierten Zugang zu sicheren Produkten in Arzneimittelqualität zu verschaffen.
4investors.de: Kann jeder Arzt inzwischen Cannabis verschreiben?
Schetter: Medizinisches Cannabis ist seit 2017 legal. Seitdem dürfen alle Ärzte in Deutschland – mit Ausnahme von Zahn- und Tierärzten – medizinisches Cannabis verschreiben. Bis zum 1. April 2024 wurde medizinisches Cannabis allerdings noch als Betäubungsmittel eingestuft, weshalb für die Verschreibung ein Betäubungsmittelrezept erforderlich war. Mit den gesetzlichen Änderungen fallen für Ärzte und Apotheker nun die strengen Auflagen und Dokumentationspflichten weg und es reicht ein einfaches, ärztliches Rezept zum Verschreiben. Trotzdem ist zu bedenken: Nur weil fast alle Ärzte Cannabis verschreiben dürfen, heißt es nicht, dass sie es auch tun. Es herrschen nach wie vor Vorurteile gegenüber medizinischem Cannabis und Cannabis-Patienten und für viele ist es immer noch nicht einfach, mit ihrem Arzt über das Thema zu sprechen. Das dürfte auch mit ein Grund dafür sein, wieso die auf Cannabis spezialisierten Telemedizinplattformen seit der Legalisierung große Erfolge feiern und so vielen Patienten den Zugang zu medizinischem Cannabis ermöglichen.
4investors.de: Zuletzt haben Sie Monat für Monat beim Umsatz deutlich zugelegt. Im November kamen Sie auf einen Umsatz von 7,2 Millionen Euro, das war ein Plus von 30 Prozent. Setzt sich dieser Trend im Dezember fort?
Schetter: In der Tat war der November der bis dato umsatzstärkste Monat der Firmengeschichte. Für den Dezember erwarten wir eine Fortsetzung dieser positiven Entwicklung. Insgesamt beobachten wir vor allem im deutschen, aber auch im gesamteuropäischen Markt für medizinisches Cannabis ein anhaltend starkes Wachstum. Diese Entwicklung spiegelt sich nicht nur in unseren starken Geschäftszahlen für November wider, sondern wirkt sich auch auf unsere Erwartungen für die Gesamtjahreszahlen aus.
Unser Fokus liegt weiterhin darauf, die starke Nachfrage nach medizinischem Cannabis nachhaltig zu bedienen und dabei die Wachstumsdynamik unseres Geschäftsmodells optimal zu nutzen. Mit der Einführung neuer Produkte und der weiteren Diversifizierung unseres Portfolios legen wir die Grundlage für langfristiges, profitables Wachstum, das nicht nur auf kurzfristige Umsatzsteigerungen ausgerichtet ist, sondern auch auf die Stabilität und Qualität unserer Marktposition.
4investors.de: Welchen Marktanteil haben Sie derzeit am deutschen Markt?
Schetter: Die genaue Größe des deutschen Marktes für medizinisches Cannabis zu beziffern, ist aufgrund der dynamischen Entwicklung und der begrenzten Verfügbarkeit konsolidierter Daten herausfordernd. Dennoch können wir mit Sicherheit sagen, dass Cantourage in diesem Segment eine bedeutende und damit führende Marktposition innehat.
Unsere Stärke liegt in der breiten Produktpalette und unserem flexiblen Geschäftsmodell, die es uns ermöglichen, gezielt auf die Bedürfnisse von Patienten und Ärzten einzugehen. Durch die kontinuierliche Erweiterung unseres Portfolios – zuletzt um 16 neue Cannabisblüten-Sorten allein im dritten Quartal 2024 – und die Zusammenarbeit mit mittlerweile über 60 Anbaupartnern aus 18 Ländern konnten wir unsere Marktpräsenz erheblich ausbauen. Dies spiegelt sich auch in unserem konstanten Umsatzwachstum wider, das uns in eine führende Position in Europa gebracht hat. Wir konzentrieren uns darauf, diesen Vorsprung weiter auszubauen, indem wir hochwertige, sichere und effektive Therapieoptionen anbieten, die das Leben der Patienten verbessern.
4investors.de: Sie sind derzeit in sieben europäischen Märkten tätig. Wie sieht die Strategie für die weitere internationale Strategie aus?
Schetter: Unsere Vision bei Cantourage ist es, Cannabis flächendeckend in ganz Europa verfügbar zu machen – überall dort, wo es die regulatorischen Rahmenbedingungen ermöglichen. Aktuell beliefern wir bereits sieben europäische Märkte und bauen unsere Präsenz kontinuierlich aus. Unsere internationale Strategie folgt einem klaren Prinzip: Wir konzentrieren uns auf Märkte, die ein nachhaltiges und profitables Wachstum ermöglichen. Das bedeutet, dass wir die Entwicklungen in allen europäischen Ländern genau beobachten und gezielt in Regionen expandieren, in denen sich ein Bedarf an Cannabisprodukten abzeichnet und gleichzeitig die rechtlichen Rahmenbedingungen stabil sind. Dabei setzen wir auf Partnerschaften mit lokalen Akteuren, um Patienten in diesen Märkten Zugang zu sicheren und effektiven Therapieoptionen zu ermöglichen. Konkret steht aktuell der Verkaufsstart unseres ersten Produkts in Polen an.
4investors.de: Ihre Kapazitäten können welchen Umsatz gewährleisten?
Schetter: Unsere aktuelle Infrastruktur ist so ausgelegt, dass wir die steigende Nachfrage nach medizinischem Cannabis in unseren bestehenden Märkten effizient bedienen können. Gleichzeitig verfügen wir über die Möglichkeit, unsere Kapazitäten dynamisch anzupassen, um auf eine erhöhte Marktnachfrage flexibel und zeitnah zu reagieren. Grundsätzlich ist vorstellbar, dass wir mit punktuellen Erweiterungen der bestehenden Infrastruktur auch Umsätze von mehr 100 Millionen Euro pro Jahr erzielen könnten.
4investors.de: Wie sieht es demnach mit Kapazitätserweiterungen aus? Gibt es da Pläne? Und wie sollen diese finanziert werden?
Schetter: Angesichts der wachsenden Nachfrage nach medizinischem Cannabis bauen wir unsere Kapazitäten kontinuierlich aus, um auch in Zukunft schnell und flexibel auf Marktbedürfnisse reagieren zu können. Um unsere Kapazitäten zu erhöhen, sind wir in diesem Jahr beispielsweise eine Partnerschaft mit dem portugiesischen Unternehmen Portocanna eingegangen. Diese exklusive Kooperation ermöglicht es uns, unsere Verarbeitungskapazitäten um bis zu sechs Tonnen pro Jahr zu erhöhen. Zusammen mit unserer bestehenden Produktion in Deutschland, die eine Kapazität von etwa sieben bis acht Tonnen pro Jahr hat, können wir nun insgesamt bis zu 14 Tonnen Cannabisblüten jährlich für unsere europäischen Zielmärkte bereitstellen. Die Finanzierung dieser Erweiterungen erfolgt primär aus internen Mitteln, wodurch wir unsere Unabhängigkeit und Flexibilität wahren und gleichzeitig in unsere langfristige Wachstumsstrategie investieren.
4investors.de: In der Opposition hört man, dass man mit der Cannabis-Politik der aktuellen Regierung nicht glücklich ist. Ist das zugleich eine Gefahr für Ihr Geschäftsmodell?
Schetter: Wir bei Cantourage verfolgen die politische Debatte um Cannabis natürlich aufmerksam, sehen aber keine unmittelbare Gefahr für unser Geschäftsmodell. Die aktuelle Diskussion betrifft primär die Freigabe von Cannabis für den Freizeitkonsum und nicht medizinisches Cannabis. Medizinisches Cannabis unterliegt weiterhin strengen Regularien und wird von Ärzten für spezifische Indikationen verschrieben. Diese medizinische Anwendung wird von allen politischen Parteien unterstützt, da sie auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert und Patienten mit schweren Erkrankungen hilft.
4investors.de: Wagen Sie schon einen Ausblick auf 2025?
Schetter: Wir gehen optimistisch in das neue Jahr und planen, weiterhin profitabel zu wachsen. Auch sollten wir noch deutlich bessere Zahlen als 2024 liefern – wir gehen davon aus, dass wir dieses Jahr zwischen 46 und 50 Millionen Euro Umsatz und drei bis vier Millionen Euro EBITDA machen werden. Damit haben wir den Umsatz im Vergleich zum Vorjahr in etwa verdoppelt.
4investors.de: Cantourage hat jüngst die Prognose angehoben. Bleibt es dabei oder gibt es vielleicht sogar noch eine positive Überraschung?
Schetter: Wir stehen zu unserer jüngst veröffentlichten Prognose und sind zuversichtlich, die kürzlich kommunizierten Ziele für Umsatz und EBITDA zu erreichen. Unser Geschäftsmodell und die positive Marktentwicklung im Bereich des medizinischen Cannabis unterstützen diese Erwartungen. Wir konzentrieren uns darauf, unsere Strategie konsequent umzusetzen und die Wachstumschancen im europäischen Markt optimal zu nutzen. Während wir stets bestrebt sind, unsere Ziele zu übertreffen, halten wir an unserer veröffentlichten Prognose fest und sehen sie als realistisch und erreichbar an.
4investors.de: Sie sind mit der Kursentwicklung nicht glücklich und sehen dies als eine Aufgabe für 2025 an, so sagten Sie Ende November auf dem Eigenkapitalforum der Deutschen Börse. Wie wollen Sie das schaffen?
Schetter: Wir sind zuversichtlich, dass unsere Geschäftsentwicklung sich zunehmend im Aktienkurs widerspiegeln wird. In den letzten Tagen konnten wir bereits erste positive Auswirkungen unserer Bemühungen beobachten. Unser Fokus liegt darauf, die Anlegergemeinschaft kontinuierlich über unsere starke Performance zu informieren. Je mehr Investoren die Qualität unseres Geschäftsmodells und unsere Wachstumsperspektiven erkennen, desto eher wird sich dies auch in einer angemessenen Bewertung unserer Aktie niederschlagen.
4investors.de: Bleiben Sie mit ihrem Geschäftsmodell beim medizinischen Cannabis oder gibt es weitere Gedankenspiele?
Schetter: Unser Hauptfokus liegt weiterhin auf dem medizinischen Sektor und den damit verbundenen Geschäftsfeldern. Wir sehen hier nach wie vor großes Potenzial und Wachstumschancen. Gleichzeitig beobachten wir aufmerksam die internationalen Entwicklungen im gesamten Markt. Sollten sich vielversprechende neue Möglichkeiten ergeben, sind wir bereit, in aussichtsreiche Märkte zu investieren. Unsere Strategie ist es, flexibel zu bleiben und unsere Expertise zu nutzen, um Chancen zu ergreifen, die sich mit der Evolution der globalen Cannabis-Industrie ergeben.
4investors.de: Wie läuft Ihre Telemedizinplattform Telecan? Welche Pläne haben Sie dort?
Schetter: Telecan entwickelt sich sehr positiv. Wir verzeichnen ein stetiges Wachstum und sehen großes Potenzial, noch mehr Patienten den Zugang zu einer Cannabis-Therapie zu erleichtern. Um dieses Potenzial voll auszuschöpfen, planen wir zum Jahreswechsel einen umfassenden Relaunch von Telecan. Dies beinhaltet sowohl eine neue technologische Plattform als auch eine Neugestaltung der Marke. Diese Investitionen unterstreichen unser Vertrauen in die Zukunft von Telecan und unser Engagement, die Versorgung von Patienten mit medizinischem Cannabis weiter zu verbessern.
4investors.de: Ihr Streubesitz liegt bei rund 25 Prozent. Das ist für viele Investoren zu gering. Gibt es Pläne, dies zu ändern?
Schetter: Wir sind uns bewusst, dass der aktuelle Streubesitz von etwa 25 Prozent für einige Investoren eine Herausforderung darstellen kann. Diese Situation haben wir fest im Blick und arbeiten aktiv an Lösungen. Derzeit prüfen wir verschiedene strategische Optionen, um den Freefloat zu erhöhen. Unser Ziel ist es, die Liquidität unserer Aktie zu verbessern und sie für ein breiteres Spektrum von Investoren attraktiver zu machen. Wir werden die Marktentwicklungen sorgfältig beobachten und zum geeigneten Zeitpunkt konkrete Maßnahmen umsetzen, um den Streubesitz zu erweitern. Dabei achten wir darauf, dass alle Schritte im besten Interesse unserer bestehenden Aktionäre und des langfristigen Unternehmenswachstums erfolgen.
4investors.de: Analysten erwarten, dass Sie 2025 netto schwarze Zahlen schreiben werden. Sehen Sie das auch so?
Schetter: Wir freuen uns, dass Cantourage bereits im Jahr 2024 schwarze Zahlen schreiben wird. Diese positive Entwicklung unterstreicht die Stärke unseres Geschäftsmodells und die erfolgreiche Umsetzung unserer Strategie im Bereich des medizinischen Cannabis. Was das Jahr 2025 betrifft, so gehen wir davon aus, dass wir noch erfolgreicher sein können.
4investors.de: Sind Zukäufe für Sie ein Thema?
Schetter: Ja, Zukäufe sind für uns grundsätzlich ein relevantes Thema. Wir beobachten den Markt kontinuierlich und prüfen aktiv potenzielle Akquisitionen, die strategisch zu unserem Wachstum und unserer Position im Bereich des medizinischen Cannabis passen. Durch gezielte Zukäufe könnten wir unsere Produktpalette erweitern, neue Technologien integrieren oder unser geografisches Angebot ausbauen. Solche Schritte würden nicht nur unser Geschäft stärken, sondern auch unseren Patienten zugutekommen, indem wir ihnen eine breitere Auswahl an hochwertigen Therapieoptionen bieten. Wir sind bestrebt, alle Möglichkeiten sorgfältig zu evaluieren und sicherzustellen, dass jede potenzielle Akquisition im Einklang mit unserer langfristigen Strategie steht.