Vossloh: „Dieses Projekt wird uns auf ein neues Level heben“
Vossloh will weiter wachsen. Das machen die drei Vorstände Oliver Schuster (CEO), Thomas Triska (CFO) und Jan Furnivall (COO) im Interview mit der Redaktion von 4investors.de mehr als deutlich. Dabei stehen auch weitere Akquisitionen auf der Agenda. Die Vorstände sprechen über die Entwicklung im vierten Quartal und geben einen ersten, zuversichtlichen Ausblick auf 2025. Die Chancen und Möglichkeiten in den USA und China werden ebenso angesprochen wie die jüngst durchgeführte Kapitalerhöhung.
4investors.de: Sie haben am 12. November 2024 eine Kapitalerhöhung durchgeführt und rund 72 Millionen Euro bei institutionellen Investoren eingeworben. Warum haben Sie sich für den Zeitpunkt der Kapitalerhöhung entschieden und wie wollen Sie den Erlös verwenden?
Triska: Der Emissionserlös soll zur teilweisen Finanzierung des Kaufpreises der Sateba-Gruppe verwendet werden. Dies haben wir bereits im Juli bei Bekanntgabe der geplanten Akquisition der Sateba-Gruppe kommuniziert. Die fusionskontrollrechtlichen Prüfungen durch die zuständigen Kartellbehörden verlaufen planmäßig und meine Vorstandskollegen und ich sind sehr zuversichtlich, die Transaktion im Frühjahr 2025 vollziehen zu können. Nach sorgfältiger Abwägung aller relevanten Faktoren haben wir uns entschieden, die Kapitalerhöhung noch im Kalenderjahr 2024 durchzuführen. Trotz nicht idealer Marktbedingungen verzeichneten wir eine hohe Nachfrage und konnten die Aktien mit einem marktüblichen Abschlag am Markt vollständig platzieren, was die positive Resonanz auf die Sateba-Akquisition und die erfreuliche Entwicklung des Vossloh Konzerns unterstreicht. Wir sind fest von unserer Strategie und unserem langfristigen Wachstumskurs überzeugt.
4investors.de: Ende September fand in Berlin die weltweit wichtigste Messe der Bahn- und Verkehrstechnikmesse InnoTrans statt. Wie haben Sie dort die Stimmung wahrgenommen?
Schuster: Die Stimmung war überaus positiv. Die Bahn ist das umweltfreundlichste Verkehrsmittel und alternativlos, wenn es um die notwendige Dekarbonisierung des Transportsektors und die Erreichung ehrgeiziger Klimaziele geht. Rund um den Globus haben Regierungen umfangreiche staatliche Investitionsprogramme zum Ausbau des Schienenverkehrs aufgelegt. Es war spürbar, dass die gesamte Branche optimistisch in die Zukunft blickt.
Unser diesjähriger Messeauftritt stellte alles Dagewesene in den Schatten – auf einer Fläche von mehr als 1.200 Quadratmetern haben wir ein breites Spektrum an innovativen und nachhaltigen Produkten, Dienstleistungen und Lösungen rund um den Fahrweg Schiene auf spektakuläre Weise präsentiert und gleichzeitig unsere Position als Technologieführer untermauert. Unter dem Motto „Shaping the Future of Rail Infrastructure“ sorgten beispielsweise die jüngst in Serienfertigung gegangene, vollständig recyclebare Verbundstoffschwelle EPS, die neue umweltfreundliche Schwellenbesohlung, Schienenbefestigungssysteme mit bis zu 65 Prozent geringerem CO2-Fußabdruck oder das weltweit erste Weichenherz aus recyceltem Manganstahl für große Aufmerksamkeit. Unsere zahlreichen digitalen Lösungen rund um die Plattform „Vossloh connect“ sowie eine aufwändige 360-Grad-Simulation zum Thema Mobilität der Zukunft rundeten den Messeauftritt auf gelungene Art und Weise ab. Vossloh kennt die Herausforderungen seiner Kunden genau und bedient mit seinen Lösungen deren Bedürfnis nach höherer Effizienz, Sicherheit und Verfügbarkeit von Streckennetzen. Am letzten Messetag haben wir außerdem, wie auch schon in den Vorjahren, Kapitalmarktteilnehmer auf unseren Messestand eingeladen, um unsere Leistungsfähigkeit auch dieser wichtigen Zielgruppe näher zu bringen.
4investors.de: Auf diesem Kapitalmarkttag haben Sie deutlich gemacht, dass Sie weitere Akquisitionen planen. Ziel ist letztlich ein Umsatz von mehr als 2 Milliarden Euro in 2030. Wo sehen Sie aktuell Verstärkungsbedarf?
Schuster: Neben organischem Wachstum bilden Akquisitionen ein zentrales Element unserer Wachstumsstrategie. Ende Juli haben wir in dieser Hinsicht einen bedeutenden Meilenstein erreicht: Die Unterzeichnung des Kaufvertrages den geplanten Erwerb der Sateba-Gruppe betreffend, einem führenden Hersteller von Betonschwellen in Europa. Mit einem Kaufpreis von bis zu 450 Millionen Euro wäre dies die größte Transaktion in der Geschichte von Vossloh. Der Umsatz von Sateba wird im Jahr 2024 in der Größenordnung von 340 Millionen Euro erwartet. Unser Hauptaugenmerk liegt derzeit auf dem Vollzug dieser Übernahme und der Vorbereitung der Integration der rund 1.120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in zehn europäischen Ländern.
Der Markt für Bahninfrastruktur befindet sich in einer Phase der Konsolidierung und wir beabsichtigen, eine treibende Kraft dieses Wandels zu sein. Aktuell haben wir bereits einige kleinere Akquisitionen im Visier, von der Größenordnung ähnlich wie die in diesem Jahr bereits vollzogenen Übernahmen von STG und FAS. Gerade im Servicebereich wären auch weitere Akquisitionen denkbar, da dieses Geschäft oft lokal geprägt ist. Hier können Übernahmen ein effektiver Weg sein, um unser Servicenetzwerk zu erweitern und noch näher an unsere Kunden heranzurücken.
Ein zentrales Kriterium muss dabei immer erfüllt sein: Jede Übernahme muss der Umsetzung unserer Unternehmensstrategie zuträglich sein und Mehrwert für alle relevanten Stakeholder schaffen.
4investors.de: Sie haben in diesem Jahr die Akquisitionen von STG und FAS vollzogen. Wie läuft es dort mit der Integration?
Schuster: Die Integration beider Unternehmen und ihrer Beschäftigten in die Vossloh Gruppe verläuft planmäßig und wird durch unsere langjährige Zusammenarbeit wesentlich erleichtert. Wir kennen diese Unternehmen bereits seit vielen Jahren und haben in der Vergangenheit schon viele Projekte gemeinsam umgesetzt, was den Integrationsprozess deutlich vereinfacht. Wir arbeiten derzeit intensiv daran, alle relevanten Unternehmensbereiche zu harmonisieren. Dies umfasst nicht nur administrative Prozesse wie etwa in den Bereichen IT, Personal und Finanzen, sondern auch Funktionen wie Vertrieb, Kundenservice und Marketing. Unser Ziel ist es, eine nahtlose Integration zu gewährleisten, die es uns ermöglicht, Synergien optimal zu nutzen und die Stärken voll auszuschöpfen. Aufgrund der überschaubaren Größe beider Akquisitionen gehen wir davon aus, den gesamten Integrationsprozess innerhalb eines Jahres abschließen zu können.
4investors.de: Und wie wollen Sie künftige Käufe finanzieren?
Schuster: Wir konzentrieren uns nach der Sateba-Transaktion derzeit hauptsächlich auf kleinere Zukäufe, die wir vollständig aus eigener Kraft finanzieren können, so wie STG und FAS. Unsere solide Bilanz gibt uns hier die nötige Flexibilität.
Im Ergebnis können wir daher schnell auf Chancen reagieren und unser organisches Wachstum punktuell ergänzen. Bei größeren Akquisitionen würden wir verschiedene Finanzierungsoptionen prüfen, um die beste Lösung für unser Unternehmen und unsere Aktionäre zu finden.
4investors.de: Sie haben ihre Verschuldung zuletzt auf 228,4 Millionen Euro reduziert. Wie soll sich diese weiter entwickeln, mit welchem Wert wären Sie zufrieden?
Triska: In der Vergangenheit haben wir Fortschritte bei der Reduzierung unserer Verschuldung erzielt. Aufgrund des steigenden Free Cashflows aus dem operativen Geschäft planen wir auch für die Zukunft mit einem kontinuierlichen Rückgang der Verschuldung. Für das Schlussquartal 2024 erwarten wir einen deutlich positiven Free Cashflow, der damit zu einer weiteren Reduzierung der Verschuldung beitragen wird.
Zusätzlich werden die Erlöse aus unserer kürzlich durchgeführten Kapitalerhöhung die Verschuldung bis zum Vollzug unserer bislang größten Akquisition noch einmal deutlich senken.
Nach Abschluss dieser Transaktion wird die absolute Verschuldung zwar wieder ansteigen, aber für uns ist das Verhältnis von Verschuldung zu EBITDA der ausschlaggebende Indikator. Wir gehen davon aus, dass dieses Verhältnis auch nach der Akquisition einen Wert von 2,75 deutlich unterschreiten wird. Damit bleiben wir in der Wahrnehmung wesentlicher Kapitalmarktteilnehmer auch ohne externes Rating weiterhin im Investment Grade-Bereich. Diese solide Finanzstruktur ist eine starke Basis für zukünftiges Wachstum und weitere strategische Schritte.
4investors.de: Wenn Sie einen Ausblick auf 2025 wagen: Was dürften die Highlights werden?
Schuster: Ein Blick auf 2025 zeigt eine Reihe spannender Highlights, die unser Unternehmen weiter voranbringen werden.
Produktseitig stehen uns einige aufregende Entwicklungen bevor. Wir erwarten den erfolgreichen Hochlauf mehrerer neuer Produktlinien, die unsere Marktposition weiter stärken werden. Hierzu zählt beispielsweise unsere selbst entwickelte Verbundstoffschwelle EPS (Engineered Polymer Sleeper), die die positiven Eigenschaften von Beton- und Holzschwellen in sich vereint und eine umweltfreundliche Alternative zur Holzschwelle darstellt. Die Serienfertigung in Polen ist im Frühsommer angelaufen und künftig werden wir dort in der Lage sein, bis zu 100.000 Verbundstoffschwellen pro Jahr zu produzieren.
Daneben ist sicherlich unsere neueste Entwicklung, die EPP (Engineered Polymer Pad), sehr spannend. Durch die innovative Schwellenbesohlung werden die laterale Gleisstabilität erhöht und gleichzeitig Vibrationen reduziert, so dass das Verschleißverhalten bei Schotter und Infrastrukturkomponenten verbessert und die Intervalle für notwendige Stopfarbeiten verlängert werden können. Gleichzeitig wird es wichtig sein, unseren hohen Auftragsbestand und das damit verbundene Wachstum gut zu managen. Dafür werden wir gezielte Investitionen in verschiedenen Ländern tätigen, darunter in Schweden, Portugal und Australien, um unsere Kapazitäten bedarfskonform auszubauen.
Ein weiteres Highlight wird die Umsetzung der Rahmenverträge für die präventive und korrektive Schieneninstandhaltung mit unserem Kunden Deutsche Bahn sein, die wir im letzten Jahr unterzeichnet haben und die ein Volumen von deutlich über 100 Millionen Euro umfassen.
Zudem planen wir, unsere digitale Plattform „Vossloh connect“ um zusätzliche innovative Angebote zu erweitern. Die Plattform revolutioniert das Management und die Wartung der Schieneninfrastruktur mit modernsten Lösungen. Dies führt zu mehr Sicherheit, geringeren Kosten und verbesserter Leistung, um unseren Kunden noch mehr Mehrwert zu bieten und unsere Position als Technologieführer weiter auszubauen.
Ein zentraler Fokus wird natürlich auch auf der Integration von Sateba liegen. Der Vollzug der Transaktion ist für das Frühjahr 2025 geplant. Dieses Projekt wird aufgrund seiner Größe und strategischen Bedeutung unsere volle Aufmerksamkeit erfordern und uns als Unternehmen auf ein neues Level heben.
Triska: Auch in finanzieller Hinsicht blicken wir mit Zuversicht auf das Jahr 2025. Die hervorragende Auftragslage im Jahr 2024 bildet eine äußerst solide Grundlage für die Fortsetzung unseres Wachstumskurses. Unsere hohe Visibilität auf das Geschäft stimmt uns optimistisch, dass wir sowohl beim Umsatz als auch beim Ergebnis organisch wieder deutliche Zuwächse verzeichnen werden.
Naturgemäß wird auch der genaue Zeitpunkt des Vollzugs der Sateba Akquisition maßgeblichen Einfluss auf unser Zahlenwerk haben. Es ist in diesem Zusammenhang wichtig zu betonen, dass insbesondere in den ersten beiden Jahren nach der Übernahme die Effekte aus der Kaufpreisallokation die Ergebnisbeiträge der Sateba-Gruppe im EBIT noch beeinträchtigen werden.
Ungeachtet solcher rein bilanziellen Effekte erwarten wir, dass Sateba insgesamt einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung unserer ambitionierten Ziele leisten wird.
4investors.de: Die Zahlen zum dritten Quartal wurden von Analysten als solide eingestuft. Der Auftragseingang liegt auf einem Rekordniveau, der Auftragsbestand ist um 9 Prozent angestiegen. Wird sich dieser Trend fortsetzen?
Furnivall: Absolut, der weltweit steigende Bedarf an nachhaltigen Transportlösungen für Güter und Menschen wird unser Geschäft langfristig positiv beeinflussen. Sämtliche Megatrends spielen uns in die Karten und die Investitionen aus den Infrastrukturprogrammen nehmen – bei allen Aufs und Abs, die es in einzelnen Ländern und Projekten naturgemäß gibt – in Summe rund um den Globus zu. Die politischen Entscheidungsträger wissen oder erkennen zunehmend, dass eine hohe Verfügbarkeit des Schienenverkehrswegs nicht nur für eine erfolgreiche Verkehrswende entscheidend, sondern Grundlage einer jeden prosperierenden Volkswirtschaft ist.
Als Vossloh Konzern haben wir uns mit unserem umfassenden Portfolio und unserer Spitzentechnologie als führender Anbieter und Systemhaus im Bereich Schieneninfrastruktur etabliert. Unser Fokus liegt konsequent auf den Bedürfnissen unserer Kunden. Unser oberstes Ziel ist es, die Verfügbarkeit der Strecken zu maximieren und unsere Kunden dabei zu unterstützen, mehr Verkehr auf der Schiene zu ermöglichen.
Durch diese strategische Ausrichtung sind wir bestens positioniert, um von den langfristigen Trends in der Branche zu profitieren und unseren Beitrag zu einer nachhaltigen Mobilitätszukunft zu leisten.
4investors.de: Wie läuft es bei Vossloh im vierten Quartal?
Triska: Wir blicken mit großer Zuversicht auf das vierte Quartal und sind überzeugt, unsere für das laufende Jahr kommunizierten Ziele zu erreichen. Dies erfordert ein anspruchsvolles Schlussquartal mit einem hohen Umsatzniveau, aber die bisherige Entwicklung in diesem Zeitraum stimmt uns optimistisch. Besonders erfreulich ist, dass sich die positive Entwicklung bei den Auftragseingängen auch im Oktober fortgesetzt hat. Dies unterstreicht die anhaltend starke Nachfrage nach unseren Produkten und Dienstleistungen.
4investors.de: Sie haben in unserem letzten Interview davon gesprochen, dass sich durch die künstliche Intelligenz neue Perspektiven bei der Digitalisierung ergeben. Was hat sich auf diesem Gebiet seitdem getan?
Schuster: Seit unserem letzten Gespräch haben wir im Bereich Digitalisierung und künstliche Intelligenz bedeutende Fortschritte erzielt, die sowohl unsere Produkte und Dienstleistungen als auch interne Prozesse betreffen.
Ein Highlight ist der erfolgreiche Marktstart unserer Digitalplattform „Vossloh connect“, die unseren Kunden Zugang zu einer Vielzahl überwiegend selbst entwickelter digitaler Lösungen bietet und darüber hinaus als Marktplatz für Drittanbieter fungiert. Ziel ist die Echtzeitüberwachung der Bahninfrastruktur, was letztlich die Verfügbarkeit des Fahrwegs – ein zentrales Anliegen unserer Kunden – erhöhen wird.
Ein weiterer wichtiger Schritt in diesem Zusammenhang war die Übernahme des Teams und der Technologie der RailWatch GmbH. Mit dem kamerabasierten Monitoring erweitern wir unseren Fokus auf das „Rollende Material“ im Allgemeinen und den Kontakt zwischen Rad und Schiene im Besonderen. Dies ist entscheidend für eine zunehmend zustandsbasierte und prädiktive Instandhaltung.
Das Interesse unserer Kunden an unserem digitalen Know-how wächst, und weit über 100 Kolleginnen und Kollegen arbeiten bereits in unserem zentral geführten Digitalbereich. Dieses gebündelte Wissen ermöglicht uns eine klare Differenzierung vom Wettbewerb und ist entscheidend für unsere zukünftigen Erfolgsaussichten.
Intern setzen wir künstliche Intelligenz in verschiedenen Bereichen ein, um unsere Effizienz zu steigern und Prozesse zu optimieren. In der Produktion nutzen wir KI-Lösungen zur Verbesserung von Abläufen, zur Qualitätskontrolle und zur vorausschauenden Wartung. Dies ermöglicht uns, effizienter zu produzieren und gleichzeitig die Produktqualität zu verbessern. Ein anderes spannendes Beispiel zur Effizienzsteigerung ist unser unternehmensinterner Chatbot, der unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei ihren täglichen Aufgaben hilft. Es handelt sich um einen KI-gestützten virtuellen Assistenten, der darauf trainiert ist, Informationen in einer sicheren Umgebung bereitzustellen und Fragen zu beantworten, insbesondere in Bezug auf den Vossloh Konzern und seine Produkte und Dienstleistungen. Das Feedback unserer Kolleginnen und Kollegen ist äußerst positiv. Diese Rückmeldungen zeigen, wie die Integration moderner Technologien in unseren Arbeitsprozess nicht nur die Effizienz steigert, sondern auch das Mitarbeiterengagement fördert.
4investors.de: In der EU wird gerade die neue Kommission gebildet. Kann es von dort in der neuen Legislaturperiode nach dem Green Deal weitere Impulse für die Eisenbahn geben?
Furnivall: Wir sind optimistisch, dass auch eine neue EU-Kommission ihren Fokus weiterhin stark auf das Thema Nachhaltigkeit richten und dabei den Transportsektor besonders im Blick haben wird. Dies ist von großer Bedeutung, da der Transportsektor nach wie vor einer der Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen ist. Im Gegensatz zu anderen Sektoren hat er in den vergangenen Jahrzehnten seinen Ausstoß nicht reduziert, sondern sogar um rund 25 Prozent erhöht.
Bemerkenswert ist, dass der Großteil dieser Emissionen auf den Straßenverkehr entfällt, während die Schiene in der EU lediglich für 0,5 Prozent des CO2-Ausstoßes im Transportsektor verantwortlich ist. Diese offensichtlichen Vorteile des Schienenverkehrs sind selbstverständlich auch der neuen Kommission bekannt.
Daher sind wir zuversichtlich, dass der Schienenverkehr auch in Zukunft im Zentrum der Bemühungen zur Dekarbonisierung des Transportsektors stehen wird. Wir erwarten, dass die Politik – wie es der Green Deal vorsieht – weiterhin Rückenwind für den Ausbau und die Modernisierung des Schienennetzes geben wird, um die ehrgeizigen Klimaziele der EU zu erreichen und eine nachhaltige Verkehrswende voranzutreiben.
4investors.de: Hat die aktuelle Regierungskrise in Deutschland Einfluss auf ihr Geschäft? Es gibt immerhin Stimmen, die sagen, dass dadurch die Pläne der Deutschen Bahn beeinflusst werden.
Furnivall: Deutschland ist für uns mit etwas mehr als 10 Prozent unseres Konzernumsatzes ein wichtiger Markt mit zudem hoher Wachstumsdynamik. Unsere Umsätze sind von 2022 auf 2023 um beeindruckende 40 Prozent gestiegen, und auch im laufenden Jahr haben wir in Deutschland nochmal zulegen können. Für die kommenden Jahre sind wir ebenfalls zuversichtlich, unter anderem auch aufgrund der bereits in diesem Jahr unterzeichneten mehrjährigen Rahmenverträge zur Schieneninstandhaltung im Wert von deutlich über 100 Millionen Euro.
Natürlich bringt das aktuelle politische Umfeld in Deutschland kurzfristige Unsicherheiten mit sich, insbesondere da der Bundeshaushalt für 2025 noch nicht verabschiedet ist, doch in Summe bleiben wir sehr optimistisch. Auch eine neue Regierung wird, ähnlich wie die EU-Kommission, weiterhin auf nachhaltige Mobilitätslösungen setzen. Die Notwendigkeit, den Investitionsstau bei der Deutschen Bahn zu beheben und den Transportsektor zu dekarbonisieren bleibt.
Um eines ganz klar zu sagen: Bahninfrastruktur benötigt eine langfristige und legislaturperioden-unabhängige Finanzierung. Nur mit langfristiger Planungssicherheit kann die Deutsche Bahn ihr Netz instand setzen, modernisieren und ausbauen und die Zulieferindustrie in die dafür notwendigen Kapazitäten investieren und diese vorhalten.
4investors.de: Bleiben wir noch kurz im politischen Bereich: Wird der Präsidentenwechsel in den USA Auswirkungen auf ihr Geschäft haben? Kommen aus Übersee neue Signale?
Schuster: Die Auswirkungen des Präsidentenwechsels in den USA sind zwar schwer abzuschätzen, doch wir sind auch hier insgesamt optimistisch gestimmt. Die großen Class-I-Güterbahngesellschaften, die das Rückgrat des amerikanischen Schienennetzes bilden, sind von politischen Wechseln nicht direkt betroffen, da sie private, zum Teil börsennotierte Unternehmen sind. Wir verzeichnen aktuell eine wachsende Nachfrage seitens wichtiger Class-I-Kunden nach unseren Produkten und gehen auch für die nächsten Jahre von einem vorteilhaften Marktumfeld aus.
Für Amtrak, den größten Betreiber schienengebundenen Personenverkehrs in den USA, der erhebliche Subventionen vom Staat erhält, sieht die Situation möglicherweise etwas anders aus. Politische Veränderungen können hier perspektivisch stärkere Auswirkungen haben. Obwohl es schwierig ist, genau vorherzusagen, wie sich der Präsidentenwechsel auf die Investitionstätigkeit von Amtrak auswirken wird, sind die aktuellen Signale auch in diesem Bereich überwiegend positiv.
Ein weiterer Grund für unsere Zuversicht ist das High-Speed-Projekt zwischen Las Vegas und Los Angeles. Dieses ambitionierte Vorhaben hat inzwischen die notwendige Finanzierung gesichert, und wir erwarten in naher Zukunft die Auftragsvergaben. Hier rechnen wir uns als Marktführer mit hervorragender Reputation sehr gute Chancen aus.
Insgesamt gehen wir davon aus, dass der US-amerikanische Markt in den kommenden Jahren eine hohe Wachstumsdynamik aufweisen wird. Die Kombination von steigender Nachfrage bei privaten Eisenbahnunternehmen und vielversprechenden Projekten wie dem genannten High-Speed-Projekt lässt uns mit großem Optimismus in die Zukunft blicken.
4investors.de: Welchen Eindruck haben Sie derzeit vom Geschehen in China?
Schuster: China ist und bleibt für uns ein stabiler und verlässlicher Markt. Von Beginn an sind wir am Aufbau des Hochgeschwindigkeitsnetzes beteiligt. Als einziger internationaler Akteur im Bereich der Schienenbefestigung für Hochgeschwindigkeitsstrecken sind wir seit weit über einem Jahrzehnt in einem unverändert stabilen Wettbewerbsumfeld tätig. Diese Kontinuität gibt uns eine klare Sicht auf die Marktbedingungen und trägt zu einer hohen Visibilität bei.
In diesem Jahr haben wir zwei bedeutende Großaufträge gewonnen, die unseren Auftragsbestand erheblich gestärkt haben und uns mit Zuversicht in das Jahr 2025 blicken lassen.
Die Pläne der chinesischen Regierung sind ebenfalls vielversprechend. China hat angekündigt, sein Hochgeschwindigkeitsnetz bis 2035 auf beeindruckende 70.000 Kilometer auszubauen, mit ersten Anzeichen, dass dieser Wert sogar übertroffen werden könnte.
Insgesamt ist China eine große Erfolgsgeschichte für unser Unternehmen, und wir sind überzeugt, dass diese positive Entwicklung auch in den kommenden Jahren anhalten wird. Durch das überdurchschnittliche weltweite Wachstum von Vossloh wird die Bedeutung Chinas für Vossloh perspektivisch allerdings sukzessive abnehmen.
4investors.de: Sie haben den Deutschen Nachhaltigkeitspreis erhalten. Wie bedeutend sind solche Auszeichnungen für Vossloh?
Furnivall: Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis (DNP) ist Europas größte Auszeichnung für ökologisches und soziales Engagement und würdigt die Pioniere der Nachhaltigkeit in Deutschland. Der Preis ist sehr renommiert und eine wertvolle Anerkennung unseres kontinuierlichen Engagements um umweltfreundliche Mobilität. Solche Auszeichnungen motivieren uns nicht nur, sondern bestätigen uns und unser Team auch nochmal, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Nachdem es im vergangenen Jahr nur zum zweiten Platz gereicht hat, haben wir den Preis in diesem Jahr tatsächlich gewonnen. Dementsprechend groß ist unsere Freude. Wir sind sehr stolz darüber, dass die unabhängige und hochkarätig besetzte Jury uns unter einer Vielzahl von großen, angesehenen und engagierten Unternehmen ausgewählt hat und damit unsere Leistung auf dem Gebiet Nachhaltigkeit würdigt.