2G Energy: „Dieses Thema ist ganz sicher kein Strohfeuer“
2G Energy hat zuletzt einen starken Auftragseingang gemeldet. Im Exklusivgespräch mit unserer Redaktion erläutert Friedrich Pehle, CFO von 2G, die Hintergründe dieser positiven Entwicklung. Er geht dabei ausführlich auf die einzelnen Regionen und deren Perspektiven ein. Thematisiert werden im Interview auch die Kapazitäten, die Lieferketten und der Capex. Die Prognose wird von Pehle ebenso angesprochen wie die aktuelle Kursentwicklung.
4investors.de: Sie haben jüngst Zahlen zum Auftragseingang publiziert. Im dritten Quartal liegt dieser bei 80,4 Millionen Euro, das ist ein Plus von 91 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Am Markt sieht man dabei aber durchaus Licht und Schatten.
Pehle: Naja, es ist aber schon viel Licht im Spiel!
4investors.de: Positiv fallen die Daten in Nordamerika (+650 Prozent), Europa (fast +600 Prozent) und Asien mit Australien (+267 Prozent) ins Auge. Was ist das los?
Pehle: Der Reihe nach! In den USA haben wir über viele Quartale an einer ganzen Reihe von großvolumigen Projekten gearbeitet. Der Inflation Reduction Act (IRA) wirkt zwar grundsätzlich beschleunigend, aber in der Praxis schauen jetzt neben Ingenieuren und Controllern nun noch Steuerberater auf die einzelnen Projekte. Der IRA hat die Projektpipeline also dicker, aber eben auch länger gemacht. Letztlich lagen im 3. Quartal einige Bälle auf dem Elfmeterpunkt, und die Kollegen haben die Unterschrift für ein bedeutendes Projekt geholt, nämlich 32 kleinere High-Tech-BHKWS, die Pflegeheime in Kalifornien resilienter in ihrer Energieversorgung machen werden. High-Tech deshalb, weil die Geräte a) erdbebensicher gebaut sein müssen und b) sämtliche Anlagen „H2-ready“ sind.
4investors.de: Wird sich dieser Trend in den USA fortsetzen?
Pehle: Ja! In den USA starten wir derzeit den Vertrieb für unser neues Demand Response Aggregat zur Spitzenlastabdeckung. Für 2025 gehen wir von zusätzlichen Aufträgen von 25 Millionen Dollar aus. Übrigens: Bei den gerade genannten 32 BHKW sind erst 20 im Auftragsbestand, da für die verbleibenden 12 Geräte die Anzahlung erst nach Monatsultimo eintraf. Wir haben den Eindruck, dass dieses Projekt eine gewisse Aufmerksamkeit geweckt hat. Derzeitig laufen Gespräche, bei denen es um ähnliche Lösungen gehen soll.
4investors.de: Was hat es mit der Auftragsentwicklung in Europa auf sich?
Pehle: In Europa müssen wir unterscheiden in West- und Osteuropa. Westeuropa einschließlich Deutschland ist doch sehr von rezessiven Störungen belastet. Es ist nicht so, dass bei den aktuellen Energiepreisen BHKW unattraktiv sind. Im Gegenteil: die derzeitigen Preisniveaus versprechen auffällig kurze Amortisationszeiten von teilweise weniger als 3 Jahren. Aber sehr viele Kunden haben derzeit Sorgen und wollen einfach nicht investieren, da sie wenig Vertrauen in die wirtschaftlichen Aussichten haben.
4investors.de: Und Osteuropa?
Pehle: Da gibt es auch Sorgen, aber eher sicherheitspolitische, und zwar mit Blick auf die militärische Bedrohungslage wie auch auf die Energieversorgung als solche, die abstrakt oder auch ganz real von der russischen Armee bedroht bzw. zerstört wird. Die Energieversorgung kommt aber ebenfalls strukturell unter Druck, da auch in Osteuropa das Thema CO2-Bepreisung an Bedeutung gewinnt. Zusammengenommen hat das zu einer ganzen Reihe von Aufträgen geführt, da BHKW nun mal für sauberere Luft sorgen – insbesondere im Vergleich zur heutigen, weitgehend kohlebasierten Energieversorgung. Hinzu kommt, dass BHKW dezentral arbeiten, robust in der Anwendung, flexibel bei den eingesetzten Brennstoffen und natürlich hoch wirtschaftlich sind, und wir vergleichsweise kurze Lieferzeiten garantieren können.
4investors.de: Eben haben Sie über die allgemeine Lage in Westeuropa geklagt. Auf der anderen Seite vermelden Sie, eine Ausschreibung über 17 Klärgas-BHKW in Südeuropa gewonnen zu haben. Ist das ein Widerspruch?
Pehle: Diese 17 Klärgas-BHKW sind noch gar nicht in den Q3-Zahlen enthalten, weil der Gewinn einer Ausschreibung ja nicht mit einer konkreten Beauftragung gleichgesetzt werden darf. Also diese 17 Klärgas-BHKW kommen erst im Oktober ins Auftragsbuch. Was ich eigentlich sagen will, diese Klärgas-BHKW wurden bestellt, weil es eine neue EU-Richtlinie gibt, die vorsieht, dass die Kläranlagen in Europa eine vierte Klärstufe bekommen, was neben der Wasserreinheit auch den Stromverbrauch steigern wird, nämlich wohl um bis zu 30 Prozent. Außerdem sieht die neue Verordnung vor, dass der Kläranlagensektor bis zum Jahr 2045 energieneutral werden muss, was wohl heißt, dass Klärgas-BHKW zur Standardausrüstung europäischer Kläranlagen werden. Das freut uns als Marktführer von Klärgas-BHKW! Denn dieses Thema ist ganz sicher kein Strohfeuer.
Auch in Deutschland gibt es in der jüngsten Zeit einige Entwicklungen, die unterstreichen, dass das Produktportfolio von 2G mit KWK-Kraftwerken und Großwärmepumpen strukturell sehr gut in die Landschaft passt und mit dem steigenden Handlungsdruck seine Nachfrage finden wird.
4investors.de: An was denken Sie da konkret?
Pehle: Nehmen Sie z.B. die Äußerung von Minister Habeck, der jüngst für das Wirtschafts- und Energieministerium klargestellt hat, dass die hoch flexible Verstromung von Biogas zum Ausgleich von Spitzenlasten durchaus Teil der gigantischen Werkzeugkiste ist, mit der die Energiewende gestemmt werden soll. Zur Erinnerung, wir sind mit einem Anteil von gut 40 Prozent Marktführer bei Biogas-BHKW in Deutschland.
Oder die Situation, die wir im April in Oranienburg gesehen haben. Da haben die Stadtwerke offiziell verkündet, dass neue Stromverbraucher nur noch im Rahmen der gesetzlichen Auflagen ans örtliche Netz genommen werden können, aber weder zusätzliche Gewerbetriebe noch private Wall-Boxen. Stromlücke, ick hör‘ dir trapsen.
4investors.de: Oranienburg ist ein Einzelfall?
Pehle: Das sagen Sie so. Der DIHK hat im Sommer eine Umfrage veröffentlicht, dass sage und schreibe 42 Prozent seiner Mitgliedsunternehmen erheblich unter kurzfristigen Stromausfällen leiden, also Lücken von weniger als drei Minuten. Die werden in den amtlichen Statistiken gar nicht erfasst, weshalb Deutschland immer so frappierend gut dasteht, wenn die Stabilität der Stromversorgung international verglichen wird. Aber diese Drei-Minuten-Schwelle stammt natürlich aus einer Zeit, als bei einem Stromausfall einfach drei Minuten Pause gemacht wurde. Heute ist es umgekehrt. Die persönliche Pause können sie vergessen, denn ihr Rechner muss erst wieder gebootet, der CNC-Fräskopf gewechselt, das automatische Lagersystem in Nullstellung gefahren werden, die elektronische Registrierkasse einen Tagesabschluss machen und der Kaffeevollautomat führt auch erstmal sein tägliches Reinigungsprogramm durch, wenn er drei Minuten ohne Strom war.
4investors.de: Geht es auch weniger pessimistisch?
Pehle: Klar. Die kommunale Wärmeplanung, die nach Ansicht der Experten ab 2026 die Großwärmepumpen zum Mittel der Wahl in der Wärmewende machen wird. Hier sind wir mit unseren Großwärmepumpen mit thermischen Leistungen von 100 kW bis 2.600 kW gut positioniert. Wir registrieren bereits heute ein überwältigendes Interesse von Kommunen, Stadtwerken, Versorgern, Contractoren und der Industrie. Für Wärmepumpen öffnet sich übrigens nicht nur in Deutschland ein Markt. Selbst in Ländern mit viel Atomstrom wird es billiger sein, mit Hilfe der Wärmepumpe aus wenig Atomstrom viel Wärme zu machen, als der direkte Weg, bei dem Heizstäbe viel Wärme aus noch viel mehr Atomstrom erzeugen.
4investors.de: Wie sieht es mit der Teileversorgung aus? Ist der aktuelle Auftragseingang in dieser Hinsicht ein Problem?
Pehle: Teileversorgung ist normalerweise kein Problem für uns, wie man ja in der Versorgungskrise nach Corona ganz gut sehen konnte. Aber es stimmt schon: die aktuelle Auftragslage sorgt für eine Vollauslastung bis weit in die zweite Jahreshälfte 2025 hinein. Da muss im Einkauf schon beidhändig telefoniert werden, um alle Komponenten zeitgerecht heranzuschaffen. Aber die ersten Resonanzen aus dem Liefernetzwerk stimmen uns optimistisch.
Grundsätzlich trifft uns diese Welle nicht unvorbereitet. Im Gegenteil! Die zahlreichen Maßnahmen in den letzten Jahren zur Industrialisierung unserer Prozesse, also Arbeitsplatzgestaltung, saubere Dokumentation, Führungskräfteausbildung, Einführung von Prinzipien der Fließfertigung usw. sollten uns jetzt erlauben, den Output verhältnismäßig kurzfristig ohne Friktionen deutlich zu erhöhen. Die Umsatzdelle des ersten Halbjahres werden wir also sicher ausgleichen und im kommenden Jahr dann wohl in der oberen Hälfte der Prognose enden .
4investors.de: Ihre Prognose für 2025 liegt bei 410 Millionen Euro bis 450 Millionen Euro. Sie rechnen somit mit einem starken Wachstum. Gibt es dabei auch Skaleneffekten in der Produktion und im Einkauf? Werden Sie bald eine Prognose publizieren, die die EBIT-Marge auf über 10% anhebt?
Pehle: Da wäre ich zunächst vorsichtig. Klar, stabile Vollauslastung bei optimierten Betriebsabläufen sollte helfen, die Marge strukturell spürbar zu verbessern. Aber das ist eben eine strukturelle Verbesserung, bei der wir erstmal schauen müssen, ob sie kurzfristig die ja zweifellos ebenfalls auch kurzfristig auftretenden Mehrkosten kompensieren können. Schließlich werden Extraschichten gefahren, zusätzliche Lieferanten an Bord genommen, neue Servicepartner geschult usw.
4investors.de: Wie sieht es mit Capex aus? Kann 2G die Vielzahl der einlaufenden Aufträge mit den vorhandenen Kapazitäten bewältigen oder muss der Capex ansteigen?
Pehle: Wir haben in den letzten Jahren kontinuierlich unsere Kapazitäten in Form von zusätzlichen Montagehallen ausgebaut. Für die nächste Halle ist bereits der Bauantrag gestellt. Soweit wir es sehen, bietet der Standort in Heek noch ausreichend Kapazitäten, um das erfolgreiche Wachstum der letzten Jahre fortzusetzen. Also Capex müssen wir grundsätzlich im Auge behalten, aber es sieht nicht danach aus, dass wir kurzfristig an finanzielle, technische oder bauliche Grenzen stoßen.
4investors.de: Um sicher zu sein: Das Auftragsbuch stützt sich im Wesentlichen auf BHKW, oder sind auch Wärmepumpen enthalten?
Pehle: Guter Punkt! Das Orderbook besteht tatsächlich zu 98 Prozent aus BHKW. Mit der Vermarktung der Großwärmepumpe fangen wir erst jetzt richtig an. Wir wollen nur Produkte in Verkehr bringen, die vollständig industrialisiert sind, wo also die Technik klar ist, die Dokumentation steht - auch im Detail -, das Service-Konzept entwickelt ist, die Inbetriebnahme-Experten geschult sind, Ersatzteilbevorratung durchgeplant ist usw. 2G liefert keine Bananen-Produkte aus, die erst beim Kunden reifen.
4investors.de: Ihr Umsatz steigt von Jahr zu Jahr, gleiches gilt für das Ergebnis. Der Kurs hat in den vergangenen zwölf Monaten jedoch um 25 Prozent nachgegeben. Was hat der Markt falsch verstanden, warum hat sich der Kurs so entwickelt?
Pehle: Das wundert mich auch! Wir sind seit 2013 allein mit unseren KWK-Anlagen und dem Service im Durchschnitt mit 11,2 Prozent gewachsen.
4investors.de: Wenn man diesen CAGR hochrechnet, kommt man bis 2030 auf Umsätze, die näher an 1 Milliarde Euro als an 500 Millionen Euro liegen, oder?
Pehle: Ich will jetzt keine neue Prognose geben, auch nicht durch die Hintertür und schon gar nicht eine vom Zeithorizont und von der wirtschaftlichen Bedeutung so weitreichende. Aber ich will doch sagen, dass es sich bei 2G um ein grundsolides Maschinenbau-Unternehmen handelt, das seit Jahren mit deutlich mehr als 10 Prozent wächst und dessen EBIT sich in dieser Zeit vervielfacht hat. 2G hat den Bedarf für die sichere Transformation jenseits der Wind- und Solarstromerzeuger erkannt und sich als Solution Provider etabliert. Wie es ein Analyst dieser Tage schrieb: „Produktvarianten und Ergänzungen wie Großwärmepumpen für kommunale Wärmekonzepte oder die Demand Response Aggregate zur Abdeckung von Spitzenlasten unterstreichen das tiefe Verständnis des Unternehmens für die Bedürfnisse, die sich aus den Umstellungsprozessen von Energieversorgungskonzepten weltweit ergeben und runden das Produktportfolio ab“. Ich finde, das triffts ganz gut!