Börse am Morgen: U.a. mit EnBW, Lebensmittelhandel, Volkswagen und die Autobranche - Nord LB
Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) sieht dunkle Wolken für die dt. Konjunktur. Für 2024 erwartet das IfW jetzt ein schrumpfendes BIP von minus 0,1% (wörtlich: „die dt. Wirtschaft kommt nicht in die Gänge“). In die gleiche Kerbe schlägt der Präsident des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA): „Der dt. Außenhandel steht vor einer Rezession“. Fehlende Neuaufträge in der dt. Autoindustrie vervollständigen die Faktenlage. Das Münchner Ifo-Institut bestätigt in einer Umfrage, dass sich „die Stimmung in der Autoindustrie“ im „Sturzflug“ befindet. Der Geschäftsklimaindikator sank im August auf -24,7 Punkte (Juli: -18,5). Der in aller Munde diskutierte VW-Sparkurs samt Werksschließungen kommt wohl doch nicht von ungefähr.
Tagesausblick
Mit Blick auf die weitere konj. Entwicklung wird sich die Aufmerksamkeit heute auf drei Indikatoren richten. Aus Deutschland wird der Auftragseingang für die Industrie gemeldet. Ein Vorbote des Endes der Industrierezession wird nicht erwartet; ein Anstieg wäre eine sehr große Überraschung. Zudem kommen neue Zahlen zum Einzelhandel in der Eurozone. Der Konsum soll ja zu einer tragenden Säule des Aufschwungs werden. Die Erwartungen der im Vorfeld befragten Ökonomen reichen von Rückgang bis Zuwachs auf Monatssicht; die Unsicherheit ist groß, weil es seit April keine Zahlen aus Deutschland gibt. Wir rechnen mit einem kleinen Minus auf europ. Ebene. Am Nachmittag werden dann noch die Einkaufsmanager im Dienstleistungssektor der USA publiziert. Wir rechnen mit anhaltender Unterstützung und einem marginalen Anstieg auf 51,5 Punkte.
Renten- und Aktienmärkte
Der DAX kam nach dem Tech- (Nvidia) induzierten Ausverkauf am Dienstag nicht wirklich in die Gänge. Erinnerungen an die Marktkorrektur von Anfang August verharren immer noch im Kurzzeitgedächtnis der Marktteilnehmer. Der traditionell sehr schwache Börsenmonat September lässt grüßen! Entsprechend waren (gehebelt von fallenden Zinsen) sichere Rentenpapiere gefragt. Renditen 10-jähriger dt. Bunds fielen auf 2,22% (-5bp). Analog die Yields von US-Treasuries (-4bp), nachdem die Sorge über zukünftige US-Wachstumsaussichten (Stellenangebote fielen auf den niedrigsten Stand seit Anfang 2021) ihre Spuren hinterließen. DAX -0,83%; MDAX -0,43%; TecDAX -1,53%; Dow Jones +0,10%; S&P 500 -0,16%; Nasdaq Comp. -0,30%.
Unternehmen
Der dt. Lebensmitteleinzelhandel (LEH) hat im Jahr 2023 erstmals die Marke von EUR 200 Mrd. überschritten und einen neuen Umsatzrekord (EUR 204,5 Mrd.) erzielt (+5%). Laut Handelsforschungsinstitut EHI verzeichneten dabei die Discounter (Aldi, Lidl) den größten Zuwachs (fast 7%). Warum? Die wirtschaftl. angespannte Situation würdigen die Deutschen mit dem alten Preisversprechen der Discounter. Beim Blick auf die inflationäre Entwicklung offenbart sich dann aber auch noch ein anderes Bild. Laut Stat. Bundesamt sind die Nahrungsmittelpreise in 2023 nämlich zweistellig (um 12%) gestiegen. In der Quintessenz ist das erzielte Umsatzwachstum damit sogar niedriger als die inflationäre Preisentwicklung (zur Einordnung: in Deutschland wird der LEH durch Discounter (46%) sowie Edeka, Rewe (zusammen 42%) dominiert; der verbleibende Rest (12%) entfällt auf kleine Lebensmittelgeschäfte sowie SB-Warenhäuser).
EnBW erhält eine weitere Legitimation für den Ausbau ihres dt. Ökostromgeschäfts. In einer PV-Freiflächenausschreibung der Bundesnetzagentur konnten die Karlsruher für sieben Solarprojekte Zuschläge vermelden (Gesamtleistung der Projekte in Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern: 184MW).
Rohstoffe
In Mukran (Rügen) hat das Flüssigerdgasterminal „Deutsche Ostsee“ den Regelbetrieb begonnen. Weltweit erstmals wurde in der letzten Woche LNG zwischen zwei miteinander verbundenen Regasifizierungs-Schiffen (Floating Storage and Regasifications Units) verladen. Das LNG wird (nach der Umwandlung in Gas) über eine Erdgas-Anbindungsleitung nach Lubmin in das Verteilnetz eingespeist. Die dt. Gasspeicher sind drei Wochen vor Beginn der Heizsaison indes zu rd. 95% gefüllt (EU: 92,52%). Sorgen vor einer Gasmangellage braucht man sich also nicht machen. In diesem Umfeld handelte TTF Gas gestern schwach bei EUR 35,81/MWh (-3,14% ggü. der letzten Handels-Session).
Der Ölpreis bleibt unter Druck. Der Gesamtmarkt ist im Risk-Off Modus. Ob die OPEC+ im Oktober die Angebotsmenge wirklich erhöht, steht in den Sternen. Falls kurz- bis mittelfristig libysches Öl auch wieder auf den Markt drängen würde (derzeit nicht unwahrscheinlich) würde das Angebot nur noch größer werden.
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