DEWB: „Wir sehen aktuell Übertreibungen nach unten“
Nach einem herausfordernden Geschäftsjahr 2022 peilt die Deutsche Effecten- und Wechsel-Beteiligungsgesellschaft AG (DEWB) für 2023 wieder ein positives Jahresergebnis an. Beim aktuellen Aktienkurs von 0,825 Euro wird die DEWB-Aktie mit einem hohen Abschlag zum marktnahen Eigenkapitalwert von 1,38 Euro je Aktie gehandelt. Die Redaktion von www.4investors.de sprach mit DEWB-CEO Bertram Köhler über erste Erholungstendenzen, eine neue Anleihe sowie das Portfolioziel von 100 Millionen Euro: „Aus unserer Sicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Markt qualitativ hochwertige Geschäftsmodelle in zukunftsträchtigen Wachstumsmärkten angemessen honoriert.“
4investors.de: Herr Köhler, die DEWB hat den Geschäftsbericht 2022 vorgelegt. Sind Sie erleichtert, dass mit 2022 ein gerade für einen Fintech-fokussierten Investor schwieriges Jahr hinter Ihnen liegt?
Bertram Köhler: Das abgelaufene Geschäftsjahr war in der Tat sehr herausfordernd. Die hohe Konzentration verschiedener Belastungsfaktoren – Corona, Lieferketten, Ukrainekrieg, Energiekrise – hat den Kapitalmärkten zugesetzt und die Marktteilnehmer in eine weitgehende Abwartehaltung versetzt. Ein solches Umfeld wirkt sich natürlich auf das operative Geschäft unserer Beteiligungen aus. Besonders betroffen waren dabei diejenigen Geschäftsmodelle, die mit dem Schwerpunkt Asset Management von aktiven Börsen abhängig sind. In unserem Fall waren das die Neobrokerage-Beteiligungen NAGA und nextmarkets. Seit Jahresanfang sehen wir aber erste Erholungstendenzen im Markt.
4investors.de: Wertberichtigungen auf die beiden angesprochenen Neobrokerage-Beteiligungen haben auch das DEWB-Ergebnis 2022 geprägt. Die NAGA Group hat zuletzt jedoch besser als erwartete Q1-Zahlen präsentiert und operativ den Sprung in die schwarzen Zahlen geschafft, was sich auch in einem positiven Aktienkursverlauf seit Jahresbeginn widerspiegelt. Wie bewerten Sie als Investor die aktuelle operative Entwicklung bei der NAGA Group?
Bertram Köhler: NAGA hat stark auf den Krypto-Markt gesetzt und mit Blick auf den geplanten NASDAQ-IPO massiv in Technologie investiert. Mit NAGAX wurde dabei ein Plattform-Angebot geschaffen, das seinesgleichen sucht. Mit dem – nach unserer Einschätzung temporären – Einbruch des Kryptomarktes im Jahr 2022 ist das Geschäft in diesem Bereich jedoch weitgehend ausgefallen. NAGA hat reagiert und sich auf sein bisheriges Kerngeschäft im Brokerage re-fokussiert. Trotz der schwachen operativen Entwicklung 2022 bietet NAGA aus unserer Sicht mit seiner Brokerage-App, seiner Neobanking-App NAGA Pay und der regulierten Krypto-Plattform NAGAX heute in diesem Bereich das breiteste und innovativste Produktangebot am Markt.
4investors.de: Demnach ist der Investment Case bei NAGA für Sie nach wie vor intakt?
Bertram Köhler: Ja, auch wenn das Timing bei unserem NAGA-Einstieg im Nachhinein etwas unglücklich war, ist der Investment Case für uns intakt. Wie die Zahlen des ersten Quartals 2023 zeigen, wirken sich die Maßnahmen des NAGA-Managements bereits positiv aus. Mit anziehenden Märkten dürfte sich das Wachstum weiter beschleunigen und NAGA gestärkt aus 2022 hervorgehen.
4investors.de: Eine Achterbahnfahrt haben Investoren bei der nextmarkets AG hinter sich. Vor Kurzem noch als IPO-Kandidat gehandelt, steht nun sogar die Auflösung der Gesellschaft zur Debatte. Sie haben mit der Komplettabschreibung der Beteiligung auf die neue Entwicklung reagiert. Ist Ihr Investment in Höhe von rund 1,3 Millionen Euro nun endgültig verloren oder haben Sie noch Hoffnung auf eine positive Entwicklung bei nextmarkets?
Bertram Köhler: Die jüngsten Entwicklungen bei nextmarkets in den vergangenen Wochen haben uns – wie auch andere Minderheitsaktionäre – durchaus überrascht. Offensichtlich haben Vorstand und Lead-Investoren der nextmarkets nach einem schwachen ersten Quartal 2023 nicht mehr an eine erfolgreiche Stand-alone Fortführung geglaubt und sich für einen geordneten Verkauf des Unternehmens entschieden. Entsprechend haben wir nach dem Vorsichtsprinzip eine komplette Abschreibung des Beteiligungsbuchwertes der nextmarkets zum 31.12.2022 vorgenommen und die Risiken aus der Bilanz genommen. Die zwischenzeitlich gestartete Initiative der Leadinvestoren für ein Fortführungsszenario begrüßen wir, da es im Falle einer erfolgreichen Umsetzung auch für uns Chancen auf einen Turnaround der Beteiligung eröffnet.
4investors.de: Den im Geschäftsjahr 2023 vorgenommenen Abschreibungen auf Finanzanlagen und Forderungen gegen Beteiligungen in Höhe von 3,3 Millionen Euro stehen aktuell stille Reserven in Höhe von rund 6,6 Millionen Euro gegenüber. Ein wesentlicher Teil davon dürfte auf Ihre größte und wertvollste Beteiligung, den ebenfalls börsennotierten Asset-Manager LAIQON AG, entfallen, der mit einem Anstieg des verwalteten Vermögens auf 5,7 Milliarden Euro in 2022 und dem Ziel von 8 bis 10 Milliarden Euro bis 2025 stark wächst. Wird LAIQON der entscheidende Erfolgsfaktor für das DEWB-Portfolio bleiben?
Bertram Köhler: LAIQON steht als Kernbeteiligung im Mittelpunkt unserer Investmentstrategie. Die frühere Lloyd Fonds AG hat seit unserem Einstieg eine bemerkenswerte Entwicklung gezeigt. LAIQON hat eine sehr erfolgreiche Aufbauarbeit geleistet und mit dem WealthTech LAIC als Herzstück seiner Digitalisierungsstrategie eine Plattform geschaffen, die die Basis für die künftige Skalierung bildet. Diesen nächsten Wachstumsschritt wollen wir als Ankeraktionär weiter begleiten und davon entsprechend profitieren, zumal wir den jüngsten Newsflow der Gesellschaft als sehr vielversprechend einstufen. LAIQON bleibt ein wichtiger Teil unserer Wachstumsstrategie.
4investors.de: Unter den nicht börsennotierten Beteiligungen hat sich insbesondere die Schweizer Stableton Financial AG sehr positiv entwickelt. Der Anbieter eines europäischen Marktplatzes für alternative Anlagen konnte das über seine Plattform verwaltete Vermögen seit dem Einstieg der DEWB im vergangenen Jahr um das 7,5-Fache steigern. Wie sehen Sie die weiteren Perspektiven für Stableton?
Bertram Köhler: Stableton hatte 2022 in einem auch für Alternative Investments zunehmend schwieriger gewordenen Marktumfeld mit einigem Gegenwind zu kämpfen. Dass Stableton in diesem Umfeld eine Finanzierungsrunde über 15 Millionen Schweizer Franken einwerben und dabei einen sehr deutlichen Bewertungsanstieg im Vergleich zu unserem Einstieg erzielen konnte, spricht für die Qualität des Geschäftsmodells und des Managements. Mit den Mitteln der Runde ist Stableton solide finanziert, um seine führende Stellung weiter auszubauen. Hierfür wurden die Marketing- und Vertriebsaktivitäten erhöht und weitere Produktinnovationen an den Start gebracht. Die auch bei den Alternativen Investments stark korrigierten Bewertungen bieten mittlerweile attraktive Investmentchancen im Sekundärmarkt, wovon die Plattformumsätze von Stableton profitieren sollten. Mit einer Erholung des Marktes erwarten wir wieder deutlich überproportionales Wachstum.
4investors.de: Bei Ihrer Beteiligung Cashlink gab es im März eine Finanzierungsrunde. Können Sie etwas zur Bewertung im Rahmen dieser Maßnahme sagen?
Bertram Köhler: Da das Unternehmen keine Zahlen veröffentlicht hat, können wir uns hierzu nicht konkret äußern. Ich kann aber bestätigen, dass die Bewertung der Cashlink-Finanzierungsrunde in diesem Jahr über unserer Einstiegsbewertung lag. Der Beitrag zu unserer stillen Reserve ist zwar noch überschaubar, wir sehen aber aufgrund der einzigartigen Infrastruktur und der disruptiven Technologie von Cashlink im Bereich tokenisierte Assets enormes Potenzial für diese Beteiligung.
4investors.de: Ihre aktuell mit 4 Prozent verzinste Anleihe 2018/2023 steht zur Refinanzierung an. Sie prüfen aktuell die Ausgabe einer neuen Anleihe. Rechnen Sie mit einem großen Interesse der bestehenden Anleihegläubiger oder spekulieren Sie eher auf neue Investoren?
Bertram Köhler: Die Ansprache unserer Investoren läuft offiziell seit Dienstag. Die geplante Umtauschanleihe wäre bereits die vierte DEWB-Anleihe in Folge. In den vergangenen 15 Jahren haben unsere Anleiheinvestoren DEWB als zuverlässigen Emittenten kennengelernt. Die auslaufende Anleihe hat in einem schwierigen Umfeld eine sehr stabile Kursentwicklung gezeigt. Entsprechend positives Feedback haben wir von Bestandsinvestoren erhalten.
Wir sehen aber auch grundsätzliches Interesse von neuen Investoren und sind zuversichtlich, dass hier bei Bedarf ein größerer Teil platzierbar sein wird. Letztlich wird es auf die Konditionen – insbesondere den Kupon – ankommen.
4investors.de: Gibt es für die DEWB aktuell Optionen für neue Investitionsmöglichkeiten, Ziel ist ja mittelfristig ein Beteiligungsportfolio von 100 Millionen Euro aufzubauen. Steht ein Beteiligungsausbau aktuell im Fokus bzw. können Sie im Hinblick auf die Finanzierungssituation überhaupt größere neue Beteiligungen eingehen – wie sehen Sie die aktuelle Situation und welche Optionen haben Sie mit Blick auf den Portfolioausbau?
Bertram Köhler: Der Markt bietet weiterhin durchaus attraktive Beteiligungsoptionen, wenngleich die Zahl der Finanzierungsrunden in den vergangenen Monaten merklich zurückgegangen ist. Für den weiteren Portfolioausbau planen wir, im Durchschnitt zwei Neuengagements pro Jahr einzugehen. Mit Blick auf das Marktumfeld halten wir uns aktuell noch zurück. Nach erfolgreicher Ablösung der Anleihe und einer hoffentlich eintretenden Entspannung am Markt sind wir jedoch zuversichtlich, im zweiten Halbjahr 2023 auf der Beteiligungsseite noch Transaktionen umsetzen zu können.
4investors.de: Für das laufende Geschäftsjahr haben Sie auch Aktivitäten auf der Exitseite in Aussicht gestellt, mit dem Ziel ein positives Jahresergebnis zu erzielen. Ein Teil- oder Komplettexit dürfte jedoch nur möglich sein, wenn die erhoffte Entspannung im Markt im zweiten Halbjahr auch eintritt und Rückenwind gibt, oder?
Bertram Köhler: Natürlich sind wir in unserem Geschäft temporär von der Entwicklung des Marktumfeldes abhängig. Zum einen hängt die operative Entwicklung unserer im Asset Management tätigen Beteiligungen von der Börsenentwicklung ab. Zum anderen beeinflussen Marktstimmung und Bewertungsniveaus den Erfolg von Verkaufsprozessen. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass sich im Verlauf des Geschäftsjahres die Stimmung an den Märkten weiter bessert und wir eine Transaktion erfolgreich umsetzen können.
4investors.de: Sie beziffern den marktnahen Eigenkapitalwert, sprich den inneren Wert der DEWB-Aktie, aktuell auf 1,38 Euro je Aktie – bei einem Aktienkurs von 0,825 Euro. Sind angesichts dieses hohen Discounts über klassische IR-Maßnahmen hinaus auch Aktienrückkäufe ein Thema?
Bertram Köhler: Um unser mittelfristiges Wachstumsziel eines Portfoliowerts von 100 Millionen Euro zu erreichen, erachten wir es als sinnvoll, Liquidität und Rückflüsse aus Beteiligungen zu reinvestieren. Ein Aktienrückkaufprogramm planen wir daher aktuell nicht. Die Erfahrungen der Vergangenheit stimmen uns jedoch zuversichtlich, dass sich der aktuell hohe Abschlag des DEWB-Aktienkurses gegenüber dem inneren Wert im Falle einer weiteren Normalisierung des Marktumfeldes wieder signifikant verringern wird.
4investors.de: Grundsätzlich ist der Digitalisierungstrend in der Finanzindustrie intakt. Wann wird sich dies aus Ihrer Sicht auch wieder in den Bewertungen der dort aktiven Unternehmen niederschlagen?
Bertram Köhler: Dies ist abhängig von der allgemeinen Marktentwicklung und den Tech-Bewertungen im Besonderen. Während es noch Ende 2021 hier deutliche Übertreibungen nach oben gab, sehen wir bei vielen erstklassigen Unternehmen heute Übertreibungen nach unten. Die Börsenbewertungen haben sich mit etwas Zeitversatz auch auf das außerbörsliche Segment /Private Equity und Venture Capital-Segment durchgeschlagen und dies interessiert uns natürlich sehr auf der Investitionsseite. Aus unserer Sicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Markt qualitativ hochwertige Geschäftsmodelle in zukunftsträchtigen Wachstumsmärkten angemessen honoriert. Hiervon wird unser Portfolio sicher stark profitieren.