Die Rezession fällt aus - doch ein Mix anderer Probleme macht Unternehmen das Leben schwer - iBanFirst
Ende des vergangenen Jahres rechnete der Markt mit einer Rezession in der Eurozone und den USA in 2023 – was heute alles andere als sicher ist. Dennoch sind die Rezessionsängste nicht verschwunden. Zumindest einige Analysten gehen davon aus – unter anderem wegen der gesunkenen Nachfrage –, dass die USA in den nächsten zwölf Monaten eine Konjunkturschwäche erleben werden. Die meisten Analysten sind jedoch völlig ratlos, wohin der Wachstumspfad führen wird. In einer Umfrage von Bloomberg und MLIV wurden die Marktteilnehmer Ende Februar gefragt, wie sich die US-Wirtschaft am wahrscheinlichsten entwickeln wird. Die Hälfte der Befragten konnte sich dabei für keine der vorgeschlagenen Optionen – vor allem für "weiche Landung" oder "harte Landung" – entscheiden Kurz gesagt: Niemand weiß, was passieren wird.
Mit einem blauen Auge davonkommen
Wir bei iBanFirst gehen davon aus, dass die Weltwirtschaft in diesem Jahr gerade nochmal so an einer Rezession vorbeischrammen wird. Die US-Konsumenten sind trotz der weit verbreiteten Inflation deutlich widerstandsfähiger als ursprünglich erwartet. Und in China tragen Konjunkturmaßnahmen erste Früchte: So haben sich die Immobilienverkäufe im Februar positiv entwickelt – das erste monatliche Wachstum seit 2021. Weitere Stimulierungsmaßnahmen für den Immobilienmarkt seitens der chinesischen Regierung dürften folgen. Vor allem aber: Auf seinem jüngsten Nationalen Volkskongress hat China ein BIP-Wachstumsziel von fünf Prozent angekündigt. Allerdings dürfte der Anteil Chinas an den globalen Wachstumsimpulsen nun unter 20 Prozent liegen (gegenüber rund 30 Prozent vor Covid). Dennoch ist das Geschehen in China für die Weltwirtschaft nach wie vor von überragender Bedeutung – ein weiterer Faktor, der die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in diesem Jahr verringert.
Selbst Europa steht besser da als ursprünglich angenommen. So hatte niemand Zweifel gehegt, dass die Rezession der britischen Wirtschaft tief und lang sein würde. Am Ende könnte sie weniger schmerzhaft ausfallen als erwartet. Der Marktkonsens prognostiziert jetzt nur noch einen Rückgang des BIP um 0,6 Prozent im Jahr 2023. Und sollten die Energiepreise weiter sinken, könnte die Rezession ganz ausfallen. Allerdings ist die generelle wirtschaftliche Unsicherheit ungewöhnlich hoch. Die jüngsten Turbulenzen bei den Banken haben dieses Gefühl noch einmal verschärft. Die Prognostiker sind sich daher nicht einig, ob die Weltwirtschaft schrumpfen wird oder nicht. Auch die Inflationsentwicklung ist auf Sicht von drei Monaten kaum vorhersehbar. Schätzungen für mehrere Länder der Eurozone deuten darauf hin, dass die Inflation leicht sinken könnte.
Falscher Konjunkturzyklus
Die Pandemie hat die Wirtschaft allerdings völlig aus dem Tritt gebracht, was sich langfristig auf Inflation und Wachstum auswirken wird. Denn auf die Depression nach der globalen Abschottung folgte zwar eine kurze Erholung. Doch all die Konjunkturpakete zum Schutz der Wirtschaft und vor den Störungen durch Covid haben zur Inflation geführt – die lange anhalten wird. Dies ist sicherlich keine Neuauflage der 1970er Jahre (vor allem in der Eurozone, wo es keine Lohn-Preis-Spirale gibt); zumal sich einige Aspekte zu normalisieren beginnen, wie etwa die Lieferketten und Frachtraten. Aber es gibt viele Ungleichgewichte in der Wirtschaft: der Arbeitskräftemangel in den englischsprachigen Ländern, hierzulande und in Mittel- und Osteuropa, die Deglobalisierung, also das Zurückholen von einst ausgelagerten Produktionsstätten, und der Krieg in der Ukraine.
Einige dieser Ungleichgewichte sind struktureller Natur. Was uns bei iBanFirst Sorgen macht, ist daher nicht eine Rezession – die unserer Meinung nach ohnehin nicht eintreten wird. Vielmehr erleben wir eine Periode rascher Wechsel, auch von Stimmungen, in der das Wachstum auf niedrigem Niveau schwankt und die Arbeitslosigkeit steigt, aber immer noch niedrig ist. Diese Kombination wird für die Märkte, die Zentralbanken und die Unternehmen – vor allem wenn die Kapitalkosten weiter drastisch steigen – schwieriger sein als eine „normale Rezession“. Wir haben es also mit einem völlig neuen Geschäftsumfeld zu tun, das von großer Unsicherheit geprägt ist. Das schlimme: Die meisten Firmen haben dies nicht im Blick – und sind erst Recht nicht auf diese toxische Mischung vorbereitet.
Disclaimer: Der Text ist eine Kolumne der Mark Elser, Country Head Germany von iBanFirst. Der Inhalt der Kolumne wird von 4investors nicht verantwortet und muss daher nicht zwingend mit der Meinung der 4investors-Redaktion übereinstimmen. Jegliche Haftung und Ansprüche werden daher von 4investors ausdrücklich ausgeschlossen!