BIP Deutschland und Eurozone: Deutschland als Bremsklotz - Nord LB
Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden hat heute Vormittag seine vorläufige Schätzung zur Entwicklung des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) im II. Quartal gemeldet. Die Berechnungen zeigen, dass die deutsche Wirtschaft im Frühjahr nicht gewachsen ist: die preis-, saison- und kalenderbereinigte Veränderungsrate im Vergleich zum I. Quartal beträgt 0% Q/Q. Im Jahresvergleich wuchs das preis- und kalenderbereinigte BIP um 1,4%, während der unbereinigte Wert bei 1,5% notiert. Dies ist natürlich keine wirklich freundliche Entwicklung, die viele Beobachter eher negativ überrascht.
Dazu veröffentlichte Destatis Revisionen für die ab 2018 gemeldeten BIP-Zahlen. Demnach entwickelte sich die deutsche Wirtschaft im ersten Quartal 2022 besser als zunächst angenommen. Die preis-, kalender- und saisonbereinigte Wachstumsrate im Vergleich zum Vorquartal liegt bei 0,8% statt 0,2%. Leicht abwärts revidiert ergibt sich für die Jahresrate 3,6%, unbereinigt 3,9%.
Stützend für die deutsche Wirtschaft waren in Q1 vor allem der private und staatliche Konsum, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Hingegen schwächte der sonst starke Außenbeitrag das Wachstum. Die durch die russische Invasion in der Ukraine ausgelöste Energiekrise, die hohe Inflation und die noch immer gestörten Lieferketten zeichnen ein insgesamt sehr unsicheres Bild der weltwirtschaftlichen Lage. Dies wird sich weiter fortsetzen, da der Krieg nicht beendet ist und auch China noch immer die Zero-Covid Strategie favorisiert. Die Stimmung in Deutschland verschlechtert sich. Das zeigt zum Beispiel das jüngst bekannt gegebene GfK Konsumklima, welches auf ein Rekordtief seit Messbeginn absackte. Ebenso hat sich der letzte ifo-Geschäftsklimaindex eingetrübt. Diese Zahlen deuten also alle auf eine schlechte wirtschaftliche Entwicklung hin. Der IWF hat seine Gesamtprognose für das BIP-Wachstum in 2022 auf 1,2% revidiert.
Auch Eurostat in Luxemburg hat heute erste Schätzungen zum BIP-Wachstum im I. Quartal bekannt gegeben. Trotz Rekordinflation und Ukraine-Krieg ist das preis- und saisonbereinigte BIP innerhalb der Eurozone um 0,7% Q/Q gewachsen. Auf Jahressicht ergab sich ein Wachstum von 4,0%. Diese Werte übertreffen die zuvor von Analysten erwarteten Ergebnisse. Spanien (+1,1% Q/Q) und Italien (+1,0% Q/Q) verzeichneten die stärksten Anstiege – hier zeigt sich die dienstleistungsgetriebene Erholung im Tourismusbereich. In Frankreich ergab sich ein BIP-Wachstum von 0,5%. Hingegen kühlte sich die Wirtschaft in Portugal (-0,2% Q/Q) ab.
Fazit: Im II. Quartal ist die deutsche Wirtschaft stagniert: das preis-, kalender- und saisonbereinigte BIP-Wachstum beträgt 0,0% Q/Q. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum wuchs das BIP um 1,4%. Der Ukraine-Krieg, steigende Preise sowie die sich weiter verschlimmernde Gaskrise lasten schwer. Gemeinsam mit den jüngsten Inflationsdaten (7,5% Y/Y) befindet sich die deutsche Wirtschaft also nun in einer Stagflation. Innerhalb der Eurozone wuchs das BIP hingegen im Vergleich zum I. Quartal um 0,7% - hier steht Deutschland nun hinter seinen Nachbarländern. Was Deutschland und auch die gesamte Eurozone belastet, ist die Aussicht auf den Winter: Gasmangel und steigende Rohstoffkosten werden die weitere konjunkturelle Entwicklung in diesem Jahr beeinträchtigen. Die Risiken für eine Rezession sind hoch. Die EZB hat vergangene Woche einen Zinsanhebung gewagt und die Leitzinsen um 50 BP angehoben.
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