Bärenmarktrally: Positive Impulse unverändert Mangelware - Börse München
Nervenzehrende Woche: Die deutschen Aktienbörsen haben in der vergangenen Woche erhebliche Schwankungen verzeichnet. Nach einem festeren Wochenauftakt ging es im weiteren Verlauf teils steil abwärts, bevor am Freitag eine Erholung einsetzte. Die Gründe für die zeitweilig erheblichen Verluste waren die seit geraumer Zeit bekannten Belastungsfaktoren „Zins- und Inflationssorgen“ sowie „Rezessionsängste“. Letztere erhielten in der vergangenen Woche durch teils unterhalb der Prognosen ausgefallene Konjunkturdaten zusätzliche Nahrung. So enttäuschten sowohl die Einkaufsmanagerindizes für die Eurozone und die USA als auch der Ifo-Geschäftsklimaindex die Erwartungen der Marktteilnehmer. Mit Blick auf die Unternehmensseite belasteten sowohl Prognosesenkungen als auch Analystenurteile. Für Auftrieb sorgten dagegen in erster Linie gute Vorgaben der US-Börsen, die zuletzt noch stärker als üblich als richtungsweisend angesehen wurden, wie ein Beobachter feststellte. Analysten verwiesen allerdings darauf, dass angesichts der allgemeinen Lage auch Erholungsphasen ihrer Meinung nach keine generelle Trendwende darstellten.
Der Deutsche Aktienindex (Dax) machte durch die Freitagsgewinne seine vorangegangenen Verluste größtenteils wieder gut und reduzierte sich im Wochenvergleich lediglich um knapp 0,1 Prozent auf 13.118,13 Punkte. Der MDax büßte 0,4 Prozent ein auf 26.952,04 Zähler. Der TecDax profitierte deutlich stärker von US-Vorgaben und Erholungstendenzen und gewann 3,4 Prozent auf 2.919,32 Punkte. Der m:access All-Share verlor 1,5 Prozent auf 2.095,29 Zähler.
Größte Wochengewinner im Dax waren mit einem Plus von 7,6 Prozent die Titel von Beiersdorf , die zu Beginn der vergangenen Woche in den Index zurückgekehrt waren. Unter Druck standen dagegen Automobilwerte. Die Titel von Volkswagen verbilligten sich um 2,5 Prozent, die von BMW um 2,7 Prozent und der Kurs von Mercedes Benz verlor sogar 6,4 Prozent. Die Titel von Zalando wiesen trotz eines zeitweise erheblichen Kurseinbruchs am vergangenen Freitag nach einer deutlichen Prognosesenkung ein Wochenplus von 0,4 Prozent auf. Im MDax ging der zuletzt stark gestiegene Kurs von Rheinmetall um 2,5 Prozent zurück, hier belastete unter anderem ein Analystenkommentar.
Die Kurse an den deutschen Anleihemärkten haben in der vergangenen Woche spürbar zugelegt. Vor allem die wachsenden Sorgen vor einer schwächeren Konjunkturentwicklung bis hin zu einer Rezession ließ die Anleger zu den als sicher geltenden Bundespapieren greifen. Die Rendite der richtungsweisenden zehnjährigen Bundesanleihe ging im Wochenvergleich von 1,65 auf 1,47 Prozent zurück. Die Umlaufrendite reduzierte sich von 1,56 auf 1,36 Prozent.
Die US-Aktienbörsen haben in der vergangenen Woche kräftige Gewinne eingefahren. Spekulationen, wonach die US-Notenbank bei einer konjunkturellen Abschwächung das Tempo ihrer Zinserhöhungen drosseln könnte, sorgten für Auftrieb. Einige Beobachter sprachen allerdings auch von einer kurzen Aufwärtsphase in einem generell abwärts gerichteten Trend, einer sogenannten Bärenmarktrally. Der Dow-Jones-Index legte im Wochenvergleich um 5,4 Prozent auf 31.500,68 Punkte zu. Der breiter gefasste S&P-500-Index gewann 6,4 Prozent auf 3.911,74 Zähler. Der technologielastige Nasdaq-100-Index kletterte um 7,5 Prozent auf 12.105,85 Punkte.
Ausblick
Trotz der jüngsten Kursgewinne an den US-Börsen und der Erholung hierzulande am vergangenen Freitag geben sich die meisten Analysten zurückhaltend, was die Entwicklung an den deutschen Aktienbörsen in den kommenden Tagen betrifft. Unter ihnen herrscht überwiegend die Ansicht, dass es sich bei den zuletzt gesehenen Kurssteigerungen um eine Bärenmarktrally handelte. Eine solche Aufwärtsbewegung innerhalb eines übergeordneten Abwärtstrends könnte zwar auch weiterhin für zeitweilige Gewinne sorgen, fundamentale positive Impulse seien aber unverändert Mangelware. Dagegen bleibe die Rezessionssorge bestehen.
Wie sehr sich die Angst vor Inflation, Zinserhöhungen und Rezession in den nächsten Tagen an den Märkten niederschlagen wird, dürfte auch von den anstehenden Konjunkturdaten abhängen. Dabei wird unter anderem das GfK-Verbrauchervertrauen zeigen, wie stark sich Inflation und geopolitische Lage auf die Stimmung hierzulande ausgewirkt haben. Daneben geben die Einkaufsmanagerindizes einen Einblick in die Verfassung der Unternehmen. Von den anstehenden Inflationsdaten erwarten sich die meisten Beobachter keine positiven Überraschungen, auch wenn die Teuerung hierzulande laut Prognosen etwas zurückgegangen sein dürfte.
Unverändert äußerst relevant dürfte die weitere Entwicklung in Bezug auf die russischen Gaslieferungen bleiben. Unter Experten wachsen die Sorgen vor den Folgen eines kompletten Lieferstopps, der inzwischen als wahrscheinlicher als noch vor einigen Wochen gesehen wird.
Ausgewählte wichtige Termine der Woche
Montag, 27.06.: Auftragseingänge für langlebige Wirtschaftsgüter in den USA; Schwebende Hausverkäufe in den USA; Dallas Fed Herstellungsindex (USA)
Dienstag, 28.06.: GfK-Verbrauchervertrauen (Deutschland); Verbrauchervertrauen in den USA; S&P/Case-Shiller-Hauspreisindex (USA)
Mittwoch, 29.06.: Verbraucherpreise in Deutschland; Geschäftsklima in der Eurozone; Verbrauchervertrauen in der Eurozone; Bruttoinlandsprodukt der USA; Persönliche Konsumausgaben in den USA
Donnerstag, 30.06.: Einzelhandelsumsätze in Deutschland; Arbeitslosenzahlen für Deutschland; Arbeitslosenzahlen für die Eurozone; Persönliche Einkommen und Ausgaben in den USA; Chicagoer Einkaufsmanagerindex (USA); Einkaufsmanagerindex für das nicht-verarbeitende Gewerbe in China
Freitag, 01.07.: Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe in Deutschland und der Eurozone; Verbraucherpreise in der Eurozone; ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe in den USA; Gesamte Fahrzeugverkäufe in den USA
Autor: Dr. Robert Ertl, Vorstand der Bayerischen Börse AG
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