Angst vor den Zinserhöhungen - Börse München
Zinsängste zurück: Die deutschen Aktienbörsen haben in der vergangenen Woche deutliche Verluste verzeichnet. Nach einem starken Wochenauftakt bei allerdings überschaubaren Umsätzen, der freundlicheren Signalen aus China geschuldet gewesen war, ging es kontinuierlich abwärts. Vor allem Sorgen vor Zinsanhebungen zur Bekämpfung der hohen Inflation belasteten. Viele Marktteilnehmer befürchteten, dass die anziehenden Zinsen in Verbindung mit den übrigen derzeit schwierigen Faktoren die Wirtschaftsentwicklung ausbremsen und schlimmstenfalls zu einer Rezession führen könnten. Die Entscheidungen der Europäischen Zentralbank (EZB) fielen zwar im Rahmen der Erwartungen aus, allerdings verunsicherten revidierte Prognosen. Die EZB will wie angenommen den Zins im Juli zum ersten Mal seit elf Jahren anheben. Weniger erwartet worden war, dass die Notenbanker ihre Prognosen für die Inflation in diesem Jahr angehoben und die für das Wirtschaftswachstum im Euroraum gesenkt haben. Am vergangenen Freitag drückten US-Inflationszahlen die Stimmung weiter.
Der Deutsche Aktienindex (Dax) verlor im Wochenvergleich 4,8 Prozent auf 13.761,83 Punkte. Der MDax rutschte um ebenfalls 4,8 Prozent ab auf 28.768,98 Zähler. Der TecDax fiel um 4,9 Prozent auf 3.020,40 Punkte. Der m:access All-Share gab 1,9 Prozent auf 2.271,63 Zähler ab.
Unter den Zinssorgen litten besonders als Wachstumswerte gesehene Titel aus dem Technologie- beziehungsweise Onlinebereich. So sackten im Dax beispielsweise die Notierungen von Infineon und Zalando auf Wochensicht um 9,5 beziehungsweise 14,3 Prozent ab. Auch Immobilienwerte gelten Anlegern als mögliche Leidtragende höherer Zinsen, der Kurs von Vonovia verbilligte sich um 6,7 Prozent. Gegen den Trend stiegen im MDax die Titel von Beiersdorf um 1,9 Prozent. Der Konsumgüterhersteller steigt wieder in den Dax auf, zudem gaben optimistische Umsatzsignale Auftrieb.
Die Kurse an den deutschen Anleihemärkten sind in der vergangenen Woche weiter gefallen. Die aufgrund der hohen Inflationszahlen straffere Geldpolitik in großen westlichen Ländern beziehungsweise die Erwartung solcher Schritte drückten die Notierungen der Bundespapiere. In der vergangenen Woche hatte die australische Notenbank ihre Zinsen erhöht und die EZB einen solchen Schritt für Juli angekündigt. Zu Ende der Handelswoche ließen unerwartet hohe Inflationszahlen aus den USA die Spekulationen über weitere Schritte der US-Notenbank wachsen. Die Rendite der richtungsweisenden zehnjährigen Bundesanleihe zog im Wochenvergleich kräftig von 1,28 auf 1,49 Prozent und damit auf ihr höchstes Niveau seit Mitte 2014 an. Die Umlaufrendite stieg von 1,14 auf 1,31 Prozent.
Die US-Aktienbörsen haben in der vergangenen Woche nach einem guten Wochenstart erheblich nachgegeben. Die auf den höchsten Stand seit über 40 Jahren gestiegenen Verbraucherpreise verdarben den Anlegern die Stimmung, befürchteten diese doch eine deutlichere Straffung der Geldpolitik. Der Dow-Jones-Index büßte im Wochenvergleich 4,6 Prozent auf 31.392,79 Punkte ein. Der breiter gefasste S&P-500-Index sackte um 5,1 Prozent auf 3.900,86 Zähler ab. Der technologielastige Nasdaq-100-Index fiel um 5,7 Prozent auf 11.832,82 Punkte. Bei allen drei Indizes bedeutete das jeweilige Minus den höchsten Wochenverlust seit Januar dieses Jahres.
Ausblick
Die Geldpolitik dürfte auch in der aktuellen Woche das Hauptthema an den deutschen Aktienbörsen sein. Nachdem in der vergangenen Woche die EZB ihre Zinswende angekündigt hat, richten sich die Augen in den kommenden Tagen in erster Linie auf die US-Notenbank Fed. Eine weitere Zinsanhebung gilt dabei als ausgemacht, etliche Beobachter erwarten erneut eine Erhöhung um 0,5 Prozentpunkte. Neben der genauen Höhe dürften auch die Ausführungen der Fed zur aktuellen wirtschaftlichen Lage und ihrem weiteren Kurs mit Spannung erwartet werden. Neben der US-Notenbank geben auch die britische und die japanische Notenbank die Ergebnisse ihrer jeweiligen Ratssitzung bekannt.
Hinsichtlich der Wirtschaftszahlen dürften einerseits die Daten zur Teuerung interessieren, dies besonders in Hinblick auf die möglichen Reaktionen der Zentralbanken. Daneben stehen Einzelhandelsumsätze aus den USA und China auf der Agenda, von denen sich Beobachter Erkenntnisse darüber erhoffen, inwieweit die gestiegenen Preise sich bereits auf die Konsumlust ausgewirkt haben. Hierzulande dürften die Marktteilnehmer besonders auf die ZEW-Konjunkturerwartungen blicken.
Belastet könnten die Märkte durch Nachrichten aus China werden, wonach es in Peking und Shanghai wieder Massentests wegen Corona-Ausbrüchen gegeben habe. Hier steht die Sorge vor erneuten Lockdowns oder anderen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung im Raum, die die Wirtschaft ein weiteres Mal beeinträchtigen könnten. Zu Ende der Handelswoche könnte der große Verfallstermin an den Terminmärkten, der sogenannte „Hexensabbat“, für Ausschläge an den Börsen ohne ersichtliche fundamentale Gründe sorgen, wenn große Investoren versuchen, die Kurse in eine für sie gewünschte Richtung zu bewegen.
Ausgewählte wichtige Termine der Woche
Dienstag, 14.06.: ZEW-Konjunkturerwartungen (Deutschland); Verbraucherpreise in Deutschland; Erzeugerpreise in den USA
Mittwoch, 15.06.: Großhandelspreise in Deutschland; Industrieproduktion in der Eurozone; Ergebnis der Ratssitzung der US-Notenbank; Einzelhandelsumsätze in den USA; Import- und Exportpreise in den USA; New York Empire State Index (USA); Einzelhandelsumsätze in China
Donnerstag, 16.06.: Verbraucherpreise in Deutschland; Ergebnis der Ratssitzung der Bank of England; Baubeginne und -genehmigungen in den USA; Philadelphia-Fed-Herstellungsindex (USA)
Freitag, 17.06.: Verbraucherpreise in der Eurozone; Großer Verfallstag an den Terminbörsen; Industrieproduktion in den USA, Ergebnis der Ratssitzung der Bank of Japan
Autor: Dr. Robert Ertl, Vorstand der Bayerischen Börse AG
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