Valneva in Problemen: Zwei „große“ Zulassungen, aber kein Vertrag - Kritik an der EU
Seit Freitag ist klar: Valneva wird den Liefervertrag mit der Europäischen Union für den COVID-19 Totimpfstoff VLA2001 kaum noch retten können. Nach vielen Verzögerungen für das Vakzin will die EU aus dem Vertrag aussteigen oder bei einer Nachbesserung der Vereinbarungen nur stark reduzierte Mengen abnehmen. Die Valneva stürzt aufgrund dieser News ab. Schon am Freitag wurden 8,60 Euro erreicht, aktuelle Indikationen für die Biotech-Aktie notieren heute Morgen bei 8,80/9,10 Euro im Tradegate-Handel.
Nun kritisiert Valneva-Chef Thomas Lingelbach in einem Interview die EU. „Wir haben den exakt gleichen Zulassungsantrag an zwei Behörden gestellt: die britische und die europäische Zulassungsbehörde. In Großbritannien wurde unser Impfstoff am 14. April zugelassen, für die Europäer reichte es allerdings nicht“, sagt der Manager im Gespräch mit dem Business Insider. In dem Gespräch bestätigt Lingelbach auch indirekt, dass der Vertrag vor allem aufgrund zu geringer Abnahmemengen durch die EU zu scheitern droht. Für Valneva (WKN: A0MVJZ, ISIN: FR0004056851, Chart, News) würde sich dies schlicht nicht rechnen.
Zumindest derzeit, denn das Infektionsgeschehen könnte spätestens im Winter wieder Dynamik aufnehmen. Ob VLA2001 von Valneva dann gefragt sein wird, ist aber fraglich. Andere Impfstoffe werden wohl ebenfalls in hohen Mengen vorhanden sein.
Ohnehin, und davon spricht Lingelbach im Interview mit dem „Business Insider“ nicht, ist die Lage für das Biotech-Unternehmen in Großbritannien ebenfalls nicht gut. Zwar haben die Behörden den Impfstoff dort zugelassen. Schon weit zuvor war Großbritannien aber aus der Liefervereinbarung mit Valneva ausgestiegen, man warf der Gesellschaft Vertragsverletzungen vor.
Und so droht dem Unternehmen eine kuriose wie einmalige wie schwierige Situation, sollte die EU den COVID-19 Totimpfstoff VLA2001 doch noch zulassen: Man hätte zwei Zulassungen in wichtigen Märkten in der Tasche, aber in beiden Regionen keine Abnehmer von wirtschaftlich interessanten Mengen. Valneva muss sich fragen lassen, ob daran wirklich allein die EU schuld ist, oder man nicht zumindest Mitverantwortung trägt. Hinzu kommt: Kündigt die EU den Vertrag, wären Valnevas Prognosen für 2022 deutlich zu hoch angesetzt. Das preist die Valneva Aktie aktuell ein.
Hier noch einmal unsere Meldung vom Freitag.
Valneva Aktie rauscht in den Keller - GAU könnte eintreten
Das Risiko, dass die Europäische Union den Liefervertrag mit Valneva für den - noch nicht zugelassenen - COVID-19 „Totimpfstoff” kündigt, steigt enorm. Die Gespräche mit der EU um eine Nachbesserung des Vertrags drohen zu platzen, nachdem sich der Zulassungsentscheid für VLA2001 monatelang verzögert hatte.
„Einige Mitgliedstaaten haben ihr Interesse an einem inaktivierten, adjuvantierten Ganzvirus-Impfstoff in ihrem Portfolio bestätigt. Die von der Europäischen Kommission erhaltenen vorläufigen, inoffiziellen Mengenangaben würden jedoch nicht ausreichen, um die Nachhaltigkeit des COVID-19-Impfstoffprogramms von Valneva zu gewährleisten. Dies würde auch die zukünftige Entwicklung des Programms über das derzeitige Produktprofil hinaus erschweren”, meldet Valneva am frühen Freitagabend.
Damit droht nun endgültig die Kündigung des Liefervertrags zwischen der EU und Valneva: „Sollten sich diese Angaben konkretisieren, wird Valneva nicht in der Lage sein, den Vorabkaufvertrag so anzupassen, dass er eine Reduzierung des Auftrags ermöglicht”, heißt es. Dies werde wahrscheinlich dann die Kündigung durch die EU zur folge haben. Damit würde der Totimpfstoff gegen COVID-19 in der EU wahrscheinlich nicht auf den Markt kommen - Zulassung durch die EMA hin oder her. Voraussichtlich wird diese in der überhnächsten Woche entscheiden, ob man das Vakzin zulässt.
Beim französisch-österreichischen Biotech-Unternehmen klingt derweil kaum noch Hoffnung auf eine Rettung des Vertrages durch: „Wir hoffen, dass die Europäische Kommission und ihre Mitgliedstaaten die potenziellen Vorteile eines inaktivierten Impfstoffs weiter prüfen werden. Es gibt immer mehr Belege dafür, dass eine hybride Immunität - eine Kombination aus Impfung und natürlicher Infektion – die Wahrscheinlichkeit für schwere COVID-19-Verläufe verringert, die durch verschiedene besorgniserregende Varianten verursacht werden, und unser inaktivierter Impfstoff ahmt die natürliche Infektion sehr gut nach, indem er die Geimpften dem gesamten inaktivierten SARS-CoV-2-Virus aussetzt”, sagt Thomas Lingelbach, Chief Executive Officer von Valneva.