Ifo Geschäftsklima: Bessere Unternehmensstimmung erhöht Druck auf EZB - Nord LB
Heute Vormittag hat das Münchner ifo-Institut aktuelle Ergebnisse seiner monatlichen Konjunkturumfrage unter rund 9.000 deutschen Unternehmen veröffentlicht. Demnach bleibt die Stimmung in der deutschen Wirtschaft gedrückt. Das ifo-Geschäftsklima für die gewerbliche Wirtschaft legte im Mai deutlich auf 93,0 Punkte zu. Nach den nur leicht günstigeren Vorgaben der Umfragen vom ZEW und von sentix präsentiert sich der ifo-Geschäftsklimaindex somit erneut deutlich positiver.
Die spürbare Stimmungsaufhellung bei den befragten Unternehmenslenkern ist fast ausschließlich auf eine erheblich verbesserte Einschätzung der aktuellen Lage zurückzuführen. Der Index für die aktuelle Geschäftslage machte einen Sprung von 97,3 auf 99,5 Punkte – und notiert damit sogar wieder leicht über dem Niveau vor dem Beginn der Corona-Pandemie Anfang 2020. Bislang scheinen sich die deutschen Unternehmen insgesamt als recht widerstandsfähig gegenüber den vielfältigen Belastungsfaktoren zu erweisen. Der Ukrainekrieg, neue pandemiebedingte Konjunktursorgen in China sowie hohe Energiepreise und anhaltende Engpässe bei Rohstoffen und Vorleistungsgütern haben zumindest am aktuellen Rand offensichtlich noch keinen nachhaltigen Einbruch verursacht. Positiv dürften zudem die Lockerungen der Corona-Beschränkungen gewirkt haben.
Allerdings ist es für eine Entwarnung noch viel zu früh, gerade die Entwicklungen im Ukrainekrieg und bei den Sanktionen gegen Russland bleiben dynamisch. So bleiben die Unternehmen mit Blick auf die zukünftigen Geschäftsperspektiven auch sehr vorsichtig. Die Geschäftserwartungen legten nur marginal auf 86,9 Punkte zu und bleiben damit auf einem im historischen Vergleich sehr niedrigen Niveau. Schnelle Fortschritte beim Thema Energiesouveränität Deutschlands und Europas sind nicht nur von strategischer Relevanz, sondern dürften auch erheblichen Einfluss auf die Wirtschaftsstimmung und Konjunkturperspektiven in den kommenden Monaten haben.
Positiv hervorzuheben ist, dass sich die Stimmungsaufhellung im Mai in allen Sektoren vollzog und somit breit unterstützt ist. Industrie und Bau können sich von den Rückschlägen der Vormonate erholen und im Handel und bei den Dienstleistern dürfte vor allem der Effekt geringerer Corona-Belastungen ausschlaggebend für die Verbesserung im Mai gewesen sein. Für 2022 rechnen wir weiterhin mit einem BIP-Wachstum von 1,8% für Deutschland und 2,7% im Euroraum. Die heutigen ifo-Daten stellen auch eine klare Unterstützung für die sich abzeichnende zügige Normalisierung der EZB-Geldpolitik dar. Für den DAX ging es zeitgleich mit der Veröffentlichung der überraschend positiven Konjunkturdaten deutlich abwärts, nachdem er mit kräftigen Zuwächsen auf zeitweise deutlich über 14.100 Punkte in die Woche gestartet war. Auch konjunkturseitig gibt es aktuell keine Hinderungsgründe für die EZB, im Juni eine klare und zügige geldpolitische Wende zu beschließen.
Fazit: Die Stimmung in den deutschen Unternehmen hat sich im Mai überraschend positiv entwickelt. Der ifo-Geschäftsklimaindex legte deutlich auf 93,0 Punkte zu, was vor allem auf eine verbesserte Einschätzung der aktuellen Geschäftslage zurückzuführen ist. Hier wurde sogar trotz der vielfältigen Belastungen am aktuellen Rand das Vorkrisenniveau von Anfang 2020 wieder übertroffen. Die Verbesserung des Geschäftsklimas ist über die Sektoren hinweg breit unterstützt. Die deutsche Wirtschaft erweist sich derzeit als recht resilient und profitiert im Mai zudem von den jüngsten Lockerungen der Corona-Beschränkungen. Gleichwohl hängt viel von der weiteren Entwicklung im Konflikt mit Russland ab, weshalb die deutschen Unternehmen bei den Geschäftserwartungen auffallend vorsichtig bleiben. Schnelle Fortschritte beim Thema Energiesouveränität sind strategisch von höchster Relevanz und wären ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Konjunkturperspektiven. Die EZB wird im Juni eine klare und zügige geldpolitische Wende einleiten, nachdem mit den aktuellen Zahlen zur Konjunkturstimmung den Tauben das letzte Argument genommen ist.
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